Damian Izdebski: Die Kunst, wieder aufzustehen

Der Titel „Unternehmer des Jahres“ impliziert vermeintlich auch den Titel „Held“. Als solch einer wurde Damian Izdebski  über Jahre gelobt und gefeiert – bis sein Unternehmen „DiTech“ in die Insolvenz schlitterte und Izdebski von den gleichen Journalisten medial geprügelt wurde. Wir haben ihn interviewt und gefragt, wie er es geschafft hat aus dem Nichts ein Imperium aufzubauen, dessen Verlust zu verkraften und Energie für einen Neustart zu finden.

Damian, war es schon immer dein Wunsch Unternehmer und damit selbständig zu werden?

Die Fähigkeit unternehmerisch zu denken habe ich bereits als Kind zu Hause in Warschau gelernt. Meine Eltern haben mir nie Taschengeld gegeben, aber ich hatte schon sehr früh die Möglichkeit, Geld zu verdienen. Schon während meiner Schulzeit wusste ich, wenn ich ein neues Fahrrad haben möchte, dann muss ich es mir erarbeiten. Ich musste vorausschauend denken: Was muss ich machen und wie viel davon, damit ich mir etwas leisten kann? So war ich als Kind bereits sehr früh unabhängig und musste nicht darauf hoffen, dass ich zu Weihnachten ein Fahrrad bekomme.

Dieses Denken kam mir dann, als ich in einer Handelsschule in Wien gelandet bin, natürlich zu Gute. Vorerst war es nicht leicht: Als 16-Jähriger wurde ich aus meiner  gewohnten Umgebung rausgerissen, konnte die Sprache nicht und hatte meine Freunde und sozialen Bindungen in Warschau. Und es gab kein Facebook, Whatsapp oder Sonstiges, sprich die Kommunikation war auch relativ schwer. Mit 18 habe ich begonnen als Softwareentwickler zu arbeiten und habe die ersten 2 Jahre meiner Laufbahn als angestellter Programmierer verbracht. Nach 2 Jahren kam der Entschluss: „Ich möchte das auf eigene Rechnung machen“ 1997 habe ich als selbstständiger IT-Dienstleister begonnen, Firmenkunden zu betreuen. Ich machte alles von Betreuung, Wartung, Installation von Computernetzwerke einrichten, Webdesign, HTML-Programmieren und Vieles mehr. Bald wurde daraus das Unternehmen DiTech. Das Ganze ist gewachsen und gewachsen, es lief alles sehr gut.

Schnell haben wir gelernt, die PR als wirksames Marketingwerkzeug zu verwenden. Mit klassischer Werbung konnte ich vom Budget her gar nicht mit der Konkurrenz mithalten.

Wir haben versucht, die Geschichte von DiTech zu erzählen und die Menschen persönlich zu erreichen. Ich gab dem Unternehmen zusammen mit meiner Frau ein Gesicht. Das hat ganz gut funktioniert, wir haben damit den Bekanntheitsgrad des Unternehmens in einer relativ kurzen Zeit gut steigern können. Ehe ich mich versah, landete ich als Unternehmensführer im Rampenlicht.

Ihr wurdet bald zum beliebtesten Technikunternehmen Österreichs gewählt.

Ja, wir haben dann alles gewonnen was es zu gewinnen gab, vom Unternehmen des Jahres zum Österreicher des Jahres (mit polnischem Pass), zum beliebtesten Elektronikhändler, zum größten Onlineshop Österreichs und so weiter. Weiters war natürlich die Rolle der „Mustermigranten“ wichtig. Es war so ein wenig die American Story made in Austria: Zwei Jugendliche kommen aus dem Ausland, gründen eine Firma, schaffen 350 Arbeitsplätze. Dementsprechend war natürlich die mediale Aufmerksamkeit sehr intensiv, du bist halt im Rampenlicht.

Wie war dieser Wandel für dich persönlich? Wenn man es methaphorisch mit der Taschengeldgeschichte aus deiner Kindheit vergleicht: Du hast dann viel gearbeitet und viel Taschengeld dafür bekommen, und zusätzlich auch Aufmerksamkeit.

Ja, wobei das mit dem Geld… So viel haben wir nicht verdient. Das Unternehmen war im Aufbau, wir mussten viel investieren. Und auch wenn es letzten Endes ein Riesen-Handelsunternehmen war, die Margen im Handel erlauben dir keine großartigen Gehälter. Natürlich haben wir gut gelebt und verdient. Die Gewinne sind jedoch im Unternehmen verblieben und wurden investiert. Somit war Wachstum möglich. Und ein Großteil des Geldes, das wir verdient haben war wiederum bei den Banken als Sicherheiten für Firmenkredite angelegt. Zum Zeitpunkt der Insolvenz war dann schlussendlich alles, was wir die letzten zehn Jahre verdient hatten wieder weg.

Dann stehst du ohne Reserven da, zusätzlich noch mit Schulden, in meinem Fall waren es 200.000 Euro an Haftungen für die Firma die ich gegenüber den Banken als Privatperson übernommen habe. Diese Haftungen sind dann natürlich auch schlagend geworden, das heißt diese musste ich innerhalb von zwei Jahren noch zurückführen. Was eine „leichte“ zusätzliche Belastung war.

[infobox maintitle=“Meine besten Fehler“ subtitle=“Wie es zur Insolvenz kommen konnte, beschreibt Damian in seinem Buch“ bg=“yellow“ color=“black“ opacity=“off“ space=“30″ link=“http://www.amazon.de/MEINE-BESTEN-FEHLER-Damian-Izdebski/dp/3901392556/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1455571228&sr=1-1&keywords=meine+besten+fehler“]
Du schreibst in deinem Buch selbst, dass du keinen Fehler gemacht hast, im Sinne von Unehrlichkeit. Du hast niemanden hintergangen.

Ich habe schon Fehler gemacht, sonst wäre ich nicht in diese Situation gekommen. Aber ja, ich habe niemand betrogen oder bestohlen oder dergleichen. In dem Sinne kann ich mir nur vorwerfen, dass ich früher einen Investor an Board hätte holen sollen.

Aber wenn alles gut läuft, denkst du an solche Sachen nicht. Ich war von dem Erfolg und der ganzen Aufmerksamkeit so geblendet, dass ich gedacht hatte, dass das immer so gehen wird. Das war leider falsch. Die Konsequenz war eben die Entwicklung 2013/2014 die zur Insolvenz geführt hat. Und dann kommt natürlich die mediale Bekanntheit wie ein Bumerang auf dich zurück und haut dir voll auf die Nase.

Irgendwann kommt der ernüchternde Zeitpunkt, an dem du merkst: Das kannst du nicht mehr drehen. Es gibt so viele Faktoren, die hier zusammen kommen. Eigentlich ist alles gut: Du hast ein gutes Produkt, gute Kunden, die dich mögen und auf dein Konzept stehen. Wollen etwas kaufen, bestellen, du kannst es aber nicht liefern, weil du die Ware nicht bekommst. Und da entsteht schon ein Moment der Hilflosigkeit, wo du plötzlich merkst, die  letzten 15 Jahre deiner Arbeit gehen den Bach runter und du weißt, es wird eine Crashlandung geben, du weißt nur noch nicht ob diese in zwei Wochen passieren wird oder in vier.

Als Eigentümer bist du der erste der davon weiß, und das Unternehmen wirkt nach außen hin noch erfolgreich, eine schwierige Situation oder?

Ja natürlich, deshalb kämpfst du auch bis zur letzten Sekunde. Es ist uns dann gelungen, eine zusätzliche Finanzierung über die Banken aufzustellen, dazu mussten wir allerdings noch einmal den Rest unserer finanziellen Reserven in eine Kapitalerhöhung reinstecken. Dann hatte ich rund 40 Gespräche mit Investoren aus halb Europa, jeden Tag war ich irgendwo unterwegs, stets drangsaliert hochmotiviert zu wirken um den Investoren zu erzählen, dass alles super wird und ihnen zu erklären, warum sie investieren sollten. Was mit der Zeit natürlich auch sehr schwer fällt. Die letzten Wochen davor waren dann die reinste Achterbahn: Wir hatten mit einem Investor einen Vorvertrag, hatten uns geeinigt. Ich war wieder happy, dachte es wir alles gut. Und zwei Tage später kam die Absage. Da hängst du wieder in der Luft und hast nichts, bis einige Tage später wieder jemand einsteigen möchte. Die Hoffnung stieg immer wieder, aber bis zum Ende hin kamen nur Absagen, und der finanzielle Druck wurde immer gewaltiger. Da kannst du dir nicht aussuchen, ob du etwas heute machst oder morgen. Alles muss immer ganz schnell und sofort passieren. Irgendwann kommt dann natürlich der unvermeidliche Tag, an dem du den schweren Weg zum Handelsgericht antrittst und die Insolvenz anmeldest. Das war zwei Tage nach dem 15. Geburtstag der Firma. Zu diesem Zeitpunkt hat man keine Zeit über irgendetwas nachzudenken, du bekommst einen Verwalter zugeteilt, musst mit diesem alles absprechen, dann kommen die Investorengespräche hinzu, die weiterlaufen, die Investitionen, die du versuchst, irgendwo aufzutreiben.

Wie viele Stunden hast du zu der Zeit jede Nacht geschlafen?

Wenig. Ich kann mich erinnern an eine Zeit, zirka 2 Wochen vor der Insolvenz, als ich einen offenen Brief an die Medien, an die Kunden und an Lieferanten geschickt habe. (Den findet man auch im Internet). Ich habe geschrieben, dass eben Fehler passiert sind, das wir die Finanzierung nicht in dem Ausmaß wie es notwendig wäre aufrecht erhalten können, und dass eine Insolvenzanmeldung bevorsteht. Damit war alles öffentlich. Lustigerweise war das auch die erste Nacht, in der ich wieder schlafen konnte. Da weißt du dann, dass es alle wissen. Dann kamen Momente wie jener, wo meine zwölfjährige Tochter zu mir kam und meinte: „Papa du kannst mein Ipad und mein Fahrrad verkaufen, vielleicht können wir die Firma retten.“ Da merkte ich, dass auch sie sich in ihrer eigenen Weise damit auseinandersetzt und versucht ihren Beitrag zu leisten.

Die Mehrheit unterschätzt, dass sie eigentlich nur deshalb Jobs hat, weil sich irgendwann jemand getraut hat, das Unternehmen zu gründen, in dem sie arbeiten.

Wie bist du mit der neuen Situation umgegangen?

Mit der Insolvenz begann natürlich eine große Umstellung in meinem Leben: Das Unternehmen war 15 Jahre am Markt und hat somit mein Leben für diese Zeit geprägt. Alles ist weg, du bist finanziell ruiniert, dein Unternehmen ist weg, dann kommt natürlich der dem Werdegang entsprechende Shitstorm, der in unserem Fall ziemlich heftig ausfiel. Die Medien haben uns fair behandelt. Da war nichts, wo ich sagen könnte, das wäre übertrieben gewesen. Natürlich sind die Bad News die, die gerne gedruckt werden.  Du liest über Wochen Negativschlagzeilen über dich. Dort, wo Information fehlt, wird sie erfunden, damit die Story vollständig ist. Das tut natürlich weh, weil du weißt, dass Manches nicht stimmt, du kannst aber nichts dagegen tun. Das Schlimmste ist dann aber das Thema, dass du von vielen als Freiwild gesehen. In anonymen Zeitungsforen stürzen sich die Leute auf dich. Das Traurige ist, dass dies dann Menschen sind, die nur einen Bruchteil an Information und wenig Ahnung von der Materie haben, dann aber beginnen deine Finanzen zu analysieren. Das sind eben Menschen die von Neid und Missgunst getrieben sind und sich jetzt irgendwie bestätigt fühlen, weil du gescheitert bist. Ich finde es schlecht, dass man das Thema Unternehmertum und Selbstständigkeit in der Gesellschaft nicht wertschätzt. Grundsätzlich werden die Unternehmer- und da spreche ich nicht nur von Österreich, sondern auch von Polen und Deutschland, vor allem außerhalb der Ballungszentren- mit einer gewissen Unehrlichkeit behaftet.  Wenn man erfolgreich ist, wird, man zum Verbrecher erklärt, der sich seinen Erfolg erschwindelt hat. Die Mehrheit unterschätzt, dass sie eigentlich nur deshalb Jobs hat, weil sich irgendwann jemand getraut hat, das Unternehmen zu gründen, in dem sie arbeiten.

Wie hat dein geschäftlicher Umkreis auf die Situation reagiert?

In meinem Fall waren die 15 Jahre schnell vergessen, die Erfolge ebenso. Es zählte nur noch die Insolvenz. Ich habe in meinem Leben über 30.000 Monatsgehälter bezahlt. Ich denke das haben nicht Viele. Wenn einer nur einen Arbeitsplatz schafft, und zusätzlich zu seinem Gehalt noch Gehalt für einen Mitarbeiter verdient, mit seinem Know-How, mit seiner unternehmerischen Leistung und Bereitschaft, Risiko zu tragen, dann verdient er bereits meinen größten Respekt, weil ich weiß, was es bedeutet, ein Unternehmen zu führen. Zu schauen, dass man genug verdient um eben auch für Mitarbeiter die Gehälter bezahlen zu können. Mein Respekt und meine Anerkennung gelten jedem, der zumindest einen Mitarbeiter erhält. Einen weiteren großen Lernaspekt erfuhr ich auf menschlicher Ebene: Natürlich kleben viele an dir, wenn du erfolgreich bist. Du bist beliebt, jeder will an deinem Erfolg partizipieren. Jeder ist stolz dich zu kennen, du wirst zu 1000 Events eingeladen und fotografiert, stehst jeden Tag in der Presse. Und dann nach der Insolvenz rufst du Leute an, von denen du glaubst du kennst sie, mit denen hast du lange zu tun gehabt, die dann plötzlich nicht mehr abheben, wenn sie deinen Namen am Handy sehen. Dann rufst du mit einer unterdrückten Nummer an und plötzlich sind sie erreichbar. Ich habe erlebt, wie Leute die Straßenseite wechselten, als sie mich erblickten. Was ich auch verstehe, denn sie möchten ungern in ein Gespräch verwickelt werden, mit einem, der wochenlang für negative Schlagzeilen sorgt.

Die Leute haben sich bewusst von dir abgewandt?

Ich kann mich noch ganz genau erinnern, als ich auf der Kärntner Straße spaziert  bin und einen vermeintlichen Freund erblickte. Doch als dieser mich sah, drehte er sich um und schaute sich Damenschuhe im Schaufenster an. Ich werfe das den Leuten nicht vor. Ich glaube, dass viele Menschen nicht mit der  Situation umgehen konnten. Diese soziale, kommunikative Kompetenz ist bei vielen nicht ausgeprägt. Was soll man auch in so einem Moment fragen? Wie geht’s dir? Natürlich geht’s mir scheiße, und das wissen die Leute auch. In dieser schwierigen Zeit gab es aber auch Leute, die kompromisslos loyal zu mir waren, und extrem hilfsbereit. Leute, von denen ich das nie erwartet hätte. Das tat richtig gut.

Das beste Rezept in solch einer Zeit ist, eine Aufgabe zu haben. Ich hatte aber nichts zu tun.

Du bist dann nach Amerika gegangen, weil du der Situation in Österreich entfliehen wolltest?

Es ist dann einfach so viel an negativer Emotion zusammengekommen, die an einen herangetragen wird. Der Mensch ist eh schon so gebaut, dass man eine Art emotionale Firewall entwickelt. Du kannst nicht den ganzen Scheiß zu dir durchdringen lassen. Du lernst das zu filtern und stumpfst ein wenig ab.

Es kommen da zwei Faktoren zusammen: Zum einen lebst du als Unternehmer von den kleinen Erfolgen. Mich haben eben diese täglich angetrieben. Ein neuer Kunde, ein abgeschlossenes Projekt und dergleichen. Und diese Erfolge sind natürlich über Monate vor der Insolvenz ausgeblieben. Du wirst nur mit Misserfolgen konfrontiert, es entgleitet jeden Tag irgendwo etwas. Das heißt meine wichtigste Energiequelle ist über Monate ausgeblieben und dann trocknete ich langsam aus und hatte keine Kraft mehr. Da kannst du so hart sein wie du willst, irgendwann geht es dir persönlich auch nahe. Was noch dazu kommt ist, dass du sehr viel Zeit hast. Das ist nicht gut, denn dadurch hast du Gelegenheit, nachzudenken. Es fehlt die berufliche Ablenkung. Das beste Rezept in solch einer Zeit ist, eine Aufgabe zu haben. Ich hatte aber nichts zu tun. Zuvor aber war mein Leben vorausgeplant im 15 Minuten Takt. Meine Assistentin hat praktisch den ganzen Tag damit verbracht, Telefonkonferenzen, Meetings, Flüge und dergleichen abzustimmen. Mein Kalender war für Wochen ausgebucht – von in der Früh bis spät abends.

Dieses Leben hast du genossen?

Naja, ich habe es eben nicht anders gekannt. Ich hätte es nicht gemacht, wenn es keinen Spaß gemacht hätte. Du checkst dein Handy alle fünf Minuten, keine Mail, kein Schwein ruft an. Du denkst dir in der Früh, wozu soll ich aufstehen, es interessiert eh keinen. Das war der psychische Tiefpunkt bei mir, an dem ich mir eingestehen musste ich halte es nicht mehr aus. Dann bin ich nach Kalifornien geflogen. Ich war vorher noch nie an der Westküste. One-Way nach L.A., keine Ahnung wann ich wieder zurück kommen würde. Ich habe gehofft, dort eine konstruktive Umgebung vorzufinden. Ich habe mir über meine Geschäftskontakte zwei Termine in L.A. ausgemacht. Mein erstes Treffen war mit einem höchst erfolgreichen Unternehmer arrangiert, der über 800 Angestellte beschäftigte. Nach 20 Minuten – unser Meeting war für eine Stunde angesetzt – holte er seine Sekretärin herein und sagte ihr, sie möge bitte die nächsten zwei Termine absagen, es wird länger dauern. Ich wusste nicht wie mir geschieht, als der Mann zu mir sagte: „Ich will von dir lernen!“ Was willst du von mir lernen? Du hast ein hoch erfolgreiches Unternehmen, das zehnmal so viel Gewinn macht wie meines je gemacht hat. Und du hast dreimal so viele Angestellte. Doch der Typ wollte alles wissen. Er wollte das Gesamtpaket kennenlernen: Von der Gründung, dem Aufbau, dem Erfolg. Wie ist es uns gelungen auf einem kleinen Wuzzi-Wuzzi-Markt in Österreich eine Milliarde Umsatz zu machen, kumuliert über die Jahre. Wir waren die E-Commerce Pioniere in Österreich.

Wie bist du zu den ganzen Kontakten gekommen?

Nach diesem Gespräch hat man mich einfach durchgereicht und weitervermittelt. Ich hatte innerhalb dieser 2 Monate in Amerika 120 Termine, ohne einen einzigen davon selbst geplant zu haben. Jeden Tag hatte ich 3-4 Termine bei irgendwelchen Unternehmen. Ich durfte auf der Stanford University einen Vortrag halten. Ich habe alles gesehen: geile Unternehmen und ihre Gründer. Ich wurde jedes Mal herzlich begrüßt und es lief immer gleich ab: Man fragte mich, was ich erreicht habe, was ich gut gemacht habe, aber auch, was meine Fehler waren, was habe ich falsch gemacht habe. Die Amis waren extrem wertschätzend was meine Gesamtleistung anbelangt. Sie haben auch ihre Geschichten erzählt. Ich habe gesehen, dass jeder der erfolgreichen Unternehmen eine Geschichte des Scheiterns hinter sich hatte. Viele Emotionen und Erzählungen  haben sich auch durchaus gedeckt. Doch eines war anders: Dass die dort sofort nach dem Misserfolg aufgestanden sind und wieder weitergemacht haben, und auch die Unterstützung der Umgebung bekommen haben. Wenn du etwas machst, was vor dir noch keiner gemacht hat, ist die Wahrscheinlichkeit zu Scheitern eine größere.

Ich bin nicht stolz darauf, was da passiert ist.

Was waren die meistgestellte Frage an dich?

Die ersten Fragen an mich waren immer: „Hast du schon ein neues Unternehmen gegründet? Wann gründest du? Was machst du jetzt?“ Für die Amis war selbstverständlich, dass da gleich wieder eine neue Idee, ein neues Projekt kommt.  Die wissen, dass man ja nicht so dumm ist, die gleichen Fehler zweimal zu begehen. Steh auf und gib wieder Gas. Das Liegenbleiben ist keine Option. Und das sehen natürlich auch die Investoren so. Natürlich bin ich mit meiner Vergangenheit bei den Banken unten durch. Was ich auch verstehe. Die Banken haben leider viel Geld verloren, was mir persönlich auch sehr leid tut. Ich bin nicht stolz darauf, was da passiert ist. Die Wertschätzung, die ich drüben erfahren habe, hat mir Mut gegeben, hier wieder etwas aufzubauen. Und dementsprechend selbstsicher bin ich wieder zurückgekommen. Noch aus Amerika habe ich meinen Steuerberater gebeten, das neue Unternehmen zu gründen. Damit es sozusagen schon da ist, wenn ich zurück komme. Ich wusste noch nicht, was ich mit der Firma machen werde, aber ich wusste wie die Firma heißen wird. Ich habe meine letzten Geldreserven und die von Familie und Freunden zusammengekratzt, um das Ding gründen zu können. Dann habe ich auch das Buch geschrieben, und mir gesagt: Eigentlich ist dieses Wissen sehr wertvoll. Ich habe in Summe eine Million Euro versenkt und meine Firma verloren. Für den Preis war das auf jeden Fall ein gutes Seminar. Der Titel des Buches „Meine besten Fehler“ bedeutet nicht, dass ich auf  diese Fehler besonders stolz bin, sondern dass ich von diesen Fehlern am besten lernen konnte. Somit können auch andere ihren Horizont erweitern und auch sehen, ob sie von meinen Fehlern lernen können.

Und jetzt geht es wieder bergauf?

Jetzt bin ich da, und versuche eine Unternehmensgruppe aufzubauen, die den Bereich der IT Services oder Technologie Dienstleistungen im Gesamten ja hoffentlich ein wenig verändern wird. Lustig ist: Nachdem es um die techbold, um das neue Unternehmen ein wenig lauter geworden ist, auch nach dem erfolgreichen Verkauf meines Buchs, sind plötzlich wieder diese Pseudo-Freunde zurückgekommen. Die rufen dich dann an und sagen: „Damian, ich wusste es eh schon immer, du schaffst das, du bist ein Kämpfer und ich habe immer schon an dich geglaubt!“ und den ganzen Bullshit. „Ich wollte dich nicht anrufen, ich war mir sicher du hast viel zu tun.“ Sicher, als arbeitsloser Unternehmer hast du viel zu tun!

Hast du deine Sichtweise auf das Scheitern verändert? Was bedeutet Scheitern jetzt für dich?

Es war mir schon immer bewusst, dass das was wir machen eine Gratwanderung ist. Ein schnell wachsendes Handelsunternehmen dieser Branche war schon immer ein Risiko. Ich bin Realist genug, um das zu wissen. Im Hintergrund war immer die Angst da, dass das in die Hose gehen kann. Ich habe mittlerweile Investoren gefunden, die an mich glauben. Wir haben das Unternehmen mit ausreichend Kapital ausgestattet, damit es nachhaltig und stabil wachsen kann. Ich denke, das was hilft ist, zu wissen, welche Leute zu dir stehen und welche nicht. Man hat nur ein paar wirkliche Freunde. Es gibt in unserem Leben eben viele dieser funktionellen Freundschaften. Das heißt du hast dann viele Freunde von deiner Funktion und deinem Beruf. Und nicht von deiner Person. Und das war natürlich auch bei uns relativ ausgeprägt.

Ich würde mir wünschen, dass sich viel mehr junge Menschen trauen den Weg der Selbstständigkeit zu gehen.

Es ist jetzt mehr als ein Jahr um seit der Insolvenz. Wie geht es weiter?

Ich bin grundsätzlich jemand der nach vorne schaut. Was bringt es jetzt noch über das Vergangene zu weinen. Ich würde mir wünschen, dass sich viel mehr junge Menschen trauen den Weg der Selbstständigkeit zu gehen. Wenn man sich heute dafür entscheidet, bekommt man eher negatives Feedback von der Familie und Freunden. Wenn jemand nach dem Studium sagt: „Jetzt gründe ich eine Firma“, dann wird das so gesehen, als ob sie keine „bessere“ Option hätten. Die Selbstständigkeit gilt als letzter Ausweg. Und dann hört man: „Naja, du hast doch eine super Ausbildung, willst du nicht zu einer großen Firma? Da bekommst du sicher ein Firmenauto nach zwei Jahren und machst eine super Karriere, hast ein sicheres Gehalt, usw.“

Es werden nicht die großen Unternehmen sein, die die Jobs in Europa schaffen. Es sind die Jungunternehmer, es sind die Start-ups, welche neue Wege gehen. Es sind die, die Kraft haben, Jobs zu kreieren, und das sind die wahren Helden.

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