“Meine Schwiegermutter hat immer gesagt: Schreib ein Buch über dein Leben!” Diesen Wunsch konnte ich Daniela in unserem Frühstücks-Gespräch in ihrer Heimat Graz zwar nicht abnehmen, jedoch die wichtigsten Stationen in ihrem Leben schriftlich festhalten. Und diese können sich sehen lassen. Danielas Geschichte ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich hinter jedem Gesicht mehr verbirgt, als man vermuten möchte. So auch hinter dem der Trafikantin, die bisher alles in ihrem Leben “mit Liebe und Hingabe” machte, sei es als Friseurin, Kellnerin, Soldatin oder Detektivin.
Der mehr als spannende Berufsweg von Daniela beginnt mit einem Traum: “Eigentlich wollte ich immer Schauspielerin werden.” Doch die Schauspielschule konnten sich ihre Eltern nicht leisten. Wo andere verzweifelt wären, zeigt sich zum ersten Mal Danielas querdenkender Charakter. Sie sagt sich: “Ich gehe einfach zum Theater und werde Maskenbildnerin, vielleicht komme ich so auch irgendwann auf die Bühne!” Leider erfährt sie, dass auch die Ausbildung zur Maskenbildnerin zu teuer ist. “Somit habe ich eben Friseurin gelernt. Da bin ich halt beim klassischen Mädchenberuf hängengeblieben.” Bei dem Wort “Mädchenberuf” verzieht sie ihr Gesicht, zündet sich erstmal eine Zigarette an. “Mit 19 bin ich dann raus aus dem Beruf und aus Graz. Ich wollte weg, ich wollte flügge werden. Also bin ich als Kellnerin für eine Saison nach Tirol. Da habe ich mir zu Beginn gedacht: ‘Okay, des is es jetzt!’” Ein Ausdruck über die vermeintlich richtige Wahl ihres Berufes, den Daniela heute nicht zum letzten Mal verwenden sollte, der ihr aber ein Strahlen aufs Gesicht zaubert. “Ich hatte aber immer starkes Heimweh. Einmal waren wir aufgrund eines Lawinenabganges für 2 Tage in Galtür eingeschlossen. Nach diesem Erlebnis beschloss ich, wieder nach Hause zurück zu kehren.”
Wieder daheim, meint Danielas Vater, dass es im “taugn tät”, wenn sie zur Polizei ginge, und in weiterer Folge zur Kripo.
Daniela: “Jo, i glaub des is es”. Wir notieren: Strahlen Nummer zwei. “Und zwar deshalb, weil ich immer das Außergewöhnliche gesucht habe. Ich wollte nicht jeden Tag das Gleiche machen. Somit hab ich mir gedacht: ‘Okay, ich gehe Verbrechen aufklären!’” Beim Thema Gerechtigkeit bin ich wie ein ‘Viech’, da fährt die Eisenbahn drüber. Ungerechtigkeit ist das Ärgste, was es für mich gibt.”
Ungerechtigkeit ist für mich das Ärgste, was es gibt.
Daniela bewirbt sich also mit der Unterstützung ihres Vaters bei der Gendarmerie. Auch wenn sie sich im Nachhinein nicht mehr erinnern kann, was sie dazu bewogen hat, schreibt sie gleichzeitig auch eine Bewerbung ans Österreichische Bundesheer. “Dort, von wo ich als erstes eine positive Antwort erhalte, gehe ich hin. Das wird schon das Richtige sein”, überlässt sie ihre Zukunft dem Schicksal. Als erstes kommt der Brief vom Bundesheer. “Dann war die Sache klar: Ich werde Soldatin.” Bis dahin war es jedoch ein weiter Weg: Daniela tritt zweimal zur Aufnahmeprüfung an. “Ich hatte einen Monat Zeit zu trainieren. Obwohl ich sonst total unsportlich bin, bin ich jeden Tag Laufen gegangen. Dann, in Linz bei der Aufnahmeprüfung, bin ich an einer Lappalie gescheitert: Ich hatte aus irgendeinem Grund erhöhte Entzündungswerte im Blut und musste aufgrund dessen die Aufnahmeprüfung bereits am ersten von drei Tagen beenden. Da ist dann eine Welt für mich zusammengebrochen. Ich war wirklich zornig.”
Ein halbes Jahr später bekommt Daniela einen Anruf von einem Vizeleutnant. Er fragt sie, ob ihr Wunsch, zum Heer zu gehen, noch aufrecht sei. “Grundsätzlich schon, wann ist denn die nächste Prüfung?” “In drei Wochen.” Daniela zweifelt, doch der Vizeleutnant ruft sie jeden Tag an, um auf sie einzureden. Er macht es sich zur persönlichen Aufgabe, die damals 19-Jährige zum Bundesheer zu bringen. “Dass ich als Mädchen in dem Alter bereits zum Militär gehen wollte, das wird ihn fasziniert haben”, erklärt sie sich dieses Streben.
Nach Danielas Zustimmung bekommt sie einen Hauptmann zugeteilt, der mit ihr trainiert. “Ich musste jeden Tag in die Kaserne fahren, um ein hartes Sportprogramm zu absolvieren. Ich war immer schon Raucherin, du kannst dir vorstellen wie es mir beim Bahnenlaufen erging. Ein hochroter Schädl war jedenfalls immer das Endprodukt. ” Danielas persönlicher Drill Sergeant treibt sie über Bergläufe und Kraftübungen bis zur Aufnahmeprüfung. “Dort war es dann wirklich heftig. Es war Sommer, wir hatten 35 Grad. Mein Unterstützer war vor Ort und hat mich bei allen Disziplinen angefeuert, weil er schon wusste, dass ich ein Mensch bin, der immer ein wenig Bestätigung braucht.” Bei der Liegestütz-Prüfung geht Daniela an ihre Grenzen. “Mir sind bereits die Tränen gekommen, aber ich habe bis zur letzten durchgehalten, obwohl ich statt den 15 geforderten an die 40 gemacht hatte, weil dem Prüfer so viele nicht gepasst haben. Du kannst aber nicht aufhören, weil sonst bist du weg vom Fenster. Noch schlimmer war, dass mich ein Fotograf während der Liegestütz-Prüfung ablichtete. Später fand ich dieses Foto dann auf einem Flyer wieder, inklusive meines hochroten Schädls. Aber irgendwie war ich schon stolz drauf.”
You’re in the army now. Daniela hat es geschafft, ist also jetzt Soldatin. Und gerade mal 20.
“Wir mussten zu Beginn bekannt geben, wo wir hin wollten. Da gab ich natürlich die Militärpolizei an. Wie sich herausstellte, war ich jedoch um einen Zentimeter zu klein dafür. Ich war früher 1,75, durch eine Wirbelsäulenverbiegung bin ich jedoch zwei Zentimeter geschrumpft. Da mir das Schicksal diesen Weg verwehrte, fiel meine Wahl auf die Flieger in Zeltweg.
Da hab ich mir gesagt: ‘Das machst du! Du bist einmal mit deinem Onkel geflogen, das hat dir so gefallen – Das ist was für dich, du gehst zu den Piloten!’ So kam es, ich wurde zur Luftaufklärung beordert. Da war ich mir sicher: “Das ist mein Beruf, da bleibe ich bis zur Pension.” Denkste- inklusive Strahlen Nummer drei. “Das war so ein toller Beruf. Ich war Operator und Navigator. Ich saß hinten in einem Helikopter, der über eine Landschaft flog, ein Fotograf lichtete diese Landschaft ab und ich durfte die Bilder dann auswerten. Genauer gesagt war meine Aufgabe, alles akribisch zu beschreiben, was auf den Bildern und Videos zu sehen war. Also du tust viel fernschauen – genau meins.”
“Ein herrliches Gefühl waren diese Flüge. Sie wollten mich in weiterer Folge zur ersten Helikopterpilotin Österreichs ausbilden.
Ich war immer die Dreckigste von allen.
Wo immer es auch geregnet hat und matschig war- ich habe mich hineingeschmissen. Ich war eine sehr harte Nuss, durfte deshalb auch oft die Kommandantinnen-Rolle übernehmen. Bereits mit 20 durfte ich selbst Rekruten ausbilden. Das anfängliche Belächeltwerden war schnell vorbei, als ich die Jungs bei 25 Grad mit kompletter Ausrüstung einen Hügel rauf und runter jagte.
Wir Mädels wurden hart traktiert. Wir mussten schneller, besser und härter sein als die Burschen. Bei einem Marsch habe ich einmal das Gepäck eines männlichen Kollegen getragen, weil er nicht mehr konnte. Ich wurde auch oft eingesetzt, um vor Rekruten Werbung fürs Berufsheer zu machen nach dem Motto: ‘Schaut, so schlimm ist es ja nicht, wenn es auch ein Mädchen schafft!’ Immer wieder wurde ich zur Öffentlichkeitsarbeit beordert, um von meinen Erfahrungen zu berichten.“
Mit dem Heeressport hat Daniela ihre Probleme: “Die Athleten brauchten nichts anderes zu machen, als ihren Sport weiter auszuüben, um später in den Offiziersstand zu kommen. Wir hingegen mussten lernen, unser Vaterland zu verteidigen. Wie soll eine Schifahrerin zur Landesverteidigung beitragen? Den Angreifer mit dem Schistock erschlagen?“
Ihre Tätigkeit beim Heer ist mittlerweile 10 Jahre her. Wie kam es nun, dass Daniela heute als Trafikantin arbeitet?
“Obwohl ein junges Mädchen, wurde ich niemals von meinen männlichen Kollegen diskriminiert oder gar belästigt. Die ganze Fliegereinheit von Zeltweg ist immer wie ein Fels hinter mir gestanden. Ironischerweise wurde ich nur ein einziges Mal diskriminiert, und zwar von einer Frau. Noch ironischer ist, dass diese als Frauenbeauftragte für das Wohlergehen der Soldatinnen zuständig war. Mir wurde von ihr wortwörtlich ein irreparabler Schaden der Wirbelsäule inklusive Schwangerschaft vorgeworfen. Das war natürlich völlig aus der Luft gegriffen. Mit dieser Frau hatte ich viel Streit.
Zusätzlich lehnte Daniela, die mittlerweile als Gruppenkommandantin etabliert war, einen unkündbaren Posten als Berufssoldatin ab, weil sie sich in der Kaserne, in der sie tätig sein sollte, nicht wohlfühlte. Daraufhin wurde sie von einem Oberst schreiend niedergemacht, was ihr einfiele, solch einen Posten abzuschlagen.
“Das hat dann eben gut zusammengepasst mit der Sache mit der Frauenbeauftragten, somit musste ich gegen meinen Willen abrüsten. Später, zu spät für mich, bemerkte man dann, dass diese Frau sehr viel Dreck am Kerbholz hatte. Natürlich wollten sie mich dann wieder zurück haben, setzten aber voraus, dass ich noch einmal die Grundausbildung machen solle.”
“Ihr seit’s ja deppat.”
Nach diesem unrühmlichen Abschied vom Bundesheer findet Daniela eine Stelle beim Sicherheitsdienst. Dort lernt sie ihren Mann kennen. “Ich bin schnell die Karriereleiter hinaufgestiegen. Nach einigen Monaten wurde mir bereits die Kontrolle über alle Revierfahrer anvertraut.“ Danielas Alter: 23. Mir wurde dieser Job aber schnell langweilig. Ich habe mir irgendwann gedacht: “Als Kind habe ich immer gerne ‘Ein Fall für zwei’ geschaut. Detektivin, das wär doch was! Ich glaube ich muss meinen Beruf wechseln” Sie lacht ob der Tatsache, dass dies noch immer nicht ihr endgültiger Beruf werden sollte. “Ich habe mir gesagt: ‘Passt, ich werde der zweite Matula!’ Und der bin ich dann geworden. Ähnlich wie übers Bundesheer könnte ich hierüber auch wieder einen ganzen Tag erzählen.” Ich beobachte das Strahlen, das heute zum vierten Mal auf ihrem Gesicht auftaucht. “Ich habe das Handwerk des Detektierens noch nach der alten Schule gelernt: Ohne Kameras oder anderem Schnickschnack, nur mit meinen Augen und meinem Gefühl als Waffe. Daniela scheint zweimal in der Zeitung als berüchtigste Detektivin von Graz auf. “Ich dürfte einen guten Eindruck hinterlassen haben, die rufen mich heute noch an und fragen mich, ob ich nicht wieder einsteigen wolle. Ich habe damals viele Kriminelle ins Gefängnis gebracht.” Darunter auch einen 1,90 m großen Bandenboss, den sie eigenständig überwältigt.
“2011, nachdem ich sechs Jahre lang als Detektivin gearbeitet hatte, fand bei mir ein Umdenken statt. Mein Mann riet mir auch dazu, aufzuhören. Wir haben beschlossen ein Kind zu bekommen. Ich habe später auch innerhalb von zwei Jahren zwei Kinder geboren, das eine ist bei der Geburt, das andere zwei Tage nach der Geburt gestorben.” Zu dieser Zeit habe ich dann beschlossen, die gefährlichen Berufe endgültig sein zu lassen.
Somit findet der Wandervogel Daniela endgültig sein Nest.
“Ich bin ja mittlerweile ein großer Wien-Fan. Vor allem von Kaisermühlen. In der Fernsehserie gibt es eine Trafikantin. Die hat mich immer an meinen unerfüllten Traum erinnert. Da hab ich mir dann gedacht: ‘Des wär’s! Des wär echt lustig’” Strahlen Nummer fünf bleibt dieses Mal in ihrem Gesicht hängen. “Wenn ich schon meinen Traum vom gefährlichen Berufsleben als Frau nicht weiterleben kann, so will ich mir zumindest diesen erfüllen.” Was ihr an dem Beruf Trafikantin so behagt, weiß Daniela: “In einer Trafik ist es richtig gemütlich, alles voll mit Zeitschriften, da kommen bei mir Glücksgefühle hoch. Die Leute kommen rein um zu Quatschen. Klar, du musst viel Psychologe spielen, dir vieles anhören. Dadurch, dass ich schon immer sehr sozial war, denke ich mir: “Du musst ja nicht immer die Welt retten!”
Du musst ja nicht immer die Welt retten.
“Gerechtigkeit war mir ja immer das Allerwichtigste. Als Detektivin war es der größte Segen, wenn ich nach der Arbeit unbeschadet nach Hause kam. Das muss nun nicht mehr sein. Ich bin schon zufrieden, wenn ich den Menschen etwas Gutes tue. So kann ich genauso etwas für die Menschheit machen. Da ist Trafikantin genau der richtige Beruf für mich. Deshalb werde ich auch als diese in Pension gehen. Außer ich schreibe ein Buch und werde berühmt.”
Dieser Artikel ist zwar kein Buchersatz und wird Daniela nicht berühmt machen, jedoch sicherlich zu einer Heldin.
“Ich sehe mich nicht als Heldin. Meine Einstellung zur Gerechtigkeit ist für mich selbstverständlich. Dass ich böse Menschen eingesperrt habe, ist für mich selbstverständlich.
Wer für mich ein Held ist? Meine gesamte Familie, weil sie mich aushalten muss.”
Ihr Strahlen bleibt.