Martin Koch war 16 Jahre lang erfolgreicher Skispringer, holte zahlreiche Medaillen, und gewann Olympia-Gold. Heute studiert der 32-jährige Kärntner Wirtschaft & Recht an der Uni in Klagenfurt, und bastelt zusammen mit einem Sportpsychologen an Seminaren und Workshops. Ein Interview über den Mut zu sich selbst zu stehen, dem Anker im Leben, und die Fähigkeit mit Niederlagen umzugehen.
Wenn ich gleich direkt fragen darf: Warum hast du mit dem Skispringen aufgehört?
Ich habe bereits im Alter von 4 Jahren mit dem Skispringen begonnen, und war 16 Jahre lang im Weltcup. Ab einem gewissen Punkt hat man genug. Man merkt, dass es Zeit für Neues und einen Wandel wird. Den Punkt hatte ich erreicht.
Liege ich richtig mit der Vermutung, dass Skispringen in den vergangenen Jahren kommerzieller, und der Druck größer geworden ist?
Im Laufe der Zeit hat sich das verändert. Am Anfang war Skispringen noch eine Randsportart und familiärer. Man kannte sich. Außerdem war zu Beginn noch nicht so viel Geld vorhanden, so bewohnten wir Doppel- oder Gruppenzimmer. Durch den Erfolg der Deutschen wurde die Sportart zunehmend kommerzialisiert und professioneller. Namen wie Hannawald oder Schmitt brachten dem Sport neue Aufmerksamkeit. So war plötzlich mehr Geld vorhanden, und das Interesse der Bevölkerung am Skispringen wuchs. Auf einmal hatte jeder ein Einzelzimmer, und die Sportler konnten vom Skisprung leben. Das hatte eine Entwicklung von der familiären Kultur im Skisprung, hinzum leistungsorientierten Denken, zur Folge.
Bist du so auf den Gedanken gekommen, dich nach deiner Karriere im Skisprung mit Psychologie und Mentaltraining zu beschäftigen?
2006 wurden wir Olympiasieger. Davor wurden wir von Christian, einem Sportpsychologen und Mentaltrainer betreut. Ich hatte danach auch noch Kontakt zu ihm, da wir uns gut verstanden haben, daraus ergab sich recht bald die Idee, gemeinsam ein Projekt auf die Beine zu stellen. Zusätzlich zur Psychologie ist er im Bereich der Firmen- und Persönlichkeitsberatung tätig, also überlegten wir, wie wir unsere Kompetenzen gut kombinieren könnten. Wir arbeiteten ein Konzept aus, bei dem ich auch wertvollen Input aus meiner Karriere einbringen konnte. Neben der vielen Erlebnisse meines Sportler- Daseins, konnte ich vor allem die Erfahrung im Umgang mit Ängsten und Zweifel einfließen lassen, und wir realisierten bald, dass dies Themen sind, die nicht nur mich als Skispringer betreffen, sondern Alttagsprobleme für eine Vielzahl der Menschen darstellt.
Du hast also Mentaltraining während dem Leistungssport betrieben?
Natürlich, aber ich kam zu dem Schluss, dass mir keine angewandte Methodik wirklich gefiel oder mich weiterbrachte. Der Erfolg der Zusammenarbeit mit Christian bestand darin, dass ich ihm erzählen konnte, was mir gerade auf dem Herzen lag. Schon alleine dadurch konnte ich über das Gesagte reflektieren und Probleme lösen. Das simple Einholen von Rat oder Feedback brachte schon oft die Lösung.
Martin Koch
Website des Ex-SkispringersWas konntest du aus deiner Skisprung Karriere mitnehmen?
Schwere Frage. Da fällt mir keine Leistung oder Medaille ein. Durch die ganzen Höhen und Tiefen, Erfolge und Niederlagen, konnte ich vor allem das Vertrauen in mich selbst gewinnen. Ich habe über die Jahre realisiert, dass ich es bin, der bestimmt, was passiert. Ich kann entscheiden, was für mich förderlich ist und was nicht. Die Verantwortung trage immer ich. Es war vor allem der Mut, zu mir und meinen eigenen Entscheidungen zu stehen, der sich während meiner Karriere entwickelte. Ich habe zum Beispiel für mich eine klare Linie gezogen, als es darum ging mit Helmkameras zu fliegen. Immer dann, wenn ich mich unwohl fühlte oder es für mich nicht passte, habe ich das auch gesagt und bin notfalls wieder runter gefahren. Das wurde dann auch so akzeptiert.
Wie war dein Verhältnis zu den Trainern?
Unser letzter Trainer, der Pointner Alex, war sehr angenehm, und wir hatten zu ihm als Sportler ein sehr enges Verhältnis. Die Beziehung zu ihm hat sich über 10 Jahre hinweg entwickelt, und war zum Ende hin schon fast freundschaftlich. Die Beziehung zu den Trainern zuvor war eher distanziert, und könnte als typisches Trainer-Sportler Verhältnis bezeichnet werden.
Was ist ein Ziel, auf das du jetzt hinarbeitest?
Im Moment ist das schwer zu sagen. Ich war viel unterwegs im Winter und hatte einiges zu tun. Meiner Freundin hatte wenig Freude damit. Dabei ist es schwer den Fokus zu behalten und zu schauen, was ich wirklich will, was ich geben kann und was ich bekomme. Diese Balance zu finden ist vorerst mein Ziel.
Erst in Notsituationen findet man heraus, welche Menschen es gut mit dir meinen.
Wie stellst du für dich fest, ob Menschen in dein Leben passen?
Prinzipiell lasse ich Personen auf mich wirken und stelle fest, ob sie mir sympathisch sind oder nicht. Wenn mir jemand unsympathisch ist, bin ich nicht unhöflich, aber höflich reserviert. Im Grunde verhält es sich so: Man muss immer einen Vertrauensvorschuss geben, weil man sonst nie herausfindet, ob jemand zu dir passt oder nicht. Wenn man es nicht probiert, wird man ein Einsiedler bleiben. Erst in Notsituationen findet man heraus, welche Menschen es gut mit dir meinen.
Wie gehst du mit Enttäuschungen um?
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass es nichts bringt, Situationen nachzutrauern, die sich nicht so entwickelt haben, wie man es gerne gehabt hätte. Gedankenspiele wie „Was hätte sein können wenn…?“ sind unnötig und rauben einem Kraft, die man für gegenwärtige Aufgaben braucht. Sinnvoll ist es zu analysieren, was genau falsch gelaufen ist, und was man aus dem Fehlschlag lernen kann. Dadurch setzt man einen positiven Entwicklungsprozess in Gang, an dem man wachsen kann.
Ein Beispiel?
Mein größtes Ziel im Skisprung war Skiflug-Weltmeister zu werden. Bei der Skiflug-WM 2012 in Vikersund, hatte ich die nötige Weite um das Ziel zu erreichen. Ich wollte aber einen Telemarker machen und bin gestürzt. Klar habe ich mich geärgert und gefragt warum das jetzt sein musste. Aber man kommt darüber hinweg.
Gibt es da jemanden in deinem Leben, der dir zeigt, dass alles in Ordnung ist?
Das ist meine Freundin. Ich habe oft viel um die Ohren, renne von einem Termin zum anderen, und bin viel unterwegs. In solchen Situationen ist sie mein Anker.
Aus Fehlern lernt man, und die haben mich -unter anderem- zu dem gemacht, der ich heute bin.
Wenn du dem jugendlichen Martin einen Rat geben dürftest, wie lautet dieser?
Keiner. Ich habe meine Fehler gemacht und hatte meine Niederlagen. Aber im Moment bin ich zufrieden. Ich glaube kaum, dass ich jetzt glücklicher wäre, wenn ich manche Entscheidungen anders getroffen hätte.Alles braucht seine Zeit, und Fehler werden gemacht, daran besteht kein Zweifel. Aus Fehlern lernt man, und die haben mich – unter anderem – zu dem gemacht, der ich heute bin.
Hut ab vor jenen, die trotz schlechtester Voraussetzungen an sich glauben.
Wie definierst du den Begriff Held? Wer ist ein Held für dich?
Ich denke jeder ist auf seine Art und Weise ein Held. Es sind die, die sich nicht aufgeben und immer weitermachen. Für mich sind Helden die Menschen, die etwas Positives leisten und sich einbringen, auch gegen jede negative Prognose. Zum Beispiel eine Mutter, die sich alleine um ihre Kinder kümmert, oder ein krebskrankes Kind, das sich seiner Krankheit stellt. Talente weiterentwickeln oder Künstler, Sportler, Musiker werden. Hut ab vor jenen, die trotz schlechtester Voraussetzungen an sich glauben.