„Viele sehen nur die Spitze des Eisbergs“

P.TAH macht seit mehr als einem Jahrzehnt Musik und betreibt gemeinsam mit Freunden das Independent-Label Duzz Down San. Sowohl er als auch sein musikalisches Umfeld stehen in der österreichischen Hip Hop-Szene für experimentelle Sounds und substanzhaltige Texte, in denen nicht selten eine gesellschaftskritische und politische Position bezogen wird. Im Interview erzählt er unter anderem von seinen Anfängen als Mitglied einer Punkband, Schwierigkeiten für junge Künstler in Österreich, seiner Meinung zu Hypes und wieso die mediale Aufmerksamkeit eigentlich ganz anderen Leuten gebührt.

P.TAH, wie würdest du das beschreiben was du machst?

Ich mach Musik in meiner Freizeit. Schon ein paar Jahre lang. Früher mit der Hörspielcrew, da hab ich drei Alben rausgebracht und später auch mit B-Seiten Sound, eine große Band mit der wir viel unterwegs waren. Unteranderem auch im Ausland: Schweiz, Süddeutschland, Tschechien, usw. Anfangs haben wir viel in Dub Richtung gespielt, später habe ich dann begonnen hier in Wien mit Freunden bei dem Kollektiv Duzz Down San mitzuarbeiten. Unter dem Label veröffentliche ich auch momentan meine ganzen Tracks und ich organisiere die monatlichen Clubabende im Celeste. Ich bau gern Beats, ich schreibe ganz gern Raps und lege gern auf…das sind wohl alles Sachen, die man Kindern nicht unbedingt empfehlen würde, weil sie nicht so viel Geld bringen (lacht).

Was kommt bei dir zuerst Beats oder Bars? Also womit beginnst du Musik machen oder Texte schreiben?

Ganz klar, immer zuerst die Musik. Wenn die Musik nicht von mir kommt, dann eben von Freunden oder Bekannten aus dem Duzz Down San Umfeld oder anderen Künstlern mit denen wir zusammenarbeiten. Musik ist immer die Grundlage für die Texte, die daraus entstehen. Ich brauch einfach das Gefühl von der Musik um zu sehen was textlich drauf passt.

[infobox maintitle=“Soundcloud“ subtitle=“P.TAH STARKSTROM“ bg=“yellow“ color=“black“ opacity=“off“ space=“30″ link=“https://soundcloud.com/duzz-down-san-records/ptah-starkstrom“]

Kommen wir mal zu den Anfängen: Wie bist du dazu gekommen Hip Hop zu machen? Welchen Zugang hattest du damals zu der Musik?

Ich hatte damals eigentlich musikalisch sehr viele Einflüsse. Sehr früh hab ich begonnen Punk Rock zu hören und hab das auch selbst gemacht. Die erste eigene Band mit 14 oder 15 Jahren. Das war mir einfach sympathisch, die Radikalität und die politische Einstellung. Dieses Auflehnen gegen etwas. Ich bin dann erst recht spät mit ca. 18 Jahren zum Hip Hop gekommen, weil ein Freund von mir einen Sampler mitgebracht hat und mit dem haben wir dann gearbeitet. Dann war plötzlich auch nicht mehr nur amerikanischer Hip Hop da, sondern man hat auch was von deutschen bzw. deutschsprachigen Künstlern mitbekommen. Und das alles hat dazu geführt, dass ich selbst begonnen habe Texte zu schreiben oder versucht habe mich dadurch auszudrücken. Aber grundsätzlich geht es mir nicht zwangsläufig um Hip Hop, es geht ums Musik machen. Ich höre auch sehr gern Indie oder elektronische Musik, Jungle hat mich genauso beeinflusst wie Dancehall oder Techno.

Das ist wirklich sehr vielfältig.

Ja, also von dem was ich höre, auflege oder sammle ist auch viel UK Zeug, viel Grime und Dubstep dabei. Der britische Sound hat mich einfach sehr inspiriert, vor allem bei den letzten Veröffentlichungen. Früher war es schon mehr der amerikanische Rap, aber das verändert sich immer von Zeit zu Zeit.

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Du machst ja schon sehr lange Musik, seit mehr als 10 Jahren. Was würdest du jetzt anders machen als damals?

Wenn ich jetzt noch mal jung wäre und mich dazu entscheiden würde Musik zu machen, dann würde ich das kompromissloser machen. Ich würde nach Berlin oder London gehen, wo die Möglichkeiten größer sind als in Wien. In dem Segment in dem wir Musik machen, das ich jetzt doch eher als experimentell beschreiben würde – da es nicht nach typisch samplebasiertem Hip Hop klingt, den real Hip Hop-Fans wahrscheinlich lieber hören – da ist es einfach schwierig bzw. noch schwieriger Medienaufmerksamkeit oder Subventionen zu bekommen. Ich glaube ich würde weggehen aus Österreich, wenn ich nochmal junge wäre. Oder mich einfach früher dazu entscheiden, dass ich wirklich nur das machen möchte. Aber so war das bei mir eben nicht, ich hab eine Ausbildung gemacht und habe Kunst studiert. Ich war einfach immer zu unentschlossen, ob ich wirklich alles auf eine Karte setzen will. Jetzt im Nachhinein würde ich das entschiedener machen und mich eben nur für das eine entscheiden und das durchziehen. Aber ich hab mich dagegen entschieden und eigentlich denke ich darüber jetzt auch nicht mehr nach.

Wie du gerade angesprochen hast gibt es für Musiker in Wien bzw. in Österreich oftmals Schwierigkeiten. Was denkst du könnte man dagegen machen? Wie könnte man junge Künstler besser fördern oder ist das mittlerweile schon passiert?

Ich denke es wäre auf jeden Fall anders, wenn ich jetzt nochmal jung wäre als vor 15 Jahren. Aber ich denke auch man muss immer an sich selbst denken und arbeiten, wenn man etwas wirklich zu 100 Prozent machen möchte. Ich persönlich überlege meistens, was ich selbst anders oder besser machen kann. Wie schon erwähnt muss man einfach kompromisslos sein und sich nur auf diese eine Sache konzentrieren, die man wirklich will. Und wenn man Bock hat von Musik zu leben muss man wirklich veröffentlichen, veröffentlichen und veröffentlichen. Man muss aktiv sein und machen. Schwierigkeiten sehe ich darin, dass einfach der urbane Raum fehlt, außer den Hauptstädten gibt es nicht viel. Und ich finde, dass es vor allem an medialer Unterstützung fehlt. Aber auch das Bewusstsein, dass man vom Eignen profitieren kann, von einer eigenen Wertschöpfung im Land. Das Bewusstsein, dass es auch einen Wert hat, die eigene Jugend zu fördern. Die Künstler und Künstlerinnen im eignen Land zu unterstützen hat auch Auswirkungen auf die Kultur und ich glaube das Verständnis dafür fehlt noch ein bisschen in Österreich. Es wird immer besser, das muss man auch ganz klar dazu sagen, aber es ist trotzdem noch ausbaufähig. Wobei ich denke, dass hier in Wien natürlich noch am meisten in diese Richtung passiert. Aber trotzdem bin ich nach wie vor der Meinung, dass man am meisten selbst entscheiden muss, was man will. Wenn es hier zu wenig Aufmerksamkeit gibt, dann muss man eben weg. Ich denke, das haben auch viele österreichische Arists bewiesen, vor allem aus dem Hip Hop. Die sind nach Deutschland gegangen und haben gezeigt, dass es dort gut funktioniert.

Wie siehst du diese Entwicklung zukünftig? Denkst du es wird sich in Wien bzw. Österreich noch so weit entwickeln, dass man sagen kann es geht weg vom Underground und es gibt eine größere Szene, der mehr Aufmerksamkeit zu Teil wird?

Die gibt es bestimmt. Ich wollte damit auch Wien nicht kritisieren, ich liebe Wien und es gibt hier genug Sachen, die dafür woanders wieder fehlen. Wenn ich an 2007 denke, da war richtig deeper Dubstep voll präsent und es wurde viel produziert und gute Partys gefeiert (lacht). Gerade wenn man elektronisch arbeitet, also experimentelle, neue oder auch avant-garde Sounds macht. Da ist Wien total gut dabei. Es gibt auch genügend Szene und Hip Hop Fans, die sich dafür interessieren. Aber der Schwerpunkt ist entweder bei internationalen Acts oder Künstlern aus dem deutschen Raum, die einfach mehr Medienpräsenz haben. Ich glaube das lässt sich nicht ändern. Nur wenn Medien sich trauen würden über experimenteller Zugänge im Rap oder Hip Hop zu schreiben oder über junge Leute, dann würde sich das mehr ausprägen. Aber ich mag darüber jetzt gar nicht so viel jammern. Entweder muss man den Sound machen, den mehr Leute mögen, indem er einfacher bzw. zugänglicher ist oder man verwende Schlagwörter wie Drogen, Sex oder Frauen. Aber das ist einfach nicht mein Zugang zu dem Thema. So wie ich klinge bin ich einfach voll zufrieden und ich bin auch mit Wien zufrieden (lacht).

Bei deiner Musik hört man auch viel politisches und soziales Engagement raus, wie vereinst du das mit Rap, der vor allem früher schon politisch aber auch oft antisozial geprägt war?

Für mich lässt sich das gut vereinbaren und ich hab auch das Gefühl, dass ich es einfach mag wenn sich Leute positionieren. Manches wird mir zu beliebig und dann find ichs gut da auch Gegenposition zu beziehen. Zum Beispiel wenn es um die angesprochenen Schlagworte geht oder das Verherrlichen von materialistischen Gegenständen oder Kapitalismus, das war einfach noch nie meins. Es gibt Hypes, die von Zeit zu Zeit viel Aufmerksamkeit bekommen, und vieles davon gefällt mir auch musikalisch. Aber was das inhaltliche betrifft, da fehlt mir dann einfach die Positionierung gesellschaftlich oder politisch. Ich finde es wichtig sich auch kritisch gegen solche Trends zu stellen. Vielleicht bin ich da einfach doch mehr Underdog als Rampensau. Ich mag beispielsweise auch das Videodrehen nicht so gern, ich würde eigentlich lieber nur Musik machen (lacht). Sobald ich deutsch rappe, bin ich für viele auch einfach nur ein Deutschrapper. Aber ich würde lieber einfach als Musikmachender wahrgenommen werden, vor allem in Hinblick auf meine doch sehr unterschiedlichen Produktionen. Ich habe zum Beispiel mit KLAIM mal ein Electronic-Projekt rausgebracht, daran hab ich musikalisch und textlich viel gearbeitet. Das klingt aber einfach nach chilliger Electonic und hat mal nichts mit Hip Hop oder Rap zu tun. Aber auch diese Dub-Sounds, die ich nebenbei produziere, sind mir genauso wichtig wie Raps zu machen.

Welche Projekte oder Auftritte sind als nächstes geplant?

Am 17. Juni spielen wir in Wien bei der langen Nacht der Menschenrechte, da haben wir auch wieder bewusst ein politisches Fest gewählt. Ein cooler Aufritt wird bestimmt am 5. Juli in der Arena beim Beat the Fish Deluxe, darauf freuen wir uns echt schon. Am 1. Juli veröffentlichen wir die Rastlos EP, das ist die neue EP von uns beiden, P.TAH & CON. Wir haben mit unterschiedlichen Produzenten gearbeitet und es sind auch Beats von mir dabei.

Welche Tipps gibst du jungen Leuten, die Musik oder Kunst machen wollen?

Ich finde solche Ratschläge irgendwie immer so ein bisschen…naja. Man soll sich nichts scheißen und einfach machen und machen und machen. Ja das und mehr nicht. Wenn ich so Sachen höre wie „Nicht aufgeben“ oder „Seinen eigenen Stil finden“…das klingt für mich immer so abgedroschen. Man soll einfach machen und sich nur selbst keine Grenzen setzen. Einfach machen und davon viel, und vor allem das was Spaß macht. Man sollte sich nicht danach richten was gerade gut funkuniert oder möglichst viele Leute anspricht, das finde ich langweilig. Die beste Kunst findet dort statt, wo nicht hingeschaut wird. Das muss einem als junger Mensch aber auch erst mal klar werden oder zumindest war das für mich so. Ich hab da immer nur die Spitze des Eisbergs gesehen, dann hab ich gemerkt wenn man etwas wirklich Spannendes finden will muss man weiter in die Tiefe gehen. Das war aber nicht nur früher im Plattenladen so, heute muss man halt in den Untiefen des Internets suchen (lacht).

Wie würdest du den Heldenbegriff definieren und was macht für dich einen Helden aus?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich bin so oft enttäuscht…oder vielleicht nicht direkt enttäuscht, aber es macht mich manchmal sehr nachdenklich, wenn ich merke wie viel Aufmerksamkeit bestimmte Künstler und Künstlerinnen bekommen und inwieweit sie idealisiert und glorifiziert werden. Meine Helden sind Leute, die im sozialen Bereich arbeiten. Leute, die tagtäglich eine Arbeit machen um für andere da zu sein, die körperlich oder sozial schwächer sind oder auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Ob das nun Flüchtlingshelfer oder Leute, die in sozialen Berufen in Werkstätten arbeiten, sind. Ich finde auf solche Personen und Berufen sollte in unserer Gesellschaft und auch in den Medien ein viel stärkerer Fokus gelegt werden, um zu zeigen was es bedeutet richtig zu helfen. Das sind Leute, die das wirklich machen und nicht nur davon reden. Ich habe oft das Gefühl, dass in unserer Gesellschaft Personen, die in der Öffentlichkeit stehen viel zu sehr idealisiert werden. Die reden zwar oft darüber und bestimmt sind manche auch aktiv, aber die wirklichen Helden arbeiten jeden Tag mit Menschen zusammen. Es ist eine schwierige Arbeit, die oftmals auch nicht gut bezahlt ist bzw. nicht gut genug dafür, was diese Menschen täglich leisten. Das ist meiner Meinung nach das wichtigste, dass auch diese Menschen wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen und von Kindern und Jugendlichen angehimmelt werden (lacht).

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