Problematik Menschenhandel

Didi Sutter kämpft mit ihrer Bewegung “Freethem” gegen Menschenhandel. Ursprünglich in Schweden gegründet findet die Bewegung dank des Mutes der jungen Frau nun auch ihren Weg nach Österreich.

Didi, um was geht es bei „Freethem“ genau und wie bist du darauf gekommen dich für diese Bewegung einzusetzen?

Es geht hauptsächlich um das Thema Menschenhandel und ich habe mich mit dem Thema die letzten Jahre stark auseinandergesetzt. Da ich viel im Ausland unterwegs und mit verschiedenen Organisationen in Kontakt war, hatte ich die Möglichkeit viele Einblicke in die Thematik zu bekommen. Ab einem gewissen Punkt habe ich dann für mich beschlossen, mehr zu tun, als mich nur zu informieren.

Besonders junge Leute haben einen Tatendrang.

Das Thema wurde für dich zu einer persönlichen Sache?

Für mich hat sich die Problematik Menschenhandel zur Herzensangelegenheit entwickelt, derer ich mich annehmen wollte. So habe ich beschlossen, mich in Österreich umzusehen, um herauszufinden, was es schon alles gibt. Ich wollte das Rad nicht neu erfinden. Was ich dabei entdeckte war, dass besonders junge Leute einen großen Tatendrang haben, etwas Positives zu bewirken, aber ihnen oftmals die Möglichkeiten fehlen. Sie wissen nicht, was sie konkret tun können, außer Geld zu spenden. Schließlich lernte ich ich eine Organisation aus Schweden kennen.

Foto: Markus Neubauer

Foto: Markus Neubauer

Du sprichst von Freethem?

Genau, ich lernte die Leiterin kennen und sie war es, die dann auf mich zu kam und meinte, ob ich mir denn nicht vorstellen könnte, einen Teil der Organisation für Österreich zu übernehmen. Die Vision hinter „Freethem“ ist es, das Movement über Europa auszubreiten. Es kamen dann ziemlich schnell weitere motivierte Personen hinzu und wir haben bereits angefangen Ideen zu sammeln und auszuarbeiten. Genau vor einer Woche hatten wir unseren Kick-Off und wir hoffen natürlich, dass sich etwas Großes daraus entwickelt.

Mein Wunsch dahinter ist, dass das Projekt nicht nur so vor sich hin plätschert, sondern dass es möglichst breiten Anklang in Österreich findet. Die Angelegenheit soll wirklich zum „Thema“ werden und einen Platz in der Öffentlichkeit bekommen.

Wie viele Personen sind bis jetzt in Österreich dabei?

Das Leitungsteam besteht aus drei Personen. Eine davon bin ich. Außerdem sind noch Marlies und Veronika dabei. Marlies studierte Medizin und ist derzeit viel in ihrer Funktion als Assistenzärztin eingespannt. Veronika ist junge Mutter von zwei Kindern. Trotzdem machen die beiden so viel wie möglich und bringen sich ein wo sie können. Im weiteren Team haben wir ca. 20 Personen, die uns jetzt besonders mit dem Kick-Off geholfen haben. Zusätzlich sind wir dabei Freethem-Gruppen zu bilden, die alle möglichen Formen annehmen können. So können zum Beispiel Musiker mit ihrer Band ein Lied zum Thema Menschenhandel schreiben, oder eine Gruppe von Schülern machen ein Schulprojekt zu dem Thema. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es ist vor allem etwas für junge Leute, die sich gerne einbringen würden. Bis jetzt gibt es ca. 3 dieser Gruppen, aber es sind noch weitere am Entstehen. In Schweden gibt es jetzt ca. 1500 Mitglieder, die sich seit Beginn 2008 angesammelt haben.

Wie habt ihr vor an die Menschen heranzutreten?

Zuerst einmal ist es wichtig für uns zu zeigen, dass wir nichts verteufeln wollen. Ganz im Gegenteil. Wir wollen mit einer positiven Grundhaltung an das Thema herangehen und den Menschen zeigen, dass jeder etwas bewirken kann. Es handelt sich dabei um eine ernste Sache, aber gerade deswegen sollte man den Menschen kein Gefühl von Hilflosigkeit vermitteln, sondern ihnen zeigen, wie sie durch die einfachsten Dinge einen Beitrag zu einer Veränderung in die richtige Richtung leisten können. Wir bieten deswegen Seminare an und machen Schulbesuche, um einen Einblick in unsere Arbeit und Themen wie Menschenhandel, Prostitution und Pornographie zu geben.

Dabei halten wir kurze Präsentationen und zeigen, wie Menschenhandel in Österreich funktioniert und liefern wichtige Daten. Außerdem bieten wir Interessierten an, ein Teil von uns zu werden – in Form einer Freethem-Gruppe, Botschaftern oder Friends. Botschafter sind einzelne Personen, die selbst etwas bewegen wollen und durch unser Netzwerk arbeiten können. Friends sind vielleicht schon ältere Persönlichkeiten oder auch junge Eltern oder Berufstätige, die nicht die Zeit haben, sich aktiv einzubringen, aber in Form von passiver Unterstützung dabei sind. Da ist es schon hilfreich, wenn diese Personen dann zu unseren Events kommen, da es bei uns genau darum geht die Menschen einzubinden. Man gibt so viel wie man geben kann und arbeitet zusammen auf ein Ziel hin.

Freethem Österreich auf Facebook

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Seid ihr auch mit anderen NGOs/ Organisationen vernetzt?

Das ist einer unserer wichtigsten Punkte. Wir wollen uns möglichst stark mit gleichgesinnten Organisationen verbinden. In Österreich ist das etwas schwierig. Es gibt unglaublich viele große Ideen, aber es werden zu selten Verbindungen geknüpft, weil es viele Engagierte bevorzugen alleine auf die Vollendung ihrer Idee hinzuarbeiten. Es wäre toll, wenn wir vor allem auch Männer für uns begeistern und einbinden könnten.

Aus welchem Grund?

Bei unseren Themen geht es natürlich vorrangig um Frauen, aber wir brauchen eben auch engagierte Männer, die ihren Standpunkt haben und vertreten. Es ist immer von Vorteil eine gemischte Gruppe zu haben, um einen besseren Zugang zu Ansprechpartnern zu finden. Wir wollen zeigen, dass die Themen für jedes Geschlecht und jede Person eine Bedeutung haben, nicht nur für einzelne Randgruppen.

Das macht Sinn. Vor allem um nicht gleich im negativen Sinne als Feministinnen abgestempelt zu werden.

Ja, absolut, man wird schnell in diese Schiene gedrängt. Sicher muss man dankbar sein, für alles, was von FeministInnen in der Vergangenheit erreicht wurde.

Feminismus bedeutet nicht, dass man Männer hasst oder sich für die Einführung des Binnen „I“ einsetzt. Das sind nur Oberflächlichkeiten. FeministInnen können weitaus mehr Positives bewirken und es wartet noch viel Arbeit. Gerade wenn es um die Rechte der Frauen und deren Rolle in der Gesellschaft geht.

Foto: Markus Neubauer

Foto: Markus Neubauer

Einige Männer empfinden Feminismus als bedrohlich, weil er oftmals fehlinterpretiert wird.

Ja, das ist leider so. Es wird teilweise zu viel gepuscht und dabei geht der eigentliche Sinn dahinter verloren. Es geht um Gleichberechtigung zwischen beiden Geschlechtern. Gerade deswegen hätten wir auch noch gerne ein paar Männer mit im Team dabei. Es gibt schon einige Männer, die sich gegen Themen wie Menschenhandel stark machen und ein Fragezeichen hinter das Thema Prostitution stellen. Leider fehlt es oft noch an Männern, die eine leitende Position einnehmen wollen. Das hängt mit vielleicht Ängsten zusammen.

Auf welche Veränderungen wollt ihr hinarbeiten?

Es muss ein Umdenken stattfinden, besonders in Deutschland und Österreich. Ein positives Beispiel für eine Veränderung ist Schweden. Das Prostitutionsgesetz hat sich dort die letzten 10 Jahre von Grund auf geändert. Die Gesellschaft wurde dadurch zu einem Umdenken bewegt. Ein Grund für unsere derzeitige Situation ist jedoch, dass einfach nicht darüber geredet wird, Missstände werden toleriert, da ein Thema wie Pornographie bereits im Bewusstsein der Gesellschaft als ein “Grundbedürfnis” fest verankert ist.

Wo liegt der Grund hierfür?

Sucht spielt dabei eine zentrale Rolle. Nur leider ist Pornographie- oder Sexsucht etwas anderes als Alkohol-oder Drogensucht und es gibt nur wenige Anlaufstellen. Es findet auch keine sorgfältige Aufklärung statt, weshalb junge Burschen und auch Mädchen nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen bzw. ob sie überhaupt darüber reden dürfen. Ich glaube auch, dass in diesem Bezug auch wieder viele Ängste mit im Spiel sind.

Du erwähntest vorhin das schwedische Prostitutionsgesetz, was besagt dieses??

Das Gesetz gibt es seit 1999 und wird das schwedische Modell genannt. Dabei werden Freier für den Kauf von Sex bestraft anstatt die Frauen in der Prostitution. Dieses Gesetz macht Sinn, da Prostitution zu einem Großteil unfreiwillig angeboten wird und die Frauen sonst doppelt bestraft werden. Durch dieses Gesetz ist gekaufter Sex in Schweden verpönt und besonders diejenigen, die damit aufgewachsen sind, stehen absolut dahinter. Das sind Menschen in unserem Alter. Am Anfang war man sehr unsicher in Schweden, weil man nicht wusste, wie das Gesetz angenommen werden würde und wie die Bevölkerung damit umgehen würde. Diese Unsicherheit gibt es jetzt nicht mehr.

Es braucht kleine Veränderungen.

Wäre ein solches Gesetz auch in Österreich möglich?

Im Moment wäre es unmöglich. Aber man braucht große Ziele und vielleicht ist es irgendwann mal in Österreich denkbar. In Schweden ist man von einem feministischen Standpunkt ausgegangen und hat bemerkt, dass Frauen nie absolut gleichberechtigt mit Männern sein können, solange Prostitution existiert. Deswegen hat man Schritt für Schritt begonnen auf dieses Gesetz hinzuarbeiten. Es ist aber primär nicht unser Ziel das schwedische Modell sofort nach Österreich zu holen, das wäre zu der Zeit noch viel zu früh. Es braucht kleine Veränderungen und vielleicht wachsen unsere Kinder schon in einer anders denkenden Gesellschaft auf.

Das schwedische Modell befasst sich „nur“ mit Prostitution. Pornographie ist dabei außen vor, richtig?

Genau, Pornographie ist darin nicht enthalten. Pornographie ist insofern eine Herausforderung, weil sie durch das Internet jederzeit verfügbar ist und bereits Kinder aus Neugier immer und überall Zugriff darauf haben. Das Problem dabei ist, dass die Bilder, die durch Pornographie vermittelt werden auf lange Zeit in den Gedächtnissen hängen bleiben und man sie nicht mehr so schnell los wird.

Was sind die Folgen?

Es entwickeln sich dabei falsche Vorstellungen von sexuellen Beziehungen, die sich dann in den ersten sexuellen Erfahrungen verfestigen können. Diese Erfahrungen und Bilder werden zur Normalität besonders auch der Bezug zur Gewalt, bis schließlich die Frage bleibt, was denn normale Sexualität ist. Der Bezug zur Realität geht verloren. Es wäre in der Beziehung auch wichtig, psychologische und ärztliche Meinungen einzuholen um die Gefahren auf zu zeigen. Viele würden eventuell anders mit ihrem Konsum umgehen, wenn sie wüssten, welche Schäden Pornographie in ihrem Denken anrichten kann.

Foto: Markus Neubauer

Foto: Markus Neubauer

Ist es für Projekte wie „Freethem“ möglich, staatliche Unterstützung zu bekommen?

Das ist eher schwierig, weil die Position Österreichs relativ unklar und schwammig ist. Wir haben neun verschiedene Prostitutionsgesetze, die sich jeweils nach Bundesland unterscheiden. Was bei uns zur Zeit gut funktioniert ist die Vernetzung mit anderen Projekten und Persönlichkeiten, die ähnlich eingestellt sind wie wir. Es wäre für uns sehr interessant, in Zukunft mit der Polizei zusammen zu arbeiten. In Deutschland durfte ich zuletzt den Leiter der Polizeistelle aus Stockholm treffen. Er steht absolut hinter dem schwedischen Modell und bei ihnen werden oft spannende Razzien durchgeführt, bei denen Freier festgenommen und inhaftiert werden. Sonst arbeiten wir viel mit Social Media und freuen uns natürlich über jeden geteilten Link und Kommentar.

Österreich soll über das Thema Menschenhandel Bescheid wissen.

Wo wollt ihr heute in einem Jahr sein?

Unser Knackpunkt sind die Freethem Gruppen, dafür würden wir uns am Besten neue und motivierte Mitglieder wünschen. Außerdem wäre es schön, wenn Österreich an und für sich ein Stück aufgeklärter wäre bezüglich Menschenhandel. Wir haben erst kürzlich Interviews zu dem Thema geführt um ein Video zu gestalten. Dabei haben wir Passanten im ersten Bezirk angesprochen und die wenigsten wussten etwas mit dem Begriff anzufangen. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft ändert. Österreich soll über das Thema Menschenhandel Bescheid wissen!

Vielen Dank für das Interview!

    5 Kommentare

    • Doris Neubauer sagt:

      Hallo Heldinnen und Helden,

      ich freu mich, eure Seite entdeckt zu haben – schon vor einiger Zeit, als Doris Rasshofer mit euch den Schreib-Workshop gemacht hat. Ich schreibe nämlich u.a. für den BESTSELLER. Gestern habe ich gesehen, dass Ihr Release-Party hattet: Herzlichen Glückwunsch!

      Ich wollte euch zur Idee gratulieren, finde ich großartig. Einen ähnlichen Gedanken hatte ich auch mit meinem Blog littlemissitchyfeet.com, einem Reiseblog, in dem ich aber besonders Menschen und Projekte vorgestellt habe, die die Welt nicht nur bereisen, sondern auch „verbessern“. Einer dieser Posts war dieser: http://thebirdsnewnest.com/tbnn/helden-der-woche-hannah-ihre-schwestern-die-andersmacher/

      Vielleicht passt er ja auch auf eure Seite – ich update ihn gern für euch. Nachdem ich als freie Journalistin zwar gerade gut ausgelastet, aber immer auf der Suche nach spannenden Projekten zum Mitmachen bin, auch gleich die Frage: Zahlt Ihr etwas Beiträge und benötigt Ihr noch Schreiber?

      Liebe Grüße & alles Gute, Doris

      • Florian Schauer-Bieche sagt:

        Hallo Doris! Sorry, dass ich erst so spät antworte, dass ist im Trubel der vergangenen Tage etwas hintangestanden.
        Zu deinem Beitrag: Sehr, sehr cool. Es wäre spitze, wenn du uns den zur Verfügung stellen kannst. Leider können wir aktuell nichts für Beiträge zahlen, da wir uns komplett selbst finanzieren und alle ehrenamtlich für Helden von heute arbeiten.
        Schreiber benötigen wir aber immer! Du kannst mich auch direkt unter kontaktieren – und vielleicht mal bei einem Team-Treffen vorbeischauen wenn du Lust hast?
        lg
        Florian

    • Sascha Tscherni sagt:

      Toll und wichtig, woran ihr euch ranwagt. Danke.

      So ein Gefühl beim Lesen a la „Verbote können kurzfristig helfen, auf anderen Ebenen muss Thema zusätzlich kommunikativ bearbeitet werden, sonst geht´s nach hinten los“,
      ließ mich auf folgenden Artikel zum schwedischen Prostitutions Gesetz stoßen.

      http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitution-in-schweden-sexkaufverbot/

      Vielleicht interessiert er euch ja. Das Resumee:

      „Dies zeigt, dass die Kriminalisierung von Kunden nur oberflächlich greifen kann und eher Probleme fördert, als sie zu beseitigen. Die schwedische Journalistin und Sozialwissenschaftlerin Petra Östergren verlangt deshalb eine gemeinsame Arbeit von Politik(erInnen) und SexarbeiterInnen“

      Ich glaub, dass Transparenz, das Anhören aller Beteiligten, vor jeder Lösung stehen muss. Das mag gerade hier ein hoher, etwas weltfremder Anspruch sein. Dann wäre es sicher spannend, was einer eurer Helden, der Richard Steiner, dazu sagen würde. Er scheint ja echt einen realistischen Einblick in die Szene zu haben.
      https://helden-von-heute.at/richard-steiner/

      Viel Erfolg euch, Sascha

      • Florian Schauer-Bieche sagt:

        Hallo Sascha! Vielen Dank für deinen Kommentar und die Infos. Ja, dieses Thema ist ein ziemlich schwieriges, weil hier wortwörtlich Welten aufeinanderprallen. Tatsache ist, dass man es weder ignorieren noch verteufeln kann, sondern Lösungswege suchen muss. Der von dir beschriebene Ansatz ist ein interessanter. Wir werden in diesem Zusammenhang sicher noch weitere Interviews bringen. Wenn du hier noch Infos hast, bitte gerne an lg Florian

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