„Jeder kann Football spielen“

Valentin Schulz kam mit 6 Jahren von Oberösterreich nach Wien. Wie viele Österreicher, begeisterte er sich zuerst für Fußball, erkannte aber schnell, dass ihm das Kicken zu brav war. Mit mehr Körpereinsatz stürzte er sich im Alter von 15 Jahren auf Football. Mittlerweile spielt der 25-Jährige für den mehrfachen österreichischen Meister und Europameister, die Vienna Vikings. Für den studierten Sportwissenschaftler ist der amerikanische Volkssport eine Leidenschaft. Ein Gespräch über einen jungen Sport, der langsam ganz Europa zu erobern scheint.

Valentin, woher kommt deine Faszination für Football?

Wie jeder Österreicher habe ich als junger Bursch eigentlich mit Fußball angefangen (lacht) Doch im Fußball ist man eher defensiv und muss bei Körperkontakt aufpassen. Beim Football kann körperlicher agieren. Das hat mir gefallen.

Welche Vorrausetzungen braucht man, um Football zu spielen?

Im Grunde kann jeder Football spielen.

Foto: Sven Wuttej

Foto: Sven Wuttej

Jeder? Braucht man nicht eine Grundfitness? Im US-Football sieht man ja hauptsächlich diese 2-Meter-Muskelmänner.

Die Ausmaße wie in Amerika gibt es hier schon deshalb nicht, weil wir einerseits ein anderes Level haben und andererseits, weil die Profispieler ganz andere Substanzen zu sich nehmen (schmunzelt). In Europa bzw. Österreich reicht ein grundsätzliches Talent aus. Man muss nicht allzu stark gebaut sein. Eigentlich ist es so: Wenn du dünn bist, spielst du gegen dünn. Ein kräftig gebauter Spieler, wird gegen einen anderen kräftigen Spieler aufgestellt.

Einsteigen kann man auch in jedem Alter?

Wenn man wirklich professionell spielen möchte, muss man ohnehin nach Amerika. Von Europa aus wird das sehr schwer werden. Um auf höchstem Level zu spielen, ist es gut, wenn man früher anfängt. Aber auch das ist relativ. Ich zum Beispiel habe erst mit 15 Jahren angefangen.

Gibt es die Möglichkeit auch für interessierte Erwachsene?

Natürlich. Wenn man die Lust hat und glaubt, dass man mit 40 auch noch fit genug ist, ist das kein Problem. Es gibt zwei Mal im Jahr in ganz Österreich Try-outs. Da kann man reinschnuppern. Die Neueinsteiger trainieren erst einmal 6 Monate lang auf einem Beginnerlevel, ehe es an das wahre Footballtraining geht.

Aus eigener Erfahrung muss ich sagen, dass ich mir sehr schwer getan habe Football zu verstehen. Wenn man sich damit beschäftigt, wirkt es sehr komplex. Kannst du es ganz kurz erklären? Ist es mehr als laufen und anrempeln?

Es geht darum, Raumgewinn mit dem Ball zu erzielen und in die Endzone zu gelangen. Das ist das Spielziel. Natürlich, das ist sehr vereinfacht und Football ist schon wesentlich komplizierter. Ich würde raten einfach einmal zu spielen. Die Regeln lernt man im Laufe des Tuns. So war zumindest meine Herangehensweise. Aber ja: das Grundgerüst ist eigentlich laufen und sich anrempeln (lacht).

Ist Football ein brutaler Sport?

Football ist vielleicht ein aggressiver Sport, aber nicht brutal. Die Verletzungsgefahr ist nicht viel höher als bei anderen Sportarten. Natürlich gibt es öfter blaue Flecken. Eine Knieverletzung ist genauso wahrscheinlich wie im Fußball.

Warum ist der Sport hierzulande noch immer nicht so bekannt wie Fußball?

Naja, das hat viele Gründe. Einerseits ist die Tradition nicht so groß. Football gibt es erst seit 30 Jahren in Österreich, Fußball seit mehr als 150 Jahren. Damit sind natürlich die Strukturen verbunden und dann wiederum das Geld, das im Football nicht in der Dimension vorhanden ist wie im Fußball. Es ist aber schön zu sehen, dass eine so junge Sportart dennoch – zumindest bei EM-Spielen – ein Stadion mit 27.000 Personen füllen kann. Fußball und Skifahren sind hierzulande noch immer die Top-Sportarten. An ihnen wird man sich nicht so schnell messen können.

Frauenfootball

Bis zum 15. Lebensjahr spielen Mädchen bei den Burschen. Danach kommen sie ins Ladies Team und trainieren genauso 3 x die Woche mit Coaches. Sie spielen in einer Meisterschaft, die sie von 2003-2014 zwölf Mal in Folge gewinnen konnten.
Aber ist das nicht auch ein Vorteil? Kann man sich so mehr auf den Sport an sich konzentrieren? Dieses Tohuwabohu wie im Skizirkus und Co. fällt weg.

Auf jeden Fall. Die breite Masse in Österreich spielt Football, weil der Sport gefällt. Es verdient bei uns niemand etwas. Niemand ist Profi. Ich selbst habe Sportwissenschaften und Englisch nebenbei studiert. Wir Spieler finanzieren auch unsere Ausrüstung selbst und zahlen Mitgliedsbeitrag. Dennoch kommen alle regelmäßig zu den drei Trainings in der Woche. Das ist viel. Das ist eigentlich das Level eines Amateurfußballvereins.

Sprechen wir kurz von dem Traum groß und berühmt zu werden. Wie wahrscheinlich ist das – aus österreichischer Sicht?

Es gibt mittlerweile einige österreichische Spieler, die in den USA nun eine größere Bühne bekommen (Sowie der Wiener Thomas Schaffer, NFL-Newcomer, Anm.). Für viele junge Spieler aus Österreich ist das eine tolle Motivation mit dem Sport anzufangen. Das ist auch gut für den Sport an sich.

Was spielt deiner Meinung nach eine größere Rolle: Glück oder Talent?

Natürlich spielt Glück eine Rolle. Man muss immer am richtigen Ort zur richtigen Zeit sein. Wenn wir von einem jungen, angehenden Profi sprechen, dann darf man nicht vergessen, dass in diesem Bereich das Verletzungsrisiko groß ist. Eine Herausforderung ist es, in der Phase, in der man entdeckt werden kann, unverletzt zu bleiben.

Wie groß ist der Niveauunterschied zwischen Österreich und den USA wirklich? Könntet ihr dort mithalten?

Naja, wir wären in den USA in der 2. Liga. Wir haben auch schon vor einigen Jahren bei einer Charity Bowl gegen College Mannschaften gespielt.

Aber die Vikings gegen die New England Patriots (Super Bowl Gewinner 2015, Anm.), das wäre unrealistisch?

(lacht) Ja, ziemlich. Der Niveauunterschied ist immens. Alleine, wenn man sich ansieht, dass die amerikanische Collegeauswahl 50:0 gegen Kanada gewonnen hat. Kanada ist die zweitbeste Mannschaft der Welt. Und die amerikanische Mannschaft bestand ‘nur’ aus College Studenten!

 

Was ist eigentlich mit Rugby: die Wurzeln sind gleich, aber wo ist der Unterschied?

Ich habe es leider noch nicht gespielt. Aber die Technik und der Spielablauf sind anders. Beim Rugby gibt es einen Spielfluss. Beim Football ist es so, dass immer die Uhr angehalten wird, wenn unterbrochen wird.

Wie stehst du zur Aussage: Rugby ist eigentlich Football?

Ich habe einmal eine sportwissenschaftliche Untersuchung dazu gesehen: der Impact beim Football ist erheblich größer. Würde ein Rugby-Spieler so agieren wie ein Footballspieler, hätte er schlimme Verletzungen.

Wie definierst du Helden?

Ein Held ist ein Mensch, der etwas Außergewöhnliches macht, was nicht jeder vollbringen kann.

Würdest du dich selbst als Held bezeichnen?

Nein, würde ich nicht. Vielleicht bin ich in der Lage Dinge zu tun, die nicht jeder tun kann, aber als Held sehe ich mich jetzt nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich mich als Held bezeichnen würde, wenn ich in der NFL ein Superstar wäre. Gerade im Amateursport, im Football, war es mir nie wichtig mich zu profilieren. Ich sehe das eher als soziales Vergnügen. Sowie andere in einem Schachklub sind, bin ich in einem Footballverein.

Unsere Definition ist eine andere. Wir wollen ja den Heldenbegriff neu definieren. Wir sagen: jeder ist ein Held, der etwas zur Gesellschaft beiträgt.

Ich glaube mit eurer Definition würde ich mich eher als Held bezeichnen. Grundsätzlich sind alle Footballspieler in unserem Verein Helden, weil sie Zeit und Mühe für ihr Hobby aufbringen. Bei mir ist das nichts Großartiges neben dem Studium. Aber andere haben 40 Stunden Jobs und Familie. Trotzdem kommen sie immer zum Training. Das ist Leidenschaft.

INFOBOX

Über die Vienna Vikings

Der erste österreichische American Football Club wurde 1979 gegründet, die „Vienna Ramblocks“. Die „Vienna Vikings“ wurden 1983 gegründet. 1984 sind die Vikings in die Meisterschaft eingetreten (2nd Division: Klagenfurt Jets, Stryrian Panthers and the Linz Rhinos). 1994 konnte die erste Austrian Bowl gewonnen werden. Die Austrian Bowl X. 2004 wurde die erste Euro Bowl gewonnen (Euro Bowl XVIII). Bis jetzt wurden 13 Austrain Bowls, 5 Euro Bowls und 103 Nachwuchs- und Cheerleading Meisterschaften gewonnen.

Die nächsten Heimspiele
17. Mai um 15 Uhr: Hohe Warte; Gegner: Schwäbisch Hall Unicorns
24. Mai um 15 Uhr: Hohe Warte; Gegner: Prague Black Panthers
14. Juni um 17:30 Uhr: Hohe Warte; Gegner: Graz Giants

 

 

Florian Schauer-Bieche