Stefan Lesjak ist Volksschullehrer seit 17 Jahren. Er unterrichtet im zweisprachigen Gebiet in Kärnten auf Deutsch und Slowenisch. 10 Jahre lang war er Lehrer auf der Saualm. Derzeit unterrichtet er in Sittersdorf, in einer viersprachigen Volksschule mit 60 Kindern. “Was woanders eine Klasse ist, ist bei uns eine Schule”, sagt der “Tausendsassa” und lacht. Überhaupt lacht Stefan viel und gerne – Humor ist vermutlich die Grundlage, so viele Dinge gleichzeitig machen zu können.
Was machst du alles, Stefan?
Ich bin in vielen Bereichen, Projekten und Vereinen aktiv. Ich engagiere mich gerne. Zum Beispiel organisiere ich Sportveranstaltungen für rund 500 Kinder. Da gibt es einen Fußballcup, einen Schwimmcup mit Duathlon für Kinder und einen Leichtathletik-Cup. Am Land haben Kinder sehr wenige Möglichkeiten Sport auszuüben. Es gibt kaum Vereine.
Ich bin auch noch im Kulturverein als Schriftführer und Sänger aktiv. Genauso wie im Jugendzentrum und im Kindergarten. Ehrenamtliches Engagement bedeutet natürlich viel, viel Arbeit. Jeden Tag gibt es hunderte Fragen und zahlreiche Telefonate. Da Kinder und Jugendliche aber auch viel unternehmen wollen, müssen wir ihnen was bieten. Da übernimmt viel die Pfarre, wo ich auch dabei bin. Für viele ist diese religiöse Schiene aber abschreckend.
Spielt in der Pfarre die Religionszugehörigkeit eine Rolle?
Nein! Da schauen wir gar nicht drauf. Bei uns sind zum Beispiel auch Muslime dabei. Der Glaube ist in diesem Fall nicht relevant. Es soll um die Kinder und Jugendlichen gehen.
Woher nimmst du die Zeit? Das wirkt so, als ob du als Lehrer unterfordert wärst.
Es ist nicht so, dass Lehrer nichts arbeiten wollen. Doch viele Dinge passen nicht in den Unterricht. Deswegen muss dann meine Freizeit herhalten.
Du machst sehr viel – gibt es diesbezüglich auch Kritik an dir?
Naja, viele glauben man will sich wichtig machen. „Warum bist du bei jedem Projekt, bei jedem Verein, jeder Initiative dabei?“, hör ich dann. Für mich ist das eine Grundhaltung. Mir gibt es Kraft, wenn ich sehe, dass ich helfen kann. Angefangen von den Kindergartenkindern bis hin zu den Jugendlichen, über Erwachsene bis hin zu ganz alten Menschen.
War Lehrer dein Traumberuf?
Ja, schon immer. Bei uns zu Hause stand zudem das Helfen immer im Vordergrund. Wenn man es aus Freude macht, passt das schon. Ich arbeite gerne mit Menschen. Mir macht es Spaß mich an neue Situationen anzupassen. Mit 6-Jährigen ist es natürlich anders zu arbeiten als mit Jugendlichen oder Erwachsenen.
Man lernt ein Leben lang.
Was ist deine Motivation hinter all dem?
Mir geht es um die Frage: Wie kann man die Schule und das Lernen verbessern? Der Unterricht sollte modern sein, die Kinder sollten Freude am Lernen haben. Man lernt ein Leben lang! Mit Stress und Druck geht das nicht. Es gibt glücklicherweise schon viele Lehrer, die in diese Richtung gehen.
Was trägst du dazu bei?
Ich starte demnächst eine Tablet-Klasse, ich schreibe für eine Jugendzeitschrift, eine zweisprachige Zeitung. (www.mladirod.at) Auch im Slowenischen Pädagogischen Fachverband kümmern wir uns um Fragen des zweisprachigen Unterrichts, um Lehrmethoden und um neue Unterrichtsmaterialien.
Mladi rod
Slowenische KinderzeitschriftZur Tablet-Klasse: Wie stehst du zu dem Thema Kinder und Technik?
Die Technik ist außerhalb der Schule ja stark präsent. Wir können in der Schule keine Wand aufziehen und in die Steinzeit zurückgehen. Man muss versuchen, das Tablet nicht als Spielgerät zu präsentieren, sondern als Lernmedium.
Du hast auch ein Buch geschrieben?
Stimmt. Für Kindergartenkinder. Es heißt: „Kannst du mir etwas über die Schule erzählen“ Das Buch erzählt über ein kleines Mädchen, das Angst vor dem ersten Schultag hat. Also fragt sie ihre Freunde, die Tiere des Waldes, die um eine Schule herum leben, wie es denn dort so abläuft. Das Buch soll Kindergartenkindern die Angst vor der Schule nehmen und Eltern helfen über das Thema Schulbeginn zu sprechen.
Glaubst du, dass Kinder von Haus aus neugierig sind?
Absolut. Jedes Kind lernt gerne. Einige tun sich leichter, andere schwerer. Die werden dann als schlechte Schüler abgestempelt. Das stimmt nicht! Aber das ist der Punkt, an dem man arbeiten muss: Es geht nicht mehr mit Frontal-Unterricht. Individualisieren, fördern und fordern sollten nicht nur Schlagwörter sein.
Wie hast du Pädagogik in der Ausbildung vermittelt bekommen?
Nicht wirklich. Das ist wie überall, wie beim Führerschein. Man muss in der Praxis lernen.
Wie könnten angehende Lehrer einen Zugang finden?
Oft wird gesagt es gibt zwei gute Gründe Lehrer zu werden: Juli und August (lacht). Ernsthaft: Wir haben damals einen umfangreichen Aufnahmetest gehabt. Bei uns war alles dabei, Sport, Singen…aber nie hat jemand gefragt: Warum willst du Lehrer werden? Mittlerweile gibt es ein Gespräch für jeden Neo-Lehrer. Heute weiß ein Volksschüler weit mehr als noch vor 10-20 Jahren. Jetzt kommen eher soziale-erzieherische Fragen stark in der Schule und im Unterricht vor.
Ich mag meinen Job sehr.
Hast du Angst selbst in eine Routine zu fallen und keine Lust zu haben?
Nein, ich glaube nicht. Ich denke, ich bin nicht Burn-Out gefährdet, weil ich einfach Interesse habe, an dem was ich mache. Ich mag meinen Job sehr. Ich möchte etwas bewirken. Ich habe als Lehrer die Möglichkeit meine Themen zu vermitteln. Ich kann Flüchtlingsthemen erörtern, ich kann Umweltthemen besprechen. Themen, die Kinder sonst vielleicht nicht hören.
Wie gehst du mit Eltern um, die sagen: das möchte ich nicht?
Das A und O ist am Anfang offen zu legen, was ich vorhabe. Ich erkläre es immer im Detail. Bisher war jeder froh, weil es doch Werte sind, die für die Gesellschaft wichtig sind. Widerstände gibt es keine – ich habe Kinder bzw. Eltern von allen politischen Himmelsrichtungen in der Klasse. So nivelliere ich den Unterricht immer an alle Ansprüche ohne mich selber und meine Einstellungen zu verlieren.
Klingt so, als ob du es allen Recht machen musst?
Als Volksschullehrer muss man schon ein bisschen Eier-Legende-Wollmilchsau sein. Deswegen ist es nicht immer einfach. Es ist wichtig, dass die Eltern mit im Boot sind. Heutzutage sollte die Schule über den Dienst nach Vorschrift hinaus gehen.
Was sagst du jenen, die meinen: Was kann ich schon ausrichten, ich habe ja keine Mittel, kein Wissen…?
Ich mag Menschen, die aus ihrer Komfortzone herausgehen. Wenn man nur zu Hause liegt und sich ausruht, kommt man nicht weiter. Natürlich, das ist anstrengend und es ist nicht immer lustig. Ich selbst habe auch Familie mit 2 Kindern, die viel Zeit und Aufmerksamkeit brauchen.
Wenn jeder einen Schritt macht, macht er bereits genug. Natürlich: die Life-Work-Balance ist eine Utopie. Wenn ehrenamtliche Engagements hinzukommen, wird das nicht einfacher.
Man muss sich einfach trauen.
Was, wenn jemand gar nichts machen will?
Ich verurteile niemanden. Das ist legitim. Aber dann soll man nicht jammern, dass nichts weitergeht, dass niemand was macht und nichts los ist. Aber abgesehen davon: Man muss sich einfach trauen. Man macht sich zu viele Sorgen im Vorhinein. Aber wenn man immer so denkt, macht man gar nichts. Bleib realistisch und mach einfach einen Schritt nach dem anderen, um nicht stehen zu bleiben.
Siehst du dich selbst als Held?
Eigentlich nicht. Ich versuche einfach nur zu gestalten, zu machen, zu helfen und ein positives, erlebnisreiches und geglücktes Leben zu führen.