Beatrice Achaleke hat schon in ihren Jugendjahren für Unruhe gesorgt – stets für den guten Zweck! Die Soziologin aus Kamerun setzt sich stark für Anti-Rassismus-Arbeit ein. Auslöser: die Übergriffe österreichischer Polizisten auf Omofuma und Wague. Außerdem hat Beatrice den „Globuntu“-Koffer entwickelt, der Firmen helfen soll toleranter zu werden und mehr Akzeptanz zu entwickeln.
Wo beginnt deine Reise, Beatrice?
Ich bin aus Kamerun, wo ich in einem kleinen Dorf geboren wurde. Kamerun hat zwei Amtssprachen und wurde nach dem 1. Weltkrieg aufgeteilt zwischen Frankreich und England. Ich gehörte der Minderheit der anglophonen Seite an. Dadurch wurde ich zu einer Person, die vieles hinterfragt hat. Ich wollte positive Veränderungen herbeiführen und gehörte schon zu Unizeiten einer studentischen Protestbewegung an, weshalb ich auch von der Uni geworfen wurde. Wir waren eine ganze Bande. Insgesamt wurden 32 Personen rausgeworfen. Wir hatten im Jahr 1990 nur eine Uni in Kamerun und durften danach nicht mehr in Kamerun studieren. Vom Campus sind wir dann in die umliegenden Städte und haben dort unser Programm weiter fortgeführt.
Wie bist du mit dem Verweis von der Uni umgegangen?
Als ich von der Uni verwiesen wurde, begann ich, mich durch verschiedenste Jobs über Wasser zu halten. Sei es als Hostess im Bus oder Versicherungsmaklerin oder Menschenrechtsaktivistin. Im Rahmen einer Frauenrechtsbewegung, für die ich mich ehrenamtlich engagierte, wurde ich 1994 zum ersten Mal nach Europa eingeladen. Ich reiste ins Burgenland nach Stadtschlaining, an die Friedensuni. Dort nahm ich an einem 6-wöchigen Programm für Frauenrechte teil. Alle waren dort bereits fertigstudierte Juristen. Ich war noch Studentin und noch nicht mal mit dem Studium fertig. Das hat zu dem Zeitpunkt viele verwundert. Danach kehrte ich zurück nach Kamerun.
Wie war deine Rückkehr?
Mir wurde schnell bewusst, dass ich weiter studieren wollte. Die Rückkehr hat nicht ganz so funktioniert wie ich es wollte. Ich wurde von meiner Chefin rausgeworfen (lacht). Ich hatte in Österreich viele tolle Leute kennengelernt. Als ich zurückkam war meine Chefin gar nicht angetan von meiner Entwicklung. Ich war sehr gewachsen an meinen Erfahrungen. So wollte ich zurück nach Österreich. Das zog sich aber, da ich auf das 3 monatige Touristenvisum warten musste. Danach lernte ich erst mal Deutsch und versuchte Fuß zu fassen.
In dieser Zeit habe ich vieles angeboten und ausprobiert wie Sprachkurse, Tanzkurse…Die Sprache lernte ich schnell. Man sagte mir aber, dass mein Studium aus Kamerun mir nicht angerechnet werden könne, weshalb ich Soziologie angefangen habe. Da gab es kein Mathe (grinst).
Was waren einschneidende Erlebnisse für dich in Österreich?
Im Jahr 1999 starb Marcus Omofuma in einem Flug von Wien nach Sofia, was bei uns für großes Aufsehen sorgte. Ich erinnere mich noch gut, wie wir auf die Straßen gingen und demonstrierten. Das war damals ein Riesenaufschrei und hat die Bevölkerung gespalten. Für mich war klar, dass es so nicht gehen kann. Omofuma war ein nigerianischer Asylbewerber, der auf seinem Flug zur Abschiebung nach Bulgarien an Erstickung und durch Misshandlung der polizeilichen Begleitung starb.
Fünf Jahre später starb Seibane Wague aus Mauretanien. Er war ein Studienkollege von mir. Es wurde gefilmt wie er von Polizisten auf offener Straße im Stadtpark Wien misshandelt wurde. Die Täter gingen fast straffrei aus ihrer Tat. Das war ein Wendepunkt. Ich war zutiefst geschockt und fragte mich dadurch, ob es sich lohnt, in Österreich zu leben. So bin ich zur Anti-Rassismus-Arbeit gekommen. Seitdem setzte ich mich gegen Rassismus ein, weil man Menschen wegen ihrem Aussehen nicht verurteilen und misshandeln darf.
Gab es noch weitere Motivationen für dein Engagement gegen Rassismus?
Sobald man Mutter wird, überlegt man, ob es auch meinen Kindern mal so gehen könnte. Deswegen fühlte ich mich dazu berufen, etwas dagegen zu tun. Meine beruflichen Wege sind stark von Ereignissen geprägt, die mich auch persönlich berühren.
Dies führte zum Beispiel dazu, dass ich die Schwarze Frauen Community 2003 mitgründete, deren Ziel eine Verbesserung der Integration von schwarzen Frauen in der Bevölkerung war. 2006 folgte dann AFRA (AFRA International Center for Black Women’s Perspectives) und später dann Diversity Leadership, um auf solche Geschehnisse eine passende Antwort zu geben. Ich wollte aufklären und von Rassismus Betroffenen die Möglichkeit zum Austausch bieten.
Was willst du den Menschen mitgeben?
Ich will etwas durch meine authentische Stimme und von meiner Heimat geben. In afrikanischen Ländern waren wir zum Beispiel schon immer divers. In Kamerun haben wir über 215 Völker; genauso viele Sprachen gibt es dort. Klar haben wir unsere Differenzen und Konflikte, aber es war nie so, dass wir uns gegenseitig den Kopf eingeschlagen hätten. Dieses Verständnis möchte ich gerne teilen.
African Palaver: Es geht nicht darum, wer das sagen hat, sondern einen konstruktiven Ansatz zu finden
Wie funktioniert Konfliktlösung in Afrika?
Wir haben in Afrika ein besonderes System zur Problemlösung, bei dem alle von einer Entscheidung Betroffenen zusammenkommen und beratschlagen, wie weiter vorgegangen wird. Wir reden dabei, bis eine Lösung für alle gefunden wurde. Das heißt „African Palaver“. Dabei geht es nicht darum, wer das Sagen hat, sondern darum, einen konstruktiven Ansatz zu finden. Darauf basierend ist eine Philosophie entstanden, die da heißt „Ubuntu“, die simpel erklärt werden kann. „Ich bin, weil wir sind.“ Das bedeutet, dass dieses Interview zum Beispiel nur existieren kann, weil wir zwei ein wechselseitiges Abkommen haben. Kurz gesagt, wenn ich Mist baue, färbt das auf dich ab und umgekehrt.
Glaubst du, dass dieses System auch anderswo Einsatz finden kann?
In Südafrika hat dieses Konzept durch Nelson Mandela zur Versöhnung nach der Apartheid beigetragen. Wenn wir dieses System in das Geschäftsleben übernehmen, wäre eine positive Entwicklung auf der zwischenmenschlichen Ebene möglich. Unternehmen wären dazu in der Lage, in ihrer Firma ein auf Respekt basierendes Miteinander zu kreieren, was wiederum Kunden anziehen würde, die gleichgesinnt sind. Somit würden alle Beteiligten davon profitieren, weil man mit Rücksicht aufeinander agiert.
Wie funktioniert dieses Konzept?
Es basiert auf zwei Säulen: Being Human (Akzeptanz dessen was den Menschen ausmacht) und Interconnectedness (wir sind alle wechselseitig miteinander verbunden). Nur wenn wir diese beiden Säulen berücksichtigen, und im Wissen dessen, dass wir voneinander abhängig sind, miteinander leben, werden wir eine bessere Welt schaffen können. Basierend auf diesem Konzept habe ich den Globuntu-Koffer entwickelt, der für Firmen alle wichtigen Tools enthält, um mit Diversität und interkultureller Vielfalt umzugehen.
Was kann dieser Koffer?
Globuntu ist ein Mindset, das zum interkulturellen Verständnis beiträgt und dazu einlädt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Nelson Mandela hat sein gesamtes Umfeld im Gefängnis ins Positive verändert, weil er nicht aufgegeben hat und sich kontinuierlich in Vergebung und Demut geübt hat. Er war einer derjenigen, die früh verstanden haben, dass Wandel in einem selbst stattfindet. Ein System kann ich nur zum Positiven verändern, wenn ich mich selbst ändere. Das gilt für Menschen in jeder Position. Westliche Firmen sind aber derzeit noch sehr skeptisch gegenüber dem Globuntu-Koffer, weil es etwas Fremdes ist, was es in dieser Form bis jetzt noch nicht gab. Derweil wäre er ein äußerst hilfreiches Tool, insbesondere wegen der Globalisierung.
Wenn wir von Nelson Mandela sprechen: was ist für dich eine wahre Führungsperson?
Eine wahre Führungskraft ist jemand, der gibt und nimmt. Jemand, der seinen Mitarbeitern zuhört, beobachtet und zur richtigen Zeit die korrekten Entscheidungen trifft. Eine Persönlichkeit, die sich nur versucht selbst darzustellen ist für mich als führende Person an der falschen Stelle. Eine Führungsperson beobachtet, analysiert und koordiniert. Sie vernetzt die im Team vorhandenen Kräfte, verbiegt sie aber nicht. Führen bedeutet vorhandenes Potential zu erkennen und zur Entfaltung zu bringen.