Mit dem Sport möchte ich alt werden

Karl Kainrath war Arnold Schwarzeneggers Trainingspartner und guter Freund. Der 75-jährige Fitness-Pionier über Anfänge des kontroversen Sports Bodybuilding, vom Traum des eigenen Fitnessstudios und seiner Definition eines gesunden Lebensstils.

Die Geschichte eines kräftigen Steierbuam, der sich aufmachte, um Amerika zu erobern, kennt man in Österreich. Oft wurde besagtem Mann der Titel „Held“ verliehen und ihm zu Ehren sogar so manches Lied geschrieben. Helden von heute sieht seine Aufgabe darin, Menschen vorzustellen, welche diesen Titel ebenso verdienen. 

Karl, man sieht dir an, dass du schon dein ganzes Leben lang Sport treibst. Wie und wann hast du damit begonnen?

Den großen Aufschwung erlebte die Fitnessszene ja in den 80er Jahren. Bei mir hat alles etwas früher begonnen. Ich bin bereits in den 60ern, also mit 25 Jahren, auf den Geschmack gekommen, das bestmögliche aus meinem Körper zu machen. Glücklicherweise habe ich Menschen getroffen, die diese Leidenschaft teilten.

Foto: Sven Wuttej
Foto: Sven Wuttej
Wie genau sieht diese Leidenschaft aus?

Gewichtheben, Sportdreikampf und Bodybuilding. Letzteres war uns das Wichtigste.

Gab es da eine eigene Szene in der Steiermark?

Ja, in dieser Szene habe ich dann auch Arnold (Schwarzenegger, Anm.) kennengelernt. Wir waren ein Gewichthebe-Verein, wollten zusätzlich zu unseren sportlichen Leistungen auch einen guten Körper haben. Somit wurde Bodybuilding zu unserer größten Leidenschaft. Die sportlichen Erfolge im Gewichtheben und Kraftdreikampf waren ein Nebenprodukt.

Waren da die „Steirerbuam“ federführend?

Ja, wir waren eine zusammengeschweißte Gemeinschaft. Nicht nur in Österreich, sondern auch international waren wir gefürchtet, wo immer wir aufgetaucht sind. Vor allem in Deutschland.

Nachdem Arnold gleich seinen ersten Wettkampf in Stuttgart gewonnen und anschließend ein Angebot bekommen hat, nach dem Bundesheerdienst nach Deutschland zu gehen, habe ich mir gedacht: “Nächstes Jahr versuchst du es auch mal.”

Mit welcher Einstellung bist du in deinen ersten internationalen Wettkampf gegangen?

„Naja, fährst halt raus und machst mit, und dann schau‘ ma mal“. Das waren meine Gedanken. Ich habe mich ja nur im Keller mit meinen selbstgebauten Geräten darauf vorbereitet. Dass ich dann auf Anhieb gleich gewonnen habe, war für mich eine riesige Überraschung. Und dass ich mich gegen die internationale Elite durchsetzen konnte ein ungemeiner Antrieb.

Foto: Sven Wuttej
Foto: Sven Wuttej
Der sportliche Erfolg war dir also sicher. Wie hast du es dann geschafft, diese Leidenschaft auch mit deinem Beruf zu verbinden?

Aus dem Verein heraus habe ich die Luft der Selbstständigkeit geschnuppert und mich auf den Weg zu meinen eigenen Fitnessstudios begeben. Meinen Job bei der Telekom habe ich aber behalten. Ein zweites Standbein braucht man, wenn man sich selbstständig machen möchte. Ich habe also den Fulltime-Job bei der Telekom gemacht und nebenbei mein eigenes Fitnessstudio aufgebaut.

Aus dem Luftschnuppern ist also die Realität des eigenen Studios geworden?

Ja, ich durfte mit 32 sogar 2 Studios mein Eigen nennen. 1987 eröffnete ich dann zusätzlich den ersten Fitnessshop in der Steiermark. Meine Frau habe ich damals kennengelernt, sie hat dann als Verkäuferin in dem Shop gearbeitet. Sie war 23, ich 44. Gemeinsam haben wir eine Tochter. Ich hatte also meine junge Familie, 2 Fitnessstudios und einen Shop, da war schon halbwegs was los. Im Nachhinein betrachtet weiß ich nicht mehr wie ich das alles geschafft habe. Das war ungemein zeitaufwendig. Tagsüber bei der Telekom im Außendienst und von 3 Uhr nachmittags bis 10 Uhr Nachts im Studio – und das jeden Tag.

Was sagten die Besucher zum ersten Studio in der Steiermark?

Ich hörte immer: “Ein Fitnessstudio, was ist das?“ Die Menschen konnten mit dem Begriff nichts anfangen, wir waren ja unserer Zeit voraus. Deshalb haben ein befreundeter Maschinenbauer und ich die Trainingsgeräte auch selbst hergestellt. Wir bauten sie auf gut österreichisch „dodlsicher“.  Aber die Geräte haben ihren Zweck erfüllt und selbst die Stärksten ausgehalten.

Fühlst du dich mit 72 immer noch so fit wie du aussiehst?

Das tue ich. Ich trainiere 5 mal die Woche. Nebenbei arbeite ich immer noch als Fitness-Coach. Ich habe einige Leute, die ich individuell betreue, bin in 4 verschiedenen Studios unterwegs. Das macht mir Spaß. Zeit habe ich ja. Ich sehe das ganze nicht als Belastung. Was täte ich sonst den ganzen Tag?

Kaffeetrinken, Fernschauen, Gärtnern?

Ich bin ja schon seit 17 Jahren in Pension, trainiere jetzt seit 53 Jahren. Ich könnte mir gar nicht vorstellen ohne meine Leidenschaft zu sein. Mein Spruch war immer: ,Mit dem Sport möchte ich alt werden.‘ Ich möchte das Fitnesstraining so lange wie möglich ausüben. Und solange nicht irgendeine blöde Krankheit daher kommt, die mich außer Gefecht setzt, mache ich das auch. Ich fühle mich wunderbar, hatte nie gröbere Verletzungen, so kleine Wehwehchen hat ja jeder.

Darf ich um ein kleines Resümee deiner sportliche Karriere bitten?

Ich war von 1967-2008 aktiv, am längsten von allen Bodybuildern in Österreich. Meinen ersten Wettkampf hatte ich mit 25, meinen letzten mit 66.

Wenn Arnold und ich zusammen trainiert haben, haben wir immer “Vuigas“ gegeben!

Du erwähnst keine Titel, aber gibst du uns einen Einblick in deinen immensen sportlichen Ehrgeiz?

Als ich schon in ein höheres Alter gekommen war, meinten meine Freunde zu mir: “Eine Weltmeisterschaft? Das schaffst du nie mehr. “ Ich dachte nur: “Na des werd ich euch zeigen.”

7 Monate lang habe ich ordentlich Gas gegeben, immer mit dem Hintergedanken, dass ich zur WM in Brasilien fahren werde um dort zu gewinnen. Und so kam es dann auch. Ich habe beim vorbereitenden Training meinen Gegner gesehen und mir gedacht: “Naja, wennst di ordentlich anstrengst, könntest ihn pockn.” Da hab ich dann mit 47 meine letzte Weltmeisterschaft gewonnen.

Dann kam eine lange Pause. 2008 habe ich mir dann gedacht: “Naja, mit 66 kann ich es ja noch einmal probieren.” Da ist es dann aber nicht mehr so gut gelaufen. In den Jahren, als ich nicht im Wettkampf war, hat sich unglaublich viel getan. Die Leute, die dabei waren, haben ordentlich Masse und sind definiert. Ich habe mir aber gesagt: In meinem Alter, da brauch ich keinen Stoff mehr einnehmen, das muss mit guter Ernährung auch gehen.‘ Da bin ich leider völlig falsch gelegen. Ich war aber nicht bereit, meine Gesundheit für diesen Erfolg zu opfern. Mir ist es lieber, mir geht es gut. Dann stehe ich halt nicht ganz oben am Schluss.

Ich habe immer sehr hart trainiert, meinem Körper viel abverlangt. Wenn Arnold und ich zusammen trainiert haben, haben wir immer “Vuigas“ gegeben! Das geht aber auch heute noch.

Mit den Jungen kann ich jederzeit mithalten.

Jedoch ohne Arnold. Hast du noch einen Trainingspartner aus der damaligen Zeit?

Nein, die können alle nicht mehr. Aber mit den Jungen kann ich jederzeit mithalten.

Gilt Karl der Große als Vorbild für die jungen Wilden?

In den Studios, in denen ich trainiere, merke ich es schon, dass die Leute eine große Achtung vor mir haben und meinen Erfolgen Anerkennung zollen. Die sagen: “In dem Alter noch so einen Körper zu haben und so zu trainieren, das gibt es ganz selten!”

So gesehen habe ich als Sportler ja das beste Leben. Ich wollte nie Bodybuilding-Profi werden. Ich hab es so gemacht wie es mir getaugt hat. Solang es mir Spaß macht, so lange trainiere ich. Das ist kein Motto sondern eine Lebenseinstellung.

Vorhin erwähntest du, dass du deine Gesundheit dem sportlichen Erfolg vorziehst. Das heißt du bist dir bei der Ernährung immer selber treu geblieben?

Ja, das ist für mich immer das Wichtigste, auch bei den Leuten, mit denen ich trainiere. Das erste was ich sage: 70 Prozent von deinem Erfolg als Kraftsportler macht die Ernährung aus.

Ich habe nie geraucht oder übermäßig getrunken. Wenn ich sehe, wie viele Leute in meinem Alter große, durch einen ungesunden Lebensstil hervorgerufene Probleme haben, so denke ich mir: “So möchte ich mein Alter nicht verbringen, wenn die Lebensqualität so leidet.”

Die Zeit, als wir unser Eiweiß selbst gemischt haben, ist lang vorbei. Das Zeug hat so grauenhaft geschmeckt, dass man es fast nicht runterbrachte. Da hat man sich immer schnell im Waschbecken den Geschmack aus dem Mund spülen müssen (lacht).

Foto: Sven Wuttej
Foto: Sven Wuttej
Dass man die Tour de France ohne leistungssteigernde Stoffe heutzutage nicht mehr gewinnen kann, gilt als Tatsache. Kann man diese traurige Gewissheit auch auf das Bodybuilding übertragen?

Du kannst die Tour de France nicht einmal fertig fahren, wenn du kein Zeug nimmst. Das ist ja schon die höchste Kategorie. Man braucht ja nur ein kleines Straßenrennen in der Steiermark hernehmen. Da sind alle bis oben voll. Leider auch beim Bodybuilding.

Warum tut man das?

Aus Ehrgeiz. Aber leider ist das falscher Ehrgeiz. Mein Ehrgeiz ist schon, dass ich gut aussehe, aber das erreiche ich mit ehrlichen Mitteln. Durch mein jahrzehntelanges Training kenne ich meinen Körper wie kein anderer. Bei vielen Kraftsportlern ist das Problem, dass sie ohne den Stoff nicht sein können. Da wird leider viel zu oft gefragt: “Was kann ich nehmen, um schneller weiterzukommen?”

Im Grunde ist der sportliche Erfolg dann aber nur eine Momentaufnahme, und nach dem Wettkampf geht es mit der Leistung und dem psychischen Befinden des Sportlers bergab. Da kommt dann immer der moralische Zusammenbruch. Das ist es einfach nicht wert. Was hast du von deinem Erfolg wirklich, außer einem Pokal und einer Urkunde?

 Nur reden und nichts tun bringt‘s nicht.

Wie viel kannst du von deinem Ehrgeiz und deinem Körperbewusstsein an andere weitergeben?

In dem Verein, wo ich dann auch gleich nach unserem Gespräch wieder zum Training gehe, da gab es einen, der brachte 135 Kilo auf die Wage. und sein Körperfettanteil lag bei 30 Prozent. Der ist zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich mit ihm trainieren könne. Dann habe ich ein Programm für ihn zusammengestellt und ihn auf eine gesunde Ernährung hingewiesen. Nach einem dreiviertel Jahr hatte er nur noch 16 Prozent Fettanteil und 114 Kilo. Da hat der Bursche brav mitgearbeitet und somit einen großen Erfolg gefeiert. Ich habe die Sache nur deshalb sehr ernst genommen, weil auch er sie ernst nahm. Nur reden und nichts tun bringt‘s nicht.

Die goldene Zeit des Bodybuildings ist ja mit den 90ern zu Ende gegangen, wie sieht die Zukunft dieses polarisierenden Sports aus?

Bodybuilding ist wieder stark im kommen. Aber nicht so sehr bei uns, sondern hauptsächlich in den ehemaligen Ostblockländern und dem asiatischen Raum, aber auch in Afrika und Südamerika. Was sich in der Szene zurzeit abspielt ist unglaublich. Mit neuen Fitnesskategorien, wo es nicht mehr nur um Masse geht, wird der Sport auch für Frauen interessant. Diese neue Bewegung wurde durch das Internet ausgelöst.

Weil dadurch mehr Präsentationsmöglichkeiten gegeben sind?

Genau, da läuft viel über Videos.

Das heißt, da gibt es viele selbsternannte Helden. Wie definierst du einen solchen?

Ein Held ist einer, der anderen hilft, der für andere da ist. Der auch auf sich selbst schaut und mit beiden Beinen im Leben steht. Wenn einer auf der Straße zusammenbricht, und ein anderer geht hin und hilft ihm, anstatt schweigend weiterzugehen, da zeigt sich dann wahres Heldentum.

Siehst du dich selbst als Held?

Das klingt ja so überheblich.

Ja, ich bin schon einer, der vielen Menschen dabei geholfen hat, in ihrem Leben weiterzukommen. Da sehe ich mich schon als Vorreiter, da bin ich für andere ein Vorbild. Das ist zumindest das, was ich von den Leuten immer höre. Für diese bin ich also anscheinend mit einem Held gleichzusetzen.

So auch für uns. Danke für das Gespräch und viel Spaß beim Training!
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4 replies on “Mit dem Sport möchte ich alt werden”
  1. says: Michael Bauer

    Super Artikel! Nachdem ich jetzt schon eine Weile das Vergnügen habe mit Karl zu trainieren, kann ich nur sagen, dass er für mich nicht nur ein Held ist, sondern eine echte Legende.
    Mir gefällt eure Seite sehr gut, weiter so!

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