“Vielleicht sind wir Helden, aber das ‘super’ fehlt noch”

Nicht nur Gourmets kennen die schrittesser SPECK&BARn Wien. Vor allem unter den ausgewanderten Kärntnern ist das Lokal der Gebrüder Stefan und Andreas Schrittesser äußerst beliebt. Doch mit der Gastronomie alleine geben sich die beiden Unternehmergeister nicht ab. Neben ihrer Fabrikhirn haben sie kurzer Hand das größte Kärntnerevent in Wien ins Leben gerufen, den Kultursprung. Außerdem catern sie nach umweltschonenden Maßstäben und liefern frischen Kärntner Speck in Holzbocken an die Türe. Und was natürlich bei Kärntnern nicht fehlen darf: die originalen Kärntnernudel. Dafür haben die beiden sogar einen eigenen Onlineshop eingerichtet. Ein Gespräch über Pro und Contra der Gastronomie und die Kärntner Community in Wien.

Stefan, Andreas – mit eurer ’schrittesser SPECK&BAR‘ wurdet ihr ja in den vergangenen Jahren in ganz Wien bekannt. Ich glaube, dazu müsst ihr nichts mehr sagen. Mich interessiert eher: wie hat alles begonnen? Und wie hat sich euer Geschäft bis heute entwickelt?

Andreas: Begonnen hat alles vor 5 Jahren, als ich nach Wien gekommen bin, um zu studieren. Mit Stefan, der schon in Wien war, hatten wir schon lange die Idee ein Lokal zu eröffnen. Wir haben aber gewusst, dass wir keine Profi-Gastronomen sind. Allerdings wussten wir auch, wie wir zu spitzen Speck kommen und wie wir diesen nach Wien bringen können. So ist unser Konzept für eine Kärntner Speckbar entstanden.

[infobox maintitle=“schrittesser SPECK&BAR“ subtitle=“Website von der Gebrüder-Schrittesser Bar“ bg=“yellow“ color=“black“ opacity=“off“ space=“30″ link=“http://schrittesser.at“]

Das Kärntnerische ist ja fest bei euch verankert und für viele seid ihr so etwas wie die Kärntner Botschafter in Wien.

Stefan: Ja, die Kärntner sind schon unsere größte Zielgruppe. Das hat sich in den vergangenen Jahren so entwickelt.

Aber warum eigentlich Wien?

Andreas: Wenn du nicht ganz aus Österreich weg willst, dir aber alles andere zu klein ist, dann musst du früher oder später nach Wien gehen. Ich bin zwar immer wieder gerne kurz in Kärnten, aber Wien möchte ich nicht missen.

Stefan: Wien bietet einfach alles, was eine Großstadt bieten kann. Außerdem ist es tatsächlich unsere Mission das Kärntnerische nach Wien zu bringen.

Die Community der Kärntner ist schon ziemlich groß hier, nicht?

Stefan: Ja, sehr groß, aber eine schwierige Community.

Andreas: Die Leute zu mobilisieren ist unglaublich kompliziert.

Stefan: Es heißt immer, es sind zwischen 50.000 bis 80.000 Kärntner in Wien. Nur sind die nicht einfach zu erreichen. Also wir könnten nicht überleben, wenn wir eine reine Kärntner Zielgruppe haben würden (lacht).

Andreas: Unsere Gemütlichkeit spricht sehr viele an. Nicht nur die Kärntner (schmunzelt).

Wir wollen keinen komischen Heimatkult etablieren.

Mit dem Kärntner-Image musste man eine Zeit ja aufpassen, um nicht in falsche politische Gewässer zu geraten.

Stefan: Wir wollten uns nie in eine politische Richtung drängen lassen – und darauf sind wir stolz. Wir sind hier in der Nähe vom Parlament, gleich neben dem Rathaus, und dennoch sind wir eines der wenigen Lokale, das neutral geblieben ist.

Stefan: Wir wollen keinen komischen Heimatkult etablieren.

Aber wieder zurück zum Lokal: Ihr habt ja eigentlich viel mehr am Laufen, als die Speckbar.

Stefan: Das stimmt. Wir probieren sehr viele geschäftliche Baustellen aus und sind sehr experimentell unterwegs. Mit der Bar haben wir die Grundlage dafür geschaffen. 2014 haben wir die Gesellschaft Fabrikhirn gegründet, die es ermöglicht unsere vielen Ideen unter einen Hut zu bringen. Egal ob ein neuer Onlineshop, der Kultursprung, der Co-Working Space in Murau in der Steiermark. Wenn ein Projekt passt, dann planen wir nicht lange, sondern probieren aus.

Foto: Markus Neubauer
Von links: Stefan und Andreas / Foto: Markus Neubauer
Was ist euer aktuellstes Projekt?

Stefan: Das sind gleich mehrere. Einerseits die neue Speckbox. Das heißt, wir liefern dir frischen Speck in einer handgemachten Holzbox zu dir ins Haus. Dann gibt es da noch unseren Kärntnernudel Onlineshop. Da muss ich glaube ich nicht viel dazu sagen, einfach bestellen und ausprobieren. Kärntnernudel mag jeder (lacht). Und dann haben wir Ende 2015 unser Lokal um einen Raum erweitert, in dem nicht nur Besucher Platz haben, sondern der auch als Seminarraum gebucht werden kann.

Andreas: Und dann gibt es noch unseren Co-Working Space in Murau. Wir haben hier 8 Arbeitsplätze aufgebaut, um die Region zu stärken. Die Infrastruktur dort ist perfekt und wir werden auch bald eine enorm schnelle Internetleitung zur Verfügung stellen können, die selbst in Wien nur schwer zu finden ist. Wir werden mit der Region stärker zusammenarbeiten.

Warum eigentlich Murau?

Andreas: Unsere Eltern haben seit 30 Jahren ihr Blumengeschäft dort und das Objekt, in dem wir eingemietet sind, gehört unserem Vater. Außerdem bietet die Region eine enorm tolle Infrastruktur auch abseits vom Geschäftlichen. Man kann sich nicht nur hinsetzen und konzentriert arbeiten, sondern seine Freizeit genießen. Wir nutzen die Infrastruktur selbst gern, wenn wir in Kärnten sind.

Das Co-Working Space Thema setzt sich bei euch ja laufend fort: euren neuen Zusatzraum im Lokal könnte man doch auch als Co-Working-Space etablieren.

Stefan: Eine schöne Überleitung (lacht).

Andreas: Wir wollten tatsächlich ein Office dort einrichten. Als wir den Raum dann bekommen haben, wussten wir, dass er mehr bieten muss, als nur ein zusätzlicher Lokalraum zu sein. Er eignet sich eben für Seminare, für Co-Working und Co.

Stefan: Er eignet sich auch gut für Events. Wir können uns durchaus vorstellen hier Kinoabende zu machen.

Aber jetzt mal zu euren Lebensläufen: was habt ihr vor der Gastrokarriere gemacht?

Stefan: Ich habe Immobilienwirtschaft studiert und danach in dieser Branche gearbeitet. Doch nach 5 Jahren in der Projektentwicklung im Hotel- und Gewerbebereich wollte ich etwas Neues machen.

Andreas: Ganz aus der Immobranche bist du ja auch nicht weg (lacht).

Stefan: Stimmt, das Projekt betreue ich heute noch nebenbei.

Und wie war das bei dir, Andreas?

Andreas: Ich bin direkt nach der HAK-Matura in Kärnten und meinem Präsenzdienst nach Wien gegangen, um mich an der WU zu inskribieren. Allerdings hat dann gleich unser Gastro-Projekt begonnen. Dazwischen habe ich es noch einmal an der Hauptuni probiert, weil ich dachte, dass das Wirtschaftsstudium vielleicht doch nicht das Richtige sei. Aber das war auch nicht das Gelbe vom Ei. Vor eineinhalb Jahren habe ich aber endlich das Richtige gefunden. Jetzt studiere ich wieder –  Wirtschaftspsychologie an der Ferdinand-Porsche-Uni. Das liegt mir endlich (lacht).

Und bist du zufrieden?

Andreas: Sehr sogar. Es ist ein Fernstudium. Das Meiste mache ich via Skype und online. So geht sich das super aus. Mir bringt das Studium eine gewisse Ruhe, weil ich so meinen Tag besser strukturieren konnte. Zudem mache ich viel im Bereich Personalführung und Verkauf, das hilft mir im Tagesgeschäft natürlich auch. So kann ich die Praxis mit der Theorie gut verknüpfen.

Foto: Markus Neubauer
Foto: Markus Neubauer
Ich möchte kurz auf den von euch erwähnten Kultursprung eingehen. Ihr habt 2015 versucht, das erste große unpolitische Kärntnerfest in Wien zu starten. Euer Fazit?

Andreas: Wir wollten ein Event für ein jüngeres Publikum starten, das neutral ist und befreit von diesem typischen Kärntner-Image, das wir schon kurz angesprochen haben. Deshalb haben wir die Veranstaltung komplett auf eigene Faust organisiert. Wir wollten keine politische Vereinnahmung.

Stefan: Aber es war schwieriger als gedacht. Mit der Bezeichnung “Kärntner Kultursprung” haben wir uns nicht das einfachste Thema ausgewählt. Viele haben sich darunter nichts vorstellen können.

Andreas: Dennoch war es ein super Abend, an dem wir das Kärntnerische mit dem Großstädtischen verbinden konnten. Wir sind zufrieden, auch wenn es wesentlich besser hätte besucht sein können.

Stefan: Wir wollen den Kultursprungwieder veranstalten. Derzeit sind wir noch auf Suche von Kooperationspartnern und Sponsoren, es ist aber gerade extrem schwierig.

Was sollte ein Sponsor mitbringen?

Stefan: Wenn wir insgesamt 60.000 Euro zusammenbringen, können wir ein ordentliches Event starten. Momentan sind wir bei 25.000, wie du siehst ist es noch ein breiter Weg für die Mission 2.

Ein Kritikpunkt bei eurem letzten Event waren die hohen Eintrittspreise. Wie sieht es da aus?

Stefan: Wir haben uns nicht getraut die Preise niedriger anzusetzen. Im Nachhinein war der hohe Preis unser größter Fehler. Wir hätten 20 Euro verlangen sollen und es hätte perfekt gepasst.

Andreas: Auf der anderen Seite haben wir gesagt, wir wollen uns zwischen Clubbing und Ballabend einpendeln. Aus unserer Sicht war der Preis ok, aber wir haben hier leider anderes Feedback bekommen. Dem werden wir Folge leisten.

Wie sieht es eigentlich mit einer Crowdfunding-Kampagne aus?

Stefan: Da sind die Zinsen vergleichsweise recht hoch. Außerdem haben wir nicht herausfinden können, was das genaue Beteiligungsmodell in unserem Fall wäre.

Andreas: Genausogut könnte ich einen Ticketvorverkauf starten.

Abgesehen vom Kultursprung, gehen wir zum nächsten Projekt: die Fabrikhirn.

Stefan: Die Fabrikhirn ist der rechtliche Rahmen, mit dem wir alle unsere Projekte abwickeln. In der Fabrikhirn fängt das Projekt an und im besten Fall wird daraus ein Unternehmen.

Andreas: Die ist deshalb entstanden, weil wir immer so viele Ideen ausprobieren, die als einzelne Unternehmen viel zu kompliziert zu managen wären.

Stefan: Wir wollten außerdem einen einheitlichen Auftritt.

Neue Projekte sind unglaubliche Bereicherungen.

Ihr seid also nicht sonderlich risikoscheu.

Andreas: Oh doch, wir waren schon viel risikofreudiger (lacht). Aber prinzipiell, wenn wir eine Idee umsetzen wollen, dann machen wir das auch.

Stefan: Neue Projekte sind unglaubliche Bereicherungen.

Das heißt, ihr macht die Dinge, um einen Nutzen für andere zu schaffen?

Stefan: Das ist so schon richtig, die Sache steht immer vor allen anderen Dingen. Aber wir sind natürlich Unternehmer und deshalb steht ganz vorne eine gesunde Kalkulation. In die Gastro sind wir so blauäugig reingegangen und heute irrsinnig froh, dass wir es überlebt haben. Daraus haben wir gelernt.

Warum blauäugig?

Stefan: Naja, wir hatten ein bisschen Geld, wir haben alles in das Lokal investiert und angenommen es kommt recht einfach zurück. Das war ein Irrtum (lacht).

Also blauäugig in dem Sinn, dass ihr im Tun gelernt habt?

Andreas: Wir haben die Gastro vielleicht noch immer nicht so gelernt, wie es ein Profi macht. Aber dieser unvoreingenommene und lockere Zugang hilft uns, sinnvolle Lösungen für die täglichen Probleme zu finden.

Ein Lokal alleine bringt ja noch keine Gäste.

Andreas: Das hätten wir damals schon so sehen müssen (lacht).

Stefan: Nachdem wir zum dritten Mal 10 Gratisbier angeboten haben und noch immer niemand da war, waren wir schon ziemlich ratlos. In dieser Zeit haben unsere Freunde enorm geholfen. An den ersten Samstagen waren wir zu zweit im Lokal und haben Mensch ärgere dich nicht gespielt.

Im ernst, obwohl ihr gratis Biere ausgegeben habt?

Stefan: Wirklich! Wir haben alles versucht.

Wann ging der Knoten auf und was war euer Geheimnis?

Andreas: Ein paar Medienberichte und ein bisschen Werbung auf Facebook. So hat es langsam begonnen.

Es klingt ganz danach, als ob Gratis-Produkte nicht das gelbe vom Ei sind.

Andreas: Ich bin auch nicht der Mensch, der gerne auf alles eingeladen wird. Ich glaube, die meisten denken so.

Stefan: Was geschenkt ist, ist nichts wert. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen.

Das Tagesgeschäft funktioniert und gibt uns viel Raum Neues zu probieren.

Ganz was anderes: schleicht sich eigentlich irgendwann auch eine gewisse Routine bei euch ein, wird euch jemals langweilig?

Stefan: Für mich ist Routine das Schlimmste. Ich könnte jedes Jahr das Rad neu erfinden (lacht).

Andreas: Ja, das macht es ein bisschen schwierig mit ihm, ich bin da ganz anders, ich bin der, der gerne strukturiert (lacht).

Stefan: Aber das ist ja das Tolle am Selbständigsein. Ich kann meinen Tagesablauf selbst organisieren. Schön ist auch, dass das Geschäft läuft, ohne dass wir jeden Tag unbedingt herinnen stehen müssen. Das Tagesgeschäft funktioniert und gibt uns viel Raum Neues zu probieren.

Andreas: Stichwort Automatisierung.

Stefan: Wir lassen uns beispielsweise gerade für das Umweltzertifikat zertifizieren

Das heißt was?

Stefan: Wir werden ein ganzheitlich umweltschonender Betrieb.

Foto: Markus Neubauer
Foto: Markus Neubauer
Was bringt euch das?

Andreas: Es sollte ein positives Signal für unsere Gäste sein  und für uns ein zusätzlicher Punkt auf unserer Werteskala. Außerdem sehen wir hier eine Chance für unsere Cateringprodukte. Wir wollen Green-Catering anbieten.

Stefan: Das betrifft auch das Kultursprung-Event. Wir möchten hier in Richtung Green-Event gehen.

Wie aufwendig ist es in Österreich einen Gastronomiebetrieb zu führen?

Andreas: Du darfst hier nicht Österreich im Gesamten vergleichen.

Wie meinst du das?

Andreas: Schon Wien 1010 und Wien 1080 sind komplett unterschiedlich. Jeder Bezirk hat seine eigenen Auflagen und Vorschriften. Das ist anstrengend. Auch wir hatten einen Behördenlauf zu bewältigen.

Das heißt, du brauchst gute Nerven?

Andreas: Vor allem sehr viel Zeit. Bei jeder Kontrolle kommt etwas Neues.

Stefan: Es wird dir jedesmal etwas Neues gesagt, du kannst dich kaum einmal auf eine Aussage verlassen. Das ist speziell in Wien und im 1. Bezirk problematisch. Ich habe so etwas schon in Niederösterreich gemacht und hier muss ich sagen, ganz unabhängig von der Politik, dort funktioniert es hervorragend und stressfrei. Unkompliziert und schnell. Ganz anders als in Wien.

Was waren denn eure behördlichen Highlights?

Andreas: Das sind so Dinge wie im Plan verzeichnete Fenster, die es in Realität nicht gibt, aber vom zuständigen Beamten als vorhanden betrachtet werden. Da steht man mit der zuständigen Person in besagtem Raum ohne Fenster und es fallen Aussagen wie: Auf dem Plan ist ein Fenster eingezeichnet, also warum bauen Sie die Küche nicht hier? Natürlich verstehe ich, warum sie in der Gastronomie so streng sind, es geht ja auch um Hygiene.

Stefan: Deswegen war es uns so wichtig, dass die Leute in unsere Küche gehen können und sich alles ansehen dürfen. Wir wollen hier ganz transparent sein.

Wie definiert ihr den Begriff Helden?

Stefan: Das sind Leute, die in die Zukunft schauen, ein gesellschaftliches Interesse haben und die bereit sind, gewissen Risiken einzugehen – und nicht nur aus Eigennutz.

Andreas: Ein Held ist jemand, der gerne tut, was er tut. Abgesehen davon sollte ein Held nicht zu egoistisch sein und mit einem Biss und einer außerordentlichen Leistung dahinter stehen.

Vielleicht sind wir Helden, aber das ‘super’ davor fehlt noch!

Würdet ihr euch als Helden bezeichnen?

Stefan: In gewissen Punkten vielleicht ja, aber es gibt Verbesserungspotenzial.

Andreas: Vielleicht sind wir Helden, aber das ‘super’ davor fehlt noch (lacht).

More from Florian Schauer-Bieche
Nina Kaiser, die Gamechangerin: „Das haben wir immer schon so gemacht? Geht gar nicht!“
4Gamechangers – ein Name, den man in Österreich unmittelbar mit Innovation und...
Mehr
0 replies on ““Vielleicht sind wir Helden, aber das ‘super’ fehlt noch””