Ich bin jeden Tag im Flow

Den ganzen Tag im Büro zu sitzen, das kann Thomas Kügerl nicht passieren. Der Gründer des Lernservices “mobile nachhilfe” und der Behindertensportinitiative “Social Friends” hat nämlich keinen Schreibtischstuhl. Nicht jedoch, weil er aus Geldnot aufs Wesentliche verzichten muss, sondern weil er gesundheitsbewusst lebt und arbeitet. Für unser Interview setzt sich der Burgenländer dann aber doch zu mir an den Tisch.

Thomas, wie wird man Jungunternehmer?

Ich habe an der TU Wien Wirtschaftsinformatik studiert, und mir durch mein Studium die Grundfähigkeiten für das, was ich jetzt mache, angeeignet.Bereits mit 24 Jahren, also noch während des Studiums, habe ich mein erstes Unternehmen aufgebaut.

Das da heißt?

Mobile nachhilfe. Ich habe ein Alternativsystem für die Nachhilfe in Wien erarbeitet, bei dem Lehrer zu Schülern nach Hause kommen.

Also vergleichbar mit dem Hausbesuch eines Arztes?

Genau. Wir waren damals die Ersten, die solch ein Service in Österreich angeboten haben, und konnten somit ein großes Netzwerk an Lehrern und Schülern der AHS und BHS aufbauen. Die Firma wird mittlerweile 10 Jahre alt, ich kümmere mich um das Online-Marketing, eine Mitarbeiterin kümmert sich um die administrativen Angelegenheiten. Ich kann also zum Glück andere Sachen nebenher machen.

Bist du zum Unternehmer geboren, oder hast du auch schlechte Erfahrungen in der Hamsterrad-Berufswelt gemacht?

Beides. Ich kann mich erinnern, dass ich eines Schultages zu meinem Freund in der letzten Sitzreihe gesagt habe: “Sepp, ich mach’ mich irgendwann selbstständig. Womit weiß ich noch nicht, aber ich werde sicherlich einmal mein eigenes Unternehmen haben.”
Also habe ich es damals, in der 7. Klasse schon gewusst. Nach zwei Ferialpraktika bei einem großen IT-Unternehmen war mir klar: Hier werde ich nicht alt, das ist nichts für mich.

Foto: Sven Wuttej
Foto: Sven Wuttej
Als blutjunger Student war es sicher nicht einfach, ein Unternehmen wie die „mobile nachhilfe“ aufzubauen?

Nicht unbedingt. Es war jedoch eine wertvolle Erfahrung, mit null Kapital zu starten, und dennoch ein so großes Projekt aufzuziehen. Wenn du Kohle hast, kannst du natürlich zu Firmen gehen, die dir Websites bauen, die dich online betreuen und Marketing-Aktionen starten. Das Budget hatte ich aber als Student nicht. Daher hab ich meine eigenen Ressourcen so eingesetzt, dass am Ende etwas dabei rausschaut hat. Wenn dann, im Optimalfall, das Geld kommt , kannst du auch investieren und das Ganze weiter aufbauen. So war es dann auch. Die „mobile Nachhilfe“ ist super angelaufen und hat bereits nach zwei Jahren so gut funktioniert, dass ich davon leben konnte. Das war mein Fundament für gewisse andere Projekte. Es ist nichts für mich, ein Projekt aufzubauen und ausschließlich diesem ein Leben lang zu folgen. Es kann natürlich sein, dass ein Projekt so groß wird, dass es dich für einen bestimmten Zeitraum total einnimmt, oder für immer. Bei der „mobilen nachhilfe“ lief es so gut, dass ich Teilbereiche abgeben, und mich so auf zu neuen Ufern machen konnte. Ich wusste, ich wollte noch mehr und stellte mir folgende Fragen: Welches für mich und für andere sinnvolles Projekt möchte ich umsetzen? Wo liegen meine Stärken und Fähigkeiten? In welche Richtung soll mein weiteres Arbeitsleben verlaufen? Ich entschloss mich also die Social Friends-Idee umzusetzen, davor musste aber noch etwas anderes geschehen.

 Ich war unsterblich

Eine weitere Veränderung?

Ich habe seit meinem 6. Lebensjahr Fußball gespielt. Mit 28 war auch der Wunsch nach sportlichem Wandel bei mir da. Durch einen Freund bin ich dann zum Triathlon gekommen. Wir haben uns gemeinsam für den Vienna City Triathlon vorbereitet. Ich bin die Sache leider falsch angegangen und habe, durch übermäßigen Ehrgeiz getrieben, zu viel trainiert. Ich bin beim Wettbewerb eingegangen und gerade noch so ins Ziel gekommen. Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Ich habe ein Ticket für den Ironman Kärnten ergattert, habe ein halbes Jahr dafür trainiert, und den Bewerb dann mit Bravour gemeistert. Dieser Erfolg hat viel in mir ausgelöst. Vor dem Ironman war ich in vielen Sachen zögerlich. Da hat mir oft der Nachdruck gefehlt. Durch meinen Erfolg ist mental ein Schalter umgefallen. Ich dachte mir: Du schaffst einen Ironman, jetzt kannst du alles schaffen! Auch war ich um eine Erkenntnis reicher: Wenn du wirklich was erreichen willst, du hart daran arbeitest, dann kannst du es auch schaffen. Ich war unsterblich.

Wie lange warst du unsterblich?

Du, sowas vergeht dann wieder recht schnell (lacht).

Der Wechsel der Sportart war also erfolgreich geglückt?

Ja, ich trat in weiterer Folge beim Ironman in Schweden, beim Escape from Alcatraz Triathlon in San Francisco, einem Extrem-Triathlon in Schottland und beim SocialMan – Austrian Extreme Triathlon an. Den SocialMan organisieren Social Friends übrigens selbst. Ich bin Mitorganisator.

Von Bewerb zu Bewerb konnte ich die Events immer mehr genießen. In Schottland ist dann bereits alles automatisch abgelaufen, ich habe mich nicht gequält, habe über die gesamte Distanz, also 14 Stunden und 30 Minuten lang gegrinst. Diese Grenzerfahrungen sind für mich mittlerweile wichtig, weil ich davon viel für mich selbst mitnehmen kann.

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Wie kam es zu deiner Idee, die Social Friends zu gründen?

Ich kann nicht sagen, woher die Idee kam, Behindertensportler bei der Ausübung ihrer Sportart zu unterstützen, doch sie war plötzlich da. Sport ist meine Leidenschaft und ich habe unternehmerische Fähigkeiten, also sprach nichts dagegen, diese neue Herausforderung anzugehen. Ich habe sofort gewusst: Das ist dieses Neue, das ich machen will. Was genau es wird, wusste ich zu dem Zeitpunkt auch noch nicht. Ich spürte aber, dass es meines ist. Da hat das Feuer zu lodern begonnen.

Bist du dein zweites Projekt ähnlich wie das erste angegangen?

Ja. Allerdings mit mehr Erfahrung. Ich wusste diesmal schon wie der Hase läuft. Zu Beginn wird man für eine neue Idee oft schief angeschaut und belächelt. Das wusste ich ja bereits, ich ließ mich davon aber nicht weiter negativ beeinflussen oder gar entmutigen. Ich habe einige Freunde um Mithilfe gebeten und wir haben es angepackt.

Was war der erste Schritt in Richtung Unterstützung von Behindertensportlern?

Die Idee entstand bei einem Radtrainingslager auf Teneriffa. Konkret begonnen hat es dann mit einem Laufevent im Prater. Beim Business Run haben wir ein Zelt gemietet, die Teilnehmer konnten durchs Laufen Spendengelder für Sportler sammeln. Am 3.9.2015 kann man da übrigens auch heuer wieder mitlaufen. Wir haben dann versucht, Sportler zu finden, die wir unterstützen können. Ich habe zum Beispiel Matthias Lanzinger angeschrieben. Der hat uns unseren ersten Sportler Martin Würz vermittelt. Dann hat eines ins andere gegriffen. Mittlerweile melden sich Vereine, Organisationen und Einzelsportler, die Unterstützung brauchen. Wir haben ein großes Netzwerk aufgebaut.

Viele Leute denken, dass man ein Helfersyndrom hat, wenn man auf der sozialen Schiene fährt

Was motiviert dich persönlich, dich auf sportlich-soziale Weise zu engagieren?

Es gibt mir und anderen Menschen, die an den Projekten teilhaben, vor allem sehr viel Sinn. Viele Leute denken, dass man ein Helfersyndrom hat, wenn man auf der sozialen Schiene fährt. Das sehe ich gar nicht so. Ich wollte einfach ein sinnvolles Projekt auf professionelle Beine stellen. Wir wollen keinen gewöhnlichen Verein führen. Wir wollen nicht unser Gewissen dadurch beruhigen, indem wir etwas Gutes tun. Das Ziel ist, langfristig eine Organisation aufzubauen, die vieles bewegen kann.

Wie lange gibt es die Social Friends bereits?

Am 31. Mai. werden es drei Jahre. Mittlerweile haben wir auch ein großes Projekt, den “SocialMan” – Austrian Extreme Triathlon gestartet. Voriges Jahr gab es ihn zum ersten Mal, da waren wir noch 15 Starter, heuer am 4.7.2015 werden es an die 100 sein.

Ist der SocialMan eine Anspielung auf den Ironman, jedoch mit sozialem Hintergrund?

Genau, beim SocialMan steht der Leistungsgedanke nicht im Vordergrund. Im Gegensatz zum Ironman, bei dem viele nur auf die Zeit schauen, geht es beim SocialMan darum, dass du durch kommst, dass du mental Grenzen verschiebst. Gleichzeitig wollen wir Spendengelder für unsere Behindertensportler sammeln, von denen auch viele am Start sind.

Foto: Sven Wuttej
Foto: Sven Wuttej
Wie sieht es mit der finanziellen Unterstützung für Behindertensportler in Österreich aus?

Die Topathleten werden ganz gut gefördert. Für junge, talentierte Athleten ist es aber sehr schwer, an ausreichend Fördergelder zu kommen. Unsere Hauptaufgabe liegt aber nicht in der finanziellen Unterstützung der Sportler, sondern in der Öffentlichkeitsarbeit. Wir schreiben Berichte von Wettkämpfen, Presseaussendungen und erstellen Websites für Sportler. Wir tun also unser Möglichstes, um Behindertensportlern eine gute Medienpräsenz zu verschaffen. Eine kontinuierliche und professionelle Öffentlichkeitsarbeit ist für ambitionierte Athleten unerlässlich.

Der Name Social Friends klingt ja äußerst sympathisch.

Ja, wir gestalten das ganze freundschaftlich. Es geht uns darum, die Sportler persönlich kennen zu lernen, und mit ihnen coole Erfahrungen bei unseren eigenen Events zu machen. Wenn du die Menschen einmal kennst, ist es einfacher, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Man weiß wie jeder einzelne tickt. So kann man gemeinsam etwas weiterbringen. Bei uns liegt der Fokus aber nicht auf der Leistungserbringung. Wenn ein Sportler bei der WM Letzter wird, bekommt er von uns die gleiche Unterstützung, die er als Sieger bei den Paralympics erhalten würde.

Wie sieht die Zukunftsplanung der Social Friends aus?

Wir werden die Social Friends in Österreich weiter etablieren und mehr Sportler im Leistungs- und Breitensport unterstützen. Darüber hinaus bin ich offen für Vieles. Mit ein wenig mehr Personal könnten wir aktuell bereits mehr Sportler betreuen. Wer weiß, was noch kommt. Man könnte das Ganze über Österreichs Grenzen hinaus tragen. Das ist definitiv möglich.

Mobile Nachhilfe, Social Friends. War es das jetzt für dich, oder wartet ein weiteres Projekt auf seine Umsetzung?

Gute Frage. Prinzipiell sehe ich es als meine Lebensaufgabe, neue Projekte in die Welt rufen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Projekt soweit abgeschlossen ist, kann ich wieder etwas anderes, etwas neues machen. Im Moment liegt mein voller Fokus darauf die Behindertensportinitiative Social Friends als erfolgreiche Organisation im Behindertensport aufzubauen. Ich möchte das was ich im Moment mache gar nicht Arbeit nennen, ich befinde mich durchgehend in einem Flow-Zustand. Die Aufgabe macht riesigen Spaß, ich möchte es gegen nichts tauschen.

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