Die Geschichte einer Träumerei

Eigentlich wollten Barbara Ebner und ihr Mann Roland nur ein Wochenendhäuschen im Burgenland haben. Zum Ausspannen und Kraft tanken. Um dem Stadttrubel zu entfliehen, wollten sich die ehemalige Medien-Geschäftsführerin und der leitende Mikrobiologe in Maria Bild im Südburgenland niederlassen. Der Plan klang so einfach: Haus kaufen, Haus renovieren, Haus bewohnen. Doch dann zeigte sich der Hausschwamm. Der einzige gefährliche Schimmelpilz, der üblicherweise nur eine Konsequenz kennt: die Abrissbirne. Doch Resignieren kennt Barbara nicht. Was als Katastrophe begann, ist heute ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Die Geschichte einer Träumerei.

Menschen ändern sich nicht, sagt man.

Das stimmt, wenn man den Charakter meint. Denn bis auf ihre herzliche Art hat sich bei Barbara alles geändert. Energiegeladen wie eh und je kommt die blonde Steirerin über den Innnehof ihres Dreikanthofes geeilt, um Markus und mich zu begrüßen. Begleitet von der Katzen-Mama des Hofes. Seit ihrem Umzug aufs Land sind Katzen für Barbara ein wichtiges Thema geworden: “Gerade vorhin habe ich wieder eine kleine verletzte Katze am Straßenrand gefunden und zum Tierarzt gebracht. Eigentlich hätte ich mit meinen 18 Katzen genug zu tun, aber ich kann da einfach nicht wegschauen.” 18 Katzen? Barbara beruhigt: “Die leben nicht alle bei uns. 5 Katzen sind hier am Hof, die anderen in einem alten Haus. Ich kümmere mich dort um sie. Viele sagen ich spinne. Ich denke mir: andere geben ihr Geld für Kinder aus. Also gebe ich mein Geld für Katzen aus.”

Foto: Träumerei
Foto: Träumerei

Seitdem sie dem Medien- und IT-Business den Rücken gekehrt hat, sei ihre soziale Ader viel ausgeprägter. “Ich habe mir ursprünglich gar nicht gedacht, dass ich so eine Ader habe”, lacht sie. “Früher habe ich das Wegschauen akzeptiert. Das kann ich mittlerweile nicht mehr. Ich hasse nichts mehr als Scheinheiligkeit. Zum Beispiel einer verletzten Katze eine Schale Milch hinzustellen und zu behaupten: das wird schon wieder. Mir ist lieber, die Leute geben zu, dass es ihnen egal ist. Aber so ist unsere Gesellschaft. Deswegen mache ich es nach dem Motto: ganz oder gar nicht.”

Ganz oder gar nicht

So hat es die mittlerweile 43-Jährige ihr Leben lang gehalten. Was dabei herauskam, war eine Träumerei. Die Träumerei. Was als schier unbewältigbarer Spleen begann, erstreckt sich heute auf insgesamt drei Hektar, die sanft über die Hügel Maria Bilds laufen, und mir klar machen, warum der Name passt, wie die berühmte Faust aufs Auge. Oder, etwas gewaltfreier: Wie angegossen. Dabei heißt die Träumerei gar nicht aufgrund der Landschaft so. Aber dazu später. “Leider sieht es zu dieser Jahreszeit etwas trist aus”, versucht Barbara den trüben Märztag zu entschuldigen. Muss sie nicht. Selbst blätterlos und grau in grau erhält man als Großstadt-Bewohner einen Eindruck davon, was das Landleben so besonders macht. Vom Montagstreiben bekommt man hier nichts mit.

Wir spazieren zu einem kleinen Hügel, etwa 60 Meter vom Hof entfernt. Dort steht ein weißer Pavillon. “Hier findet die Trauung statt. Bei den Evangelischen kommt sogar der Pfarrer hierher, sonst findet die standesamtliche Hochzeit hier, und dort oben die kirchliche statt”, erklärt sie und zeigt auf eine kleine Dorfkirche, die sich hinter dem Hügel, in etwa einem Kilometer Entfernung erhebt. Umgeben ist der Pavillon von Weinstöcken, die für das typisch burgenländische Flair sorgen. Ist die Trauungszeremonie vorbei, kann man wählen – zwischen Boccia-Bahn, Sandstrand mit Liegekorb, Parkbank unter Bäumen, Terrasse oder den anderen Rebstöcken, die etwas unterhalb des Hofes liegen. An einem schönen Frühlings- oder Sommertag muss es hier zugehen wie bei höfischen Festen des 18. Jahrhunderts. An einem Regentag auch – nur spielt sich dann alles im Bauch des Dreikanters ab, der mit einem Glasdach versehen wurde. “Bis zu  maximal 100 Personen sind bei unseren Hochzeiten. ”

Foto: Träumerei
Foto: Träumerei

Nach über einer halben Stunde im Freien bin ich durchgefroren und schwöre, wenn ich eines Tages heirate, dann nur in warmen Gefilden oder hier, bei Barbara, im Sommer. Zur Sicherheit frage ich gleich nach. “Leider, wir sind erst 2017 wieder verfügbar”, schmunzelt sie. “Ernsthaft?”, frage ich erstaunt. “Ja, wir sind ausgebucht. Ich muss jetzt schon zahlreiche Paare vertrösten. Das Schöne ist aber, dass einige sogar ihren Hochzeitstermin nach uns richten.” Barbara lacht. Ich bin verdutzt. “Gratuliere”, entgegne ich. Das Geschäft scheint ja abenteuerlich gut zu laufen. Wie gelingt das? Ich gebe die Frage an sie weiter: “Ich habe immer eine bestimmte Vorstellung von meiner Hochzeit gehabt. Sie hätte eigentlich so aussehen sollen wie die, die ich jetzt veranstalte. Das macht es aus. Es ist alles sehr persönlich.”

Liebe auf den ersten Blick

Doch so eine Feierlaune gab es nicht immer. Ganz im Gegenteil. Als am Anfang der 2000er Jahre Barbara und ihr damaliger Lebensgefährte und mittlerweile Ehemann Roland, beschließen, dem Stadtleben den Rücken zu kehren und ein Landhaus zu suchen, wissen sie nicht, was auf sie zukommen wird. Weil die Südsteiermark außerhalb ihres Budgets liegt, suchen die zwei im Südburgenland – und werden fündig. “Ich habe mich sofort in die Landschaft und in dieses Haus verliebt. Das musste ich haben. Nur war damals klar, dass es von der Dimension kein Wochenendhaus war, sondern eigentlich ein echtes Landhaus. Im Grunde genommen lag es auch außerhalb unseres Budgets, aber es war wie immer bei mir: entweder das oder nix”, lacht Barbara.

Irgendwie schafften es die beiden, die Finanzierung und den Umbau durchzubringen. Doch dann, kurz vorm Einziehen, der Schock: im, am, unterm Haus – überall Pilze! Roland, seines Zeichens Mikrobiologe, ließ die “Schwammerln” im Labor untersuchen. “Die Vermutung, dass es ein Pilz sein könnte gab es von Beginn an. Aber wir hatten das “Glück” den echten Hausschwamm zu haben. Der einzig richtig gefährliche Schimmelpilz. Echter Hausschwamm frisst sich durch das ganze Haus,und ist er einmal am Dachboden angelangt ist es vorbei, dann kann man die Hütte nur mehr wegschieben. Eine Renovierung kostet ein Vermögen.” Ein Vermögen, das sie damals nicht hatten. Doch wieder einmal lies Barbara nicht locker.

„Es kam alles zusammen. Roland hatte seinen Job als Laborleiter in Wien bereits gekündigt, und wir planten ein Restaurant in Graz zu eröffnen. Das war aber durch die neue Situation finanziell nicht mehr möglich. Also war klar: wenn wir das ganze Geld in das Haus stecken, muss es zu unserem Lebensmittelpunkt werden. Die Idee vom Wochenendhaus war gestorben. Also überlegten wir, wie wir aus dem Hof ein Restaurant, und gleichzeitig unseren Lebensmittelpunkt machen konnten. Wir hatten damals gerade geheiratet – da kam die Idee auf, hier Hochzeiten zu veranstalten. Viel privater als man sie sonst kennt. Der Vorteil: es ist alles hier. Das Brautpaar muss sich um nichts mehr kümmern.”

“Wir waren kurz davor alles hinzuschmeißen”

Barbara und Roland waren von ihrer Idee sofort Feuer und Flamme. Die Bank eher weniger. Was dann kam, gleicht dem filmisch manifestierten Mahnmal für alle heimischen Häuselbauer: Hinterholz 8! “Roland wohnte im Baucontainer, bei Minusgraden, und das gesamte Haus bestand nur mehr aus Lehmlöchern. Jeden Tag kratzte er die Sporenaus den Fugen und von den Wänden. Wir konnten uns immer nur wenig rofis leisten. Den Rest mussten wir selbst machen. Je mehr Geld hineingeflossen ist, desto grauenvoller ist das Haus geworden (lacht). Er saß alleine hier – ich bin Ende der Woche aus dem Grazer Büro gestürmt und in die Kälte gefahren. Mit der Zeit ist das schon zermürbend. Wir waren kurz davor alles hinzuschmeißen. Man ist nur mehr angespannt und verzweifelt. Aber aus dieser Situation heraus ist der Name entstanden: Weil unser Ziel eine einzige Träumerei war.”

Wieso tut man sich das an? Weshalb schmeißt man seinen Job als Geschäftsführerin hin, um im Südburgenland Hochzeiten zu veranstalten – ohne Sicherheit, dass das auch klappt? “Ich brauche die Abwechslung und ich liebe es, Dinge neu zu gestalten und aufzubauen. Ich kann nicht nur eine Sache machen. Auch die Träumerei wird nicht unser letztes Projekt sein und wir werden wieder etwas Neues angehen”, sagt Barbara, die in Grassnitz, einem 300 Einwohner Dorf in der Steiermark aufgewachsen ist.

Ob der Spruch stimmt: Man bekommt das Mädchen aus dem Dorf, doch das Dorf nicht aus dem Mädchen? “Als ich jung war hat mit der Stadttrubel gefallen. Deswegen bin ich während meines Studiums auch mal nach New York, um das Großstadtleben zu genießen. Die Karriere, das Fortgehen, die Freunde, das Shoppen. Das war alles nett, aber irgendwann habe ich keinen Sinn darin mehr erkannt”, erzählt Barbara, als wir uns es in der Küche gemütlich machen, die aussieht, als habe wenige Minuten zuvor ein Fotoshooting eines Hochglanzmagazins stattgefunden.

“Mir kommt die Stadt so künstlich vor”

“Das Deko-Ding ist meines”, lacht sie, als Markus und ich den Einrichtungsstil bewundernd kommentieren. Dann setzt sie fort: “Früher war ich hin und wieder am Wochenende am Land. Mittlerweile hat sich das umgedreht. Ich bin ab und zu gerne in Graz oder Wien, aber mir kommt die Stadt so künstlich vor. Man bekommt nichts mit. Man bekommt ein anderes Bewusstein, wenn man Holzhacken muss, damit es warm wird – so wie bei uns.”

Aber nicht nur, dass sie ihren Job als Geschäftsführerin aufgegeben hat. Neben der Nervenprobe namens Baustelle, gönnte sich Barbara zusätzlich zu ihrer Heilfasten-Ausbildung, einen Karriereschritt nach Wien, ins IT-Unternehmen ihres Bruders. Von da an pendelte sie nicht mehr zwischen Graz und Maria Bild, sondern zwischen Wien und Maria Bild. Eineinhalb Stunden Autofahrt zusätzlich.

“Hocharbeiten oder BWL studieren”

Es scheint, als könne Barbara mit dem klassischen Lebensweg nichts anfangen.

“Ich wusste nie wirklich was ich will. Nur, dass ich unabhängig sein möchte. Gleich nach der Matura habe ich eine Heilmasseur-Ausbildung gemacht, aber nie als solche gearbeitet. Anschließend bin ich an die Uni, habe Anglistik und Philologie inskribiert. Doch ich wollte eine Ausbildung, die mir einen Job sichert, mit dem ich Geld verdienen kann. Also bin ich wieder ins Ausland, für ein Jahr nach Zypern, wo ich als Animateurin gearbeitet habe. Eine spannende Zeit. Man verliert den Respekt vor Obrigkeiten, wenn der Herr Doktor zu später Stunde die jungen Mädls ansteigt. Als ich zurückgekommen bin, habe ich mir gedacht, ich bleibe im Tourismus, weil ich auch gerne reise. Also habe ich mich als Reiseleiterin beworben. Gänzlich ohne Kenntnisse. Aber ich habe in der Türkei einen Job bekommen. Keine Ahnung, wie das geklappt hat. Doch dort hat sich mein späterer Weg entschieden. Eine Kollegin hat mir zum BWL-Studium geraten, nachdem ich gemeint habe, ich wolle eigentlich Chefin werden. Sie hat nur gesagt: Du kannst dich hocharbeiten oder BWL studieren. Hocharbeiten klang extrem anstrengend. Also inskribierte ich mal (lacht).”

Doch eigentlich war das BWL-Studium nicht Barbaras Welt. „Aber irgendwie bin ich bei allen Prüfungen durchgekommen. So lief das weiter und ich habe mich auf Marketing und Informationswissenschaft spezialisiert. Meilenweit weg von der heutigen Informatik. Am Ende des Studiums bekam ich die Möglichkeit ein Stipendium in den USA zu machen. Dort bin ich in die Internetbranche eingetaucht. Aber nicht an der Uni, denn die war langweilig. Also bin ich in Manhattan von Internetagentur zu Internetagentur gefahren, und habe gefragt, ob ich gratis mitarbeiten kann. Eine israelischen Agentur gab mir die Möglichkeit, und so kam ich damals schon mit Livestreaming in Kontakt. Als ich nach Österreich zurück kam,  habe ich nicht gewusst was ich machen soll. Dass ich im Mediengeschäft gelandet bin war ein weiterer Zufall.”

Website-Screenshot
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Vom Chaos zur Top-Location

Und hier schließt sich der Kreis wieder. Denn dank ihrer Expertise im Onlinemarketing, konnte Barbara die Träumerei von heute auf morgen von 0 auf 100 bringen – als das Thema Social Media in der Gastronomie hierzulande noch nicht mal erträumt wurde. Das einzige Problem: in der Theorie gab es die Träumerei schon. Nur die Hochzeiten fehlten. “Ich musste Paare davon überzeugen, dass wir das können. Keine Braut lässt sich bei ihrer Hochzeit auf Glück ein. Ich musste eine Saison hinzuschummeln (lacht). Wir haben dazu Freunde als Brautpaar fotografiert und losgelegt.” Über 20 Hochzeiten wurden auf den ersten Schlag verkauft. “Das war cool, aber wir mussten sie erst einmal umsetzen. Einen Tag vor der ersten Hochzeit stand sogar noch der Betonmischer im Innenhof. Als das erste Pärchen kam, herrschte reinstes Chaos. Die zwei waren ziemlich irritiert, aber Roland sagte ihnen, dass das immer so sei und sie sich keine Sorgen machen müssten. Keine Ahnung wie wir es geschafft haben, aber es war dann eine wunderbare Hochzeit.”

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Als ich das Aufnahmegerät ausschalte, um mich Rolands Schokoladenmousse-Tarte zu widmen, lasse ich die Geschichte kurz Revue passieren und frage mich, wie man bei all dem Trubel Ruhe finden kann?  Auch dafür hat Barbara eine Lösung parat. Wie könnte es anders sein, ganz in ihrem unternehmerischen Sinn. Denn wenn die Tore der Träumerei schließen, geht es bei Barbara mit dem Fasten los. Genauer gesagt mit dem Heilfasten. “Das hat mich immer schon fasziniert. Ich wollte Heilfasten außerdem immer schon anders machen. Nicht so esoterisch sondern in einem schönen Ambiente auf 4 -Sterne Niveau.” Mittlerweile macht sie neben der Träumerei 10 Kurse pro Jahr. Entspannt wird dann in Opatija. “Und in Mallorca, unserer nächsten Heimat”, sagt Barbara und schmunzelt. Ich merke gleich: das hier ist nicht das Ende, das ist erst der Anfang einer langen Reise zweier Unternehmergeister.

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One reply on “Die Geschichte einer Träumerei”
  1. Meine Freundin erzählte mir das ihre Freundin eine die Träumerei führt?

    Was ist das?

    So neugierig wie ich bin muss gleich los und in Google schauen.!

    Ja dasfinde ich eine gross gartige Sache

    So wird das Dorf Maria Bild aus den Dornröschenschlaf erwachen! !,

    Alles Gute und viel Erfolg

    Mit freundlichen grüßen Frau H.Ernst

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