Chad O’Carroll reiste 2009 nach Nordkorea. Zurück kam der 31-Jährige mit einer neuen Onlineplattform im Gepäck. Die Website berichtet ausschließlich aus und über das von der Außenwelt abgekapselte Land. Chad ist weltweit wohl eine der am besten informierten Personen, wenn es um den Diktatorenstaat geht. Mit uns hat er über das Phänomen Nordkorea gesprochen, warum westliche Medien ständig ein falsches Bild vermitteln und was es bedeutet ein Onlinemagazin zu betreiben, das sich mit einem autoritären Regime anlegt.
Chad, wie bist du auf die Idee gekommen NKnews.org zu gründen?
Ich bin 2009 nach Nordkorea gereist. Nach meiner Rückkehr habe ich festgestellt, wie festgefahren und spärlich die Meinungen und Infos über das Land im Westen sind. Also habe ich eine Plattform gegründet, mit der ich einen objektiveren Blick biete. Als die Seite online war, verbreitete sie sich wie ein Lauffeuer. Mittlerweile sind wir die führende Onlineplattform, die sich ausschließlich und exklusiv mit dem Land beschäftigt.
Was meinst du mit festgefahrenen und spärlichen Meinungen?
Mein Ziel ist es, Nordkorea aus einem anderen Blickwinkel zu zeigen. Ich möchte ein anderes Bild vermitteln als das, das wir von unseren Medien vorgesetzt bekommen. Das ist eine Herausforderung. An manchen Tagen haben wir Artikel, die dem Regime eher zusprechen, an anderen Tagen haben wir Artikel, die das Regime kritisieren. Ich will einen ungetrübten Blick auf beide Seiten ermöglichen. Wenn du dir die Meldungen bei uns ansiehst, dann gibt es immer nur die gleichen Themen: Politik, Waffen, Hunger, Menschenrechte. Aber da gehen noch andere Dinge ab, in diesem Land, in dem 25 Millionen Menschen leben. Leider berichten nur wenigen Mainstream-Journalisten darüber.
Warum bist du überhaupt nach Nordkorea gereist?
Ich habe 2008 mit meiner Masterthesis über Nordkorea begonnen. Während des Schreibens habe ich mir gedacht, es wäre doch viel besser, wenn ich selbst hinreise, um einen echten Eindruck und mehr Verständnis für die Dinge zu bekommen.
Ein erstaunlich großer Teil der Nordkoreaner lebt ein normales Leben.
Was waren deine ersten Eindrücke vor Ort?
Eigentlich war es so, wie ich es mir erwartet habe. Es ist, als ob du eine Zeitmaschine betrittst und in der Zeit des kalten Krieges aussteigst. Aber wenn du erst einmal Zeit dort verbracht hast, dann merkst du schnell, dass es einen großen Unterschied gibt zu dem, was uns im Westen von den Medien gezeigt wird und, was dort wirklich los ist. Ein erstaunlich großer Teil der Nordkoreaner lebt ein normales Leben. Pjöngjang zum Beispiel, hat eine recht stabile Mittelschicht. Im Vergleich zu den ländlichen Gegenden ist das Leben dort um ein Vielfaches leichter – und natürlich geordnet. Bevor ich nach Nordkorea kam, war ich in China. Gemäß unseren Standards sind beide Länder Entwicklungsländer, die unter großer Armut im ländlichen Bereich leiden. Und dennoch muss ich sagen, dass trotz des autoritären Systems – was Ressourcen betrifft – viel strukturierter und orientierter agiert wird. Natürlich ist diese Ordnung ein Resultat des Regimes, aber dennoch ist es sehr spannend das zu beobachten.
Ist es einfach nach Nordkorea und in Folge innerhalb des Landes zu reisen – als Ausländer?
Ja, es ist möglich – außer du bist Japaner oder kommst aus Süd Korea. Sogar Amerikaner können einreisen, auch wenn es eine ziemliche Herausforderung ist.
Hast du aufgrund deiner Website Probleme bei der Einreise gehabt?
Am Anfang gab es keine Probleme. Als ich das erste Mal dort war, da gab es die Seite noch nicht. In den Jahren danach, als die Plattform größer und bekannter wurde, wurde ich vorsichtiger. Ein Kollege riet mir dazu, nicht meinen richtigen Namen zu verwenden, um keine Probleme zu bekommen. Aber seit die Website so bekannt ist, ist es für mich sehr schwierig geworden hin zu reisen. Das war logisch, darauf habe ich mich eingestellt.
Gab es sonst noch welche Probleme, die du wegen der Plattform bekommen hast?
Ja, ich habe meinen früheren Job verloren. Ich habe für einen Think Tank gearbeitet, der sich auf Süd Korea konzentriert hat. Da wurden die Interessenkonflikte immer größer. Mehr kann ich zu dieser Frage nicht sagen.
Es gibt auf deiner Website eine Kategorie, die heißt “Ask a North Korean” („Frage einen Nordkoreaner“). Wie bist du auf diese Idee gekommen und noch wichtiger: wie ist es möglich, dass Nordkoreaner für dich schreiben?
Ich habe einmal einen Blogger interviewt, der eine ähnliche Kategorie hatte namens “Ask a Korean”. Dabei ging es um Süd Korea. Ich mochte die Idee und habe sie für meine Plattform übernommen. Es funktioniert so: Die User schicken ihre Fragen und wir leiten sie an ehemalige Nordkoreaner weiter, die aus dem Land geflohen sind. Wir sind natürlich vorsichtig und wollen auch nicht, dass die Antworten und Themen zu sehr ins Politische gehen. Dadurch würden die Autoren ihre Familien in Gefahr bringen, die sich noch dort befinden. Wir konzentrieren uns daher auf das tägliche Leben, die Kultur und so weiter. Das sind auch jene Themen, die unsere User interessieren: Sie wollen wissen ob und wie man ausgeht, wie Dates dort aussehen, ob es ein soziales Leben gibt und so weiter.
Du sprichst von Schutz für die Autoren. Hat das Regime die Macht Personen außerhalb des Landes zu verfolgen?
Sie haben die Macht und sie machen davon Gebrauch. Es gibt Berichte von Mordversuchen in Süd Korea und was sowieso gemacht wird: die Familien der Flüchtlinge werden für die Tat zur Verantwortung gezogen. Deswegen ist es logisch, dass unsere Autoren keine Dinge publizieren wollen, die ihnen und ihren Angehörigen Probleme machen.
Was ist eigentlich deine Motivation hinter NKnews.org? Warst du schon immer am Journalismus bzw. am Medienmachen interessiert?
Nein, ich habe zuvor noch nie als Journalist gearbeitet. Aber ich war immer schon an der Medienwelt interessiert. Dabei war es nie mein Plan eine Plattform zu gründen. Ich muss aber klar sagen, dass ich die Plattform nicht aus politischen Zwecken gegründet habe. Auch nicht aus sozialen Gründen. Natürlich sind Veränderungen wünschenswert und zu begrüßen, aber es gibt schon genug Plattformen und Projekte, die sich darum kümmern.
Also siehst du dich als Entrepreneur?
Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, ja. Damals hatte ich einen kleinen Elektronik Shop über den ich Zeugs aus Asien in den Westen verkauft habe. Ich habe damit ordentlich Geld verdient.
Und wenn wir über NKnews.org sprechen, gibt es da einen Plan Geld zu verdienen?
Ich glaube, dass Informationen über Nordkorea vor allem in der Zukunft wichtig sein werden. Dabei geht es um verlässliche Informationen. Gerade wenn sich das Land öffnen wird. Ich habe keine Ahnung, wann das passieren wird, aber wenn es so weit ist, sind wir der Keyplayer unter den Informationslieferanten.