Essen mit Style

Franz Karner ist ein hervorragender Koch. Dennoch muss er manche seiner Speisen unzählige Male nachkochen. Franz ist nämlich Foodstylist. Er sorgt dafür, dass das Essen vor der Kamera ins rechte Licht gerückt wird. Im Interview erzählt er über seine Liebe zum Detail, seine Leidenschaft, die er zum Beruf machte, und darüber, dass man die Moral ab und an zur Seite schieben muss.

Die richtige Musik für diesen Artikel. Franz Karners Lieblingssong:


Eine große Halle. Es duftet  nach süßen Äpfeln, nach Gewürzen, die ich nicht zuordnen kann, nach Gebäck, nach Heiterkeit und Freude, vielleicht auch nach Sommer. Nicht weit entfernt erblicke ich Franz, der sich aufmerksam von einer Seite zur anderen wendet. Er wirkt konzentriert.

„Das hier passt noch nicht! Lass uns das auch noch auf die andere Seite legen. Halt, so können wir das nicht lassen, und das hier verdeckt die Heidelbeeren.“ Eigentlich ist es perfekt. Nicht so für Franz. Jedes Detail muss stimmig sein, kein Minzblatt darf zu viel verdecken. „Die Apfellaibchen sind zu dunkel. Na toll, wir müssen alles noch einmal backen.“ Was anderen bereits das Wasser im Mund gerinnen lässt und gerade zu perfektionistisch wirkt, ist für Franze gerade einmal gut genug. Er strebt nach absoluter Perfektion, wenn es ums Essen geht.

Franz ist Food Stylist.

Der dreifache Vater erzählt von den Anfängen seiner Karriere: „Ich habe keine typische Kochlehre hinter mir. Nach der Matura fing ich an Jus zu studieren. Nebenbei musste ich aber auch Geld verdienen. Zufällig erfuhr ich von einer Crêperie, die einen Crêpe-Koch suchte. Sehr bald realisierte ich, dass ich am Jusstudium kein Interesse mehr habe, und konzentrierte mich aufs Kochen. Ich wollte mich beruflich in diese Richtung weiterentwickeln. Viele kennen vielleicht ‚Frisch gekocht, ist halb gewonnen.’ Das war der erste Zugangspunkt zu meinem heutigen Beruf als Food Stylist. Die Fernsehshow befand sich damals noch in den Anfängen. Ich kochte im Hintergrund. Es gab täglich 5 Aufzeichnungen, in denen wir je 2 Gerichte kochten. Eins für den Koch, eines für den teilnehmenden Kandidaten.“

Foto: Lorin Canaj / Helden-von-heute.at
Foto: Lorin Canaj / Helden-von-heute.at

Franz erklärt was Foodstyling überhaupt ist. „Wenn ich jemandem erzähle was ich beruflich mache, kommt oft Blödsinn wie: ‚Ah Haarspray, da wird ja nur getrickst’ oder ‚Motoröl als Saucen?’. Es stimmt, dass oft noch Glycerin verwendet wird. So stellt man Wassertropfen nach. Glycerin perlt nicht ab und symbolisiert Frische.  Aber generell ist Foodstyling die Tätigkeit, die optisch für Foto und Film das optimale aus Gerichten herausholt und Produkte möglichst appetitlich und reizvoll für den Konsumenten darstellt. Für mich ist es ein sehr schöner Beruf!“

Man merkt sofort: Kochen ist Franz’ Leidenschaft. Seine Augen glänzen, als er  erzählt, dass er es schon als Kind sehr genossen hat, mit seiner Mutter zu kochen und zu beobachten, wie Gerichte entstehen. „Am liebsten experimentiere ich mit Aromen. Saucen sind mein Steckenpferd. Darin bin ich sehr gut. Sie sind das Aushängeschild einer Küche. Der Geschmack einer Sauce zeigt das Individuelle des Koches. Im arabischen Raum gibt es beispielsweise die Gewürzmischung „Ras el-Hanout“ („Kopf des Ladens“ oder „Das Haupt des Händlers“), eine Gewürzmischung, die jeder Händler anders mischt, das verleiht Persönlichkeit. So sehe ich auch meine eigenen Saucen.“

„Die Saucen spiegeln meine Persönlichkeit wider.“

Wie Franz zur Molekularküche steht? „Es ist eine wichtige, vielleicht notwendige Weiterentwicklung für die Küche, jedoch nicht mein Zugang zum Kochen. Das Kochen soll seine Natürlichkeit behalten. Ich finde es persönlich nicht sinnvoll Technologien und Lebensmittel zu verbinden. Gut Aromatisiertes steht für sich, ohne dass man ständig Texturen verändern muss und Lebensmittel in etwas anderes verändert, was sie nicht sind. Ich muss das kulinarisch nicht erleben.“

Franz stylt für Magazine und Lebensmittelverpackungen, manchmal auch für Kochbücher. Er schmunzelt: „Ich fühle mich manchmal wie ein Vagabund. Mein Kofferraum ist immer voll mit den unterschiedlichsten Requisiten, Handwerksachen, Mixern und Dekozeug. Was ich brauche hängt davon ab, wie gut die Fotografen ausgestattet sind. Am liebsten style ich für Magazine, da kann ich kreativ sein. Ich habe zwar grobe Vorgaben, bin aber in der Gestaltung frei.“

„Ich liebe es Welten entstehen zu lassen.“

Aber was kann man sich unter so einem Shooting vorstellen? Franzerklärt: „Bei den Magazinen wird ein Thema von der Agentur vorgegeben oder wir machen zusammen im Vorhinein ein Brainstorming, zu welchem Thema wir shooten sollen. Ich schicke danach meine Rezeptvorschläge an die Redaktion. Diese sieht sich an, ob es Überschneidungen zu vorigen Ausgaben gibt. Gegebenenfalls werden von mir noch Veränderungen durchgeführt. Anschließend beginnt die Vorbereitung. Es wird eingekauft, und Requisiten werden angeschafft. Meist entsteht die optische Gestaltung bereits in meinem Kopf, während ich die Rezeptvorschläge mache. Bei heiklen Sachen koche ich manchmal auch Probe.

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Am Tag des Shootings wird konkret der Hintergrund besprochen. Manchmal werden speziell für einzelne Shootings ganze Räume aufgebaut, die zu den Gerichten und Themen passen, wie etwa eine Speisekammer mit gedämpftem Licht. Wir arbeiten auch viel mit Farb- und Lichteffekten, viel mit Blickwinkeln.“ Franz sammelt auf der ganzen Welt gerne Requisiten, die er bei Foodshootings einsetzen kann. „Ich liebe es Welten entstehen zu lassen.“

Am liebsten spiele er mit Strukturen, antwortet Franz auf die Frage, wie er sein Essen am liebsten kreiere. Auch bei den Farben liebt der Foodstylist die Einfachheit:Ich mag es, wenn Gerichte in einem Farbton zusammen passen und man lockert sie eventuell mit einem anderen Farbton auf. Bunte Sachen sind nicht meins.“

Foto: Lorin Canaj / Helden-von-heute.at
Foto: Lorin Canaj / Helden-von-heute.at

Nach dem Fotoshooting werden die Bilder gemeinsam bewertet. „Oft kommt es auch vor, dass wir überhaupt nicht zufrieden sind. Tja, dann müssen wir alles noch einmal neu aufbereiten.“ Er schmunzelt. „Selten auch neu kochen.“ Im Anschluss gehen die Fotos an den Kunden. Hin und wieder kämen Rückmeldungen wie ‚Das Petersilienblatt bitte doch nach links.’ “Für solche Zwecke ist dann die digitale Fotobearbeitung ideal”, sagt Franz und grinst.

Franz beschreibt die Foodstylingbranche in Österreich als sehr kollegial. „Weil Österreich ein kleiner Markt ist, kennt und schätzt man sich unter den Kollegen. Manchmal werden Aufträge weitervermittelt, wenn man vielleicht keine Zeit hat. Im Gegensatz zu Ländern, wie Amerika oder Deutschland, ist Foodstyling in Österreich noch unbekannt. In Australien ist Foodstyling sehr präsent – auch was die Qualität und Innovation bei Magazinen anbelangt.“

Wie bereits erwähnt, stylt Franz auch für Lebensmittelverpackungen. Ich will von ihm wissen, ob er sich mit diesen Produkten immer identifizieren kann. Er sieht mich an, verzieht ein wenig seinen Mund, schaut weg und sagt: „Die heikle Gretchenfrage ist das.“ Er zögert ein bisschen. „Ehrlich gesagt nicht. Es ist aber mein Beruf und ich muss Geld damit verdienen. Von Bert Brecht kommt der Satz ‚Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.’ Er hat es eher negativ gemeint und ich denke, dass es nicht so sein sollte, aber manchmal ist es notwendig. Ich kann mich nicht mit allen Firmen, für die ich tätig bin, identifizieren. Ich muss das aber für mich alleine mit meinem Gewissen vereinbaren. Ich bin zum Glück selbständig, aber noch nicht in der glücklichen Lage, nur für politisch korrekte Firmen tätig zu sein. In dem Moment, in dem ich den Job annehme, muss ich manchmal moralische Fragen ausklammern. Ich mache meinen Beruf sehr gerne, muss aber auch mit mir selber versuchen im Reinen zu sein.“ Wenn Franz über dieses Thema spricht, wirkt es als wäre er in einem innerlichen Kampf mit sich selbst. Ich möchte aber wissen, ob er damit hadere, mit seiner Arbeit, die Produkte noch attraktiver zu machen? „Wenn nicht ich, dann ein Anderer. Ich stehe zu dem was ich mache, da gehört das halt dazu. Außerdem kann man auch als Konsument entscheiden, ob man diese Produkte kauft.“

„In dem Moment, in dem ich den Job annehme, muss ich manchmal moralische Fragen ausklammern.“

Auch Nachhaltigkeit ist in seinem Beruf ein heikles Thema. „Ich mag diese ‚Geht nicht, gibt’s nicht!’- Mentalität (alles ist besorgbar und umsetzbar- mit dem nötigen Aufwand, Anm.), die in der Werbung herrscht, nicht. Das bedeutet, in der absoluten Nicht-Saison Herzkirschen mit Stiel und Blättern, Maroni mit Stachelhaut oder Vanilleblüten zu organisieren. Saisonale Produkte können nicht immer beschafft werden, auf gewisse Lebensmittel muss man einfach verzichten.“

Zum Abschluss möchte ich von Franz wissen was für ihn ein Held ist: „Das Wort ist so vielseitig besetzt. Auf einer Seite sehr männlich dominiert. Wird oft mit Kampf und Mut verbunden. Für mich ist ein Held jemand, der auch gegen Widrigkeiten zu seinen Überzeugungen steht. Jemand, der einen Sinn und Blick für andere hat und den Mut auch aufbringt, zu helfen und zu unterstützen wenn es notwendig ist, um andere zu schützen. Menschen, die auch persönliche und wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen, um ihren Überzeugungen zu folgen und etwas zu tun, das einen gewissen Mehrwert hat. Das Heldentum sollte im persönlichen Umfeld, also im kleineren Kreis umgesetzt und gelebt werden.

Selbst wolle er sich jedenfalls nicht als Held bezeichnen, das gehe ihm zu weit „Ich versuche auch für meine Überzeugungen einzutreten, aber wie ich schon gesagt habe, gelingt es mir nicht immer.“ Er lächelt. „Gerade wenn es darum geht, wirtschaftliche Einbußen in Kauf zu nehmen, hinke ich dem Heldenstatus noch hinterher.“

Und während Franz weiter lächelt, kommt in mir das Gefühl hoch, dass er dem geschilderten Heldenstatus doch bereits sehr nahe kommt.

 

 

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