„Ich bin ein Held, weil ich eine sehr glückliche Familie habe“

Konstantinos Agatsiotis ist gebürtiger Grieche. Vor 53 Jahren ist der heute 73-Jährige, als damals jüngster und einziger von acht Kindern, für sein Studium nach Österreich gekommen. Die Ausbildung zum Veterinärmediziner hat der Tierliebhaber dann der Liebe wegen abgebrochen. Im Interview erzählt er, warum ihm seine Frau und Kinder das Wichtigste sind, erzählt von seiner Leidenschaft zu Österreich und seinem Pendlerleben zwischen Griechenland und Wien.

Konstantinos, warum hast du damals Griechenland verlassen?

Wegen der finanziellen Lage. Da der Vater gefehlt hat, waren keine finanziellen Möglichkeiten vorhanden. In Griechenland muss man Geld haben, um studieren zu können. Es war nicht möglich dort zu studieren oder als Student wo zu arbeiten. Genug Griechen sind damals im Ausland gelandet, mit oder ohne Erfolg. Ich habe mich nach der Matura entschlossen ins Ausland zu gehen. Zuerst war ich in Deutschland. In München habe ich eine deutsche Sprachlehre für Ausländer gemacht und die Grundbegriffe gelernt. Alles andere habe ich selbst gelernt. Da es in Deutschland und Österreich damals gute Zeiten waren und es Möglichkeiten für Studenten gab, bin ich nach Österreich gekommen.

Nach so vielen Jahren sage ich mittlerweile: ‚wir Österreicher‘

Wie war es für dich in ein fremdes Land zu kommen, ohne die Sprache zu sprechen?

Es war nicht schwer für mich. Ich war noch jung und hatte das Selbstvertrauen. Für mich war es egal, ob ich jetzt hier oder in Griechenland lebe. Ich habe Österreich gleich akzeptiert. Nach so vielen Jahren sage ich mittlerweile oft „wir Österreicher“. Wenn jemand meine Aussprache hört heißt es dann oft: „Wieso wir? Du bist ja kein Österreicher“. Aber ich bin ein Österreicher. Meine Kinder sind da geboren, ich fühle mich genau so wie ein Österreicher und ich interessiere mich für alles was in Österreich passiert, ich gehe genau so wählen wie jeder andere. Ich habe auch die Staatsbürgerschaft.

Wieso ist es eigentlich gerade Wien geworden?

1962 bin ich durch einen griechischen Kollegen, mit dem ich in München zusammengewohnt habe, nach Österreich gekommen. Er hat mich gefragt, warum ich nicht nach Wien fahre. Wien ist eine ruhige Stadt und es war damals viel billiger in Wien zu studieren als in Deutschland. Also habe ich an der Tierärztlichen Hochschule inskribiert und mit Veterinärmedizin begonnen. Eigentlich mit ganz gutem Erfolg.

Weshalb wolltest du Tierarzt werden?

Tierarzt wollte ich werden, weil ich am Land aufgewachsen bin und mit den Tieren groß geworden. Wir haben Kühe gehabt, Esel, Hunde, Katzen und alles was möglich war. Für mich sind Tiere gleich gestellt mit dem Menschen.

Wie hast du dir das Studium finanzieren können?

Mein älterer Bruder hat mir Geld geschickt, es war nicht viel aber immerhin. Sonst habe ich mein Studium selbst finanziert. Nach einem Semester in Wien bin ich wieder in Deutschland gelandet und habe im Sommer für drei Monate bei einer Baufirma gearbeitet.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Wie ist es dann mit dem Studium weiter gegangen?

1964 lernte ich in Wien dann meine Frau kennen. Sie ist damals vor einem Kino spazieren gegangen, als ich sie angesprochen habe. Dann sind wir zusammen ins Kino gegangen und so hat vor fast 50 Jahren die große Liebe zwischen ihr und mir begonnen. Im gleichen Jahr war auch schon unser erstes gemeinsames Kind unterwegs und wir haben geheiratet. Sie hat bereits zwei Kinder in die Ehe mitgebracht. Bei 3 Kindern habe ich dann mehr gearbeitet anstatt zu studieren. Einen Teil meines Studiums habe ich dennoch fertig gemacht, zu den anderen Prüfungen bin ich aber nicht mehr gekommen. Es hat mir zwar weh getan das Studium abzubrechen, aber die Kinder waren mehr wert als ich selbst und es war nicht anders möglich.

Hattest du auch mal Zweifel und wolltest wieder zurück nach Griechenland?

Nein, nein, nie. Es hat so gut gepasst mit meiner Frau und meinen Kindern, wir haben sehr gut miteinander gelebt. Wir haben viele Träume gehabt und es sind auch viele Träume in Erfüllung gegangen.

Und was machst du jetzt?

Wir haben es so weit gebracht, dass wir in Griechenland eine Existenz aufgebaut haben, ein Haus mit Garten. Wir leben also ein halbes Jahr in Griechenland und ein halbes Jahr hier in Österreich. Wenn ich hier lebe, will ich auch was machen. Weil aber Winter ist und ich kaum etwas machen kann, übe ich eben weiter meinen Beruf aus. Ich arbeite 4-5 Monate als Taxifahrer.

Wolltest du auch einmal etwas anderes arbeiten?

Hier nicht, nein. Das ist ein freier Beruf und ich bin selbst Herr der Dinge.

Wenn du jetzt die Wahl hättest, wo würdest du lieber leben? Griechenland oder Österreich? Abgesehen davon, dass du das Glück hast in beiden Ländern leben zu können.

Das Leben in Griechenland ist für mich besser. Dort bin ich der König und hier bin ich der Bettler (lacht). Aber beide Länder gefallen mir.

Die Österreicher glauben, sie sind die Besseren.

Was sind deiner Meinung nach die größten Unterschiede zwischen Österreichern und Griechen?

Die Griechen sind zu den Touristen gleich wie zu anderen Ausländern, sie machen keinen Unterschied. Sie sind ehrlicher und offener. Die Österreicher sind mehr, wie kann man sagen…sie glauben sie sind die Besseren, also besser als alle anderen. Obwohl viele aus dem Ausland sogar Doktor geworden sind,  Matura haben und viele Sprachen können, werden sie praktisch als Mensch zweiter Klasse betrachtet.

Ist dir selbst auch schon etwas in der Art passiert?

Wenn ich heute mit Kollegen zusammen sitze und den Mund aufmache merken die, die mich nicht kennen: Aha, der ist Ausländer. Einmal hat ein Kollege daraufhin eine Zeitung in die Hand genommen und mich gefragt, ob ich die überhaupt lesen kann. So viel Ahnung haben diese Leute

Was ist für dich das Positivste daran, dass du in Österreich bist?

Das Positivste ist, dass es ein Land ist wo ich Möglichkeiten bekommen und genutzt habe. Somit konnte ich meinen Kindern eine Ausbildung ermöglichen.

Reden wir vom Essen: Welche Küche bevorzugst du, die griechische oder die österreichische?

Wir essen mehr aus der griechischen Küche, aber ich esse auch gerne die österreichische. Ich esse alle Speisen, egal was man macht, ich bin nicht haglich (lacht).

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Was würdest du jetzt anders machen?

Ich hätte auf mein Studium schauen müssen, nicht auf die Frauen (lacht). Ich hätte jetzt mehr Möglichkeiten, aber es war dann schon zu spät und nicht anders möglich. Ich habe meine Frau so geliebt und liebe sie heute noch.

Was ist für dich das Schönste an Österreich und an Griechenland?

Das schönste in Österreich, wir leben hier in einem sehr grünen Land und das gefällt mir und wenn ich auf die Insel komme ist es dort genau so grün wie hier. Mir gefällt bei beidem die Atmosphäre. In Griechenland habe ich nur Sehnsucht nach den Kindern und den Enkelkindern (lacht).

Siehst du dich selbst als Held?

Ein Held. Ich bin irgendwie ein Held, weil ich eine sehr, sehr glückliche Familie aufgebaut habe und mit meiner Frau zusammen geblieben bin. Ich bin stolz, weil ich alles versucht habe und wollte, dass meine Frau auch in Griechenland von meiner Familie akzeptiert wird. Wenn sie gewusst hätten, dass ich eine Frau mit zwei Kindern aus erster Ehe geheiratet habe, hätte ich große Probleme mit der Familie gehabt und sie hätten meine Frau nicht akzeptiert. Damals war es anders als jetzt, deshalb wollte ich es geheim halten. Dann haben sie alle akzeptiert und lieben sie.

Was macht einen Helden für dich aus?

Ein Held ist jemand, der versucht jemand anderen aus dem Dreck rauszubringen (lacht).

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