Der 55-jährige Roman Somogyi ist mit seinem Color Store in der Burggasse 98, im siebten Wiener Gemeindebezirk, ein bekanntes Gesicht unter Straßenkünstlern und erfüllt sowohl mit seiner Auswahl an Produkten als auch durch seine persönliche Beratung die Wünsche seiner Kunden. Er hat uns von seiner persönlichen Verbindung zu Graffiti erzählt und sich zu Überschneidungen verschiedener Stile geäußert. Seit der Eröffnung seines Geschäfts vor fast 30 Jahren hat sich vieles verändert und er hat uns durch seine Erzählungen interessante Einblicke in das Thema gegeben.
Roman, was genau machst du?
Ich bin Industriekaufmann und verkaufe hier in meinem Geschäft Farbe im Einzelhandel. Angefangen hat alles als ich 1987 ein altes Geschäft übernommen habe, das seit 1880 im 15. Bezirk bestanden hat. Als sie es schließen wollten habe ich es kurzer Hand übernommen. In die Burggasse bin ich vor etwa zehn Jahren übersiedelt.
Das heißt du hast dich nicht geplant selbstständig gemacht?
Genau, in einem Anfall geistiger Umnachtung habe ich das Geschäft einfach übernommen mit meinen 27 Jahren. In dem Alter ist man wohl noch manchmal seltsam drauf und wenn man die Möglichkeit dazu hat sagt man einfach mal Ja (lacht). Damals war die Situation mit den Preismargen noch ganz anders und die Aufnahme von Krediten für junge Leute auch. Zwar waren die Zinsen nicht besonders niedrig, aber schlussendlich hat man den Kredit dann bekommen. Sogar ich als junger Mann, der außer einem Paar Schuhen nicht viel vorzuweisen hatte (lacht). Ich habe aber damals auch nie gedacht, dass ich fast 30 Jahre später immer noch hier stehen würde. Ich dachte ich mache das Mal für ein Jahr oder zwei und kann dann sagen, dass ich mal selbstständig war und mein eigenes Geschäft hatte. Das macht sich bestimmt gut im Lebenslauf in Südafrika, Amerika, Norwegen oder sonst wo, wo es mich hingezogen hätte. So kam es dann aber nicht. Aber so wie es jetzt ist, ist es wahrscheinlich sogar besser.
Kommen wir zu deinen Kunden, sind das durchwegs Straßenkünstler? Wer kommt hier aller vorbei?
Es kommen immer mehr. Ursprünglich war es ja eine traditionelle Farbenhandlung bzw. ganz früher der Teil einer Fabrik im 15. Bezirk. Es bestand einfach die Nachfrage nach Farbe, schon vor über 100 Jahren und so dachte ich, ich investiere auch in Farbe. Aber in einer anderen Form. Zunächst waren es Ölfarben für Künstler, die wurden aber auch immer weniger nachgefragt. So bin ich dann im Laufe der Jahrzehnte dazu gekommen andere Farben anzubieten. Mit Airbrush hat es angefangen und vor etwa 20 Jahren sind dann Sprühdosen daraus geworden. Mittlerweile reicht mein Sortiment von Wandfarbe bis zu Markern.
Sowohl außerhalb als auch innerhalb deines Geschäftes ist Graffiti zu finden, hast du die Bilder gemalt?
Nein, das sind alles Geschenke von Kunden. Das sind einfach Freunde von mir. Es gibt wenig Kunden mit denen ich nicht befreundet bin und umgekehrt. So war das schon immer. Anfangs waren das junge Leute, die zu mir gekommen sind und meinten „Hey, kannst du mir nicht diese Airbrush-Pistolen aus Japan besorgen?“. Zehn Jahre später waren es dann Sprühdosen aus Spanien. Und vor der EU und dem Euro war es auch noch sehr aufwendig, bestimmte Waren innerhalb von Europa zu bekommen. Heute ist das viel einfacher und mittlerweile kann jeder Spraydosen verkaufen, zum Beispiel auch in Bekleidungsgeschäften. Aber diese Entwicklung finde ich nicht unbedingt schlecht.
Airbursh-Maler hätten nie einen Pinsel angegriffen und Leute, die Graffiti machen nie einen Marker oder Schablonen.
Welche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede siehst du zwischen traditionellen Formen von Kunst und Kunst auf der Straße?
Das vermischt sich immer mehr, würde ich sagen. Ich habe seit kurzem erst einen neuen Kunden, der malt sehr plakativ und macht Street Art im Sinn von Urals. Er hatte aber seit 30 Jahren keine Sprühdose mehr in der Hand. Er dachte, die wären heute immer noch so schlecht wie die Dupli-Dosen von damals. Doch ich konnte ihn mit einem Drücken auf eine Spraydose von der heutigen Zeit, in diesem Fall Molotov, davon überzeugen sein nächstes Projekt mit diesen Farben und Techniken umzusetzen. Er ist total begeistert und das im Alter von ca. 75 Jahren. Ich denke beide Formen der Kunst ergänzen sich. Dieses entweder-oder gibt es zum Glück nicht mehr. Früher, vor 20 Jahren, gab es das. Airbursh-Maler hätten nie einen Pinsel angegriffen und Leute, die Graffiti machen nie einen Marker oder Schablonen. Da war ein Sprayer ein Sprayer und die haben andere Formen von Malen höchstens belächelt. Heute ist das Ganze vielfältiger und interessanter geworden.
Nachdem du dich schon lange mit Graffiti und Street Art befasst und Vieles gesehen hast, wie wichtig findest du Originalität?
Originalität ist in allen Bereichen des Lebens wichtig. Wenn jemand ein Graffiti-Gangster sein möchte und Zügen nur mit ein paar Buchstaben bemalt, wird er damit nicht den Effekt bei den Betrachtern auslösen, den er sich wahrscheinlich wünscht. Ich meine das nicht wertend der Kunst oder dem Maler gegenüber. Aber wenn eine Botschaft dahinter steckt oder ein auffälliges und kreatives Bild, wird man damit eher die Reaktion erreichen, die man anstrebt. Einzigartigkeit ist interessanter, als ein Maler der andere kopiert nur weil es gerade in ist. Das war vor allem bei Banksy der Fall, viele haben versucht seinen Stil zu imitieren und das war langweilig.
Was macht dir an deiner Arbeit am meisten Spaß?
Die vielen verschiedenen Leute, die ich jeden Tag hier kennen lerne. Aber auch über das Wiedersehen von bekannten Gesichtern freue ich mich sehr. Oft kommen Kunden nach 10 oder 20 Jahren und wollen wieder malen, kaufen sich eine Dose und fahren zur Nordbrücke. Das Leben besteht ja nicht für alle nur aus Malen und dann verliert man schon mal die Zeit dafür. Das Leben bewegt sich in unterschiedliche Richtungen, aber trotzdem kommen viele zurück und beginnen wieder zu malen.
Welche Tipps gibst du Kunden, die gerade beginnen wollen Kunst zu machen?
Das Wichtigste ist sich nicht zu fürchten, vorm Medium allgemein aber auch vor anderen ungewohnten Situationen. Einfach drauf los malen. Ich muss zugeben, ich bin zwar selbst auch eher ein ängstlicher Maler. Aber jeder hat einen anderen Zugang zum Malen und den muss man für sich entdecken. Ich kenne viel große Straßenkünstler, die es nicht schaffen auf einer weißen Leinwand zu malen. Die brauchen diesen unebenen Hintergrund um darauf ihre Kunst machen zu können. Für mich ist es auch leichter Graffiti auf der Vienna Wall zu machen, wo alles schon voll ist. Man muss manchmal einfach machen, sonst passiert nichts. Aber man kann auch zuhause auf einem Blatt Papier mit verschiedenen Materialien üben. Solange es Spaß macht ist sowieso alles erlaubt und man ist auf dem richtigen Weg. Wer nie kreativ war und nie gemalt hat, wird es vielleicht mit der Sprühdose auch nie sein (lacht). Aber manchmal geht es auch nur um das Feeling.
Was macht für dich einen Helden aus?
Ein Held macht nichts auf die Kosten anderer. Jemand der sich aufspielt und anderen Schaden zufügt, ist weder in meinen noch in seinen eigenen Augen ein Held. Ein Held zieht sein Ding durch, egal ob andere ihn dafür bewundern oder nicht. Er macht es weil er etwas bewirken will und weil er die Welt verbessern möchte. Und eines Tages wird er bestimmt auch dafür bewundert, während er es macht wahrscheinlich nicht (lacht). Oft muss man auch mit Anfeindungen rechnen, wenn man anderen helfen möchte. Wie es auch in letzter Zeit der Fall war. Aber der Tag der Helden wird kommen.
Denkst du, dass du der Held von jemandem bist?
Ja, absolut. Für meine jüngste Tochter bin ich auf jeden Fall ein Superheld, das weiß ich. Es ist viel Verantwortung, wenn einem etwas daran liegt und mir liegt eigentlich an jedem Menschen etwas. So deppert kann der gar nicht sein, dass es anders wäre (lacht). Das macht mich auch irgendwie zum Helden.