„Ich will, dass dieses Land den Stock aus dem Arsch bekommt“

Der 21-jährige Vösendorfer Marco Poschalko hat sich fest vorgenommen, mit seiner Musik den internationalen Markt von Österreich aus aufzurollen. Der Nachwuchs-Rapper konnte sich bereits bei einer regionalen Version von “The Voice” beweisen. Zur Sicherheit studiert der Umweltschützer parallel an der Universität für Bodenkultur in Wien. Ein Gespräch über die (musikalische) Zukunft Österreichs und die vielen verpassten Chancen, die sich das Land nahezu täglich leistet.

Marco, wenn ich dich schnell frage, wer du bist und was du machst, was antwortest du?

Ich bin Musiker. Ich vermeide das Wort Rapper, weil es als Wiener ein bissl lächerlich klingt.

Warum lächerlich?

Diese Dicke-Eier-Stories aus dem sicheren und biederen Wien, sind doch unglaubwürdig. Ich brauche keine Stories über Goldketten und fette Autos. Mein Chauffeur sind die Wiener Linien und das ist gut so. Jeder soll glücklich sein, mit dem was er hat.

Und dann kommen österreichische Rapper und versuchen als Ghetto-Rapper durchzugehen…

Wie gesagt, Wien ist einfach schön, auch wenn es seine Schattenseiten hat. Ghettos haben wir hier einfach nicht.

Vor allem nicht in Vösendorf.

Naja, vielleicht könnte man gerade Vösendorf noch als größtes Ghetto sehen (lacht).

https://www.youtube.com/watch?v=17-eWviGyCw

Zurück zum Thema: Wie bist du eigentlich mit der Musik in Berührung gekommen?

Ich habe viel Rapmusik gehört und auch in meinem Freundeskreis gab es jemanden, der damit angefangen hat. Da dachte ich mir: na gut, das kann ich auch, das kann ich sogar besser!

Spielst du eigentlich ein Instrument?

Nein leider nicht, ich würde noch gerne Gitarre lernen, das reizt mich. Schon deshalb, weil ich meine Sachen alle gerne selbst mache. Zu Beginn habe ich ja nur getextet, mittlerweile mache ich alle Tracks selbst.

Wie viele Songs produzierst du im Monat?

2 bis 3 Songs.

Das ist viel.

Früher habe ich pro Woche einen neuen Song produziert.

Wow, da kommt ordentlich was zusammen.

Ja, ich hätte eh schon genug für ein Album (lacht). Außerdem habe ich so viele Ideen – und ich will ja nicht immer den gleichen Song spielen.

Woher kommen die Ideen für die Songs?

Ganz verschieden. Ich lasse mich viel von anderen Liedern beeinflussen. Ich achte darauf über Themen zu schreiben, die nicht so breitgetreten sind. Ich will, dass man meine Lieder mit mir identifizieren kann. Ich will den Menschen mit meiner Musik etwas mitgeben. Ich finde es cool, wenn Leute zu mir kommen und sagen: ich kann mich in deiner Musik wiederfinden, ich kann mich damit identifizieren.

Eigentlich ist das Songtext-Schreiben auch etwas Lyrisches. Warst du schon immer ein begeisterter Texter?

Nein, in der Schule hatte ich mit diesen ganzen Schreibaufgaben enorme Probleme. Außerdem schreibe ich immer sehr konkret, und bringe die Sache auf den Punkt. Mir fällt es schwer ganze Metaphern stellvertretend zu verwenden.

Hast du eigentlich einen Plan für deine Musikerkarriere?

Ich bin zu spontan, um einen großen Plan zu haben. Ich mache das Ganze gerade einmal ein Jahr und es passt so. Ich warte mal ab und schaue was passiert. Ich will mich auch nicht verstellen. Viele Musiker versuchen, sich möglichst schnell am Kommerz zu orientieren.

Also willst du nicht berühmt werden?

Wie es kommt, so kommt es. Ich war vor kurzem ja bei einem regionalen Song-Wettbewerb dabei – aber auch nur, weil mich meine Mutter gedrängt hat, dass ich mich anmelden soll (lacht). Aber ja, es hat ganz gut funktioniert. Was wirklich cool war: Meine Songs haben die Jury gleich beim ersten Vorsingen überzeugt. Das hat gut getan. Es war schön zu sehen, dass meine Musik auch in der Masse ankommt. Auch wenn es in der SCS (Shopping City Süd, Anm.) war und die Leute nur beim Shoppen vorbeigegangen sind, es war ein tolles Gefühl.

War das dein erster Live-Auftritt, dein erster Publikumskontakt?

Nein, mein erster Auftritt ist schon länger her. Ich hatte damals mit einem Kollegen eine 2er Formation und obwohl es uns erst zwei Monate gab, durften wir vor einem großen Publikum auftreten. Das war cool, auch wenn wir nur eine Vorband waren und nur 30 Minuten performten. Damals war ich noch so richtig nervös und bin gleich mal zu spät auf die Bühne gekommen.

Wie ist dein weiterer Plan?

Ich produziere einfach mal weiter meine Songs und habe am 18. September meinen nächsten Auftritt im Rahmen der Planet Festival – Tour in der ((szene )) Wien  – wenn es was wird ist das super, wenn nicht, dann nicht. Mich hält meine Leidenschaft fit.

Beschränkst du dich in deiner Musik nur auf Rap, oder kannst du dir vorstellen später auch andere Musik zu machen?

Bei mir ist es prinzipiell ja jetzt schon so, dass ich eher Mainstream bin. Jetzt habe ich auch Gesangsunterricht, das hilft. Es soll ja immerhin Musik sein, die man sich nebenbei anhören kann. Man hört Musik nicht, um zu philosophieren und den Text zu zerstückeln (lacht). Viele vergessen, dass Musik halt einfach nur Entertainment ist.

Du studierst ja nebenbei auch an der Boku. Es gibt vermutlich nicht so viele Rapper, die Umweltmanagement studieren.

Schau, ich finde das so leichtsinnig, wenn viele sagen: ich brech’ jetzt alles ab und lebe von der Musik. Wovon willst du denn leben? Wenn du einen Euro pro verkauftem Track bekommst, was schon viel wäre, und im Jahr 10.000 Stück verkaufst, bist du in Österreich schon top. Und dann rechne dir aus, wie viel da für dich rausspringt. Fürs Leben bleibt da nichts. Umweltmanagement studiere ich, weil es mir darum geht auf dieser Welt etwas zu verändern. Vor allem das Umweltbewusstsein. Aber das muss man aus den Unternehmen heraus verändern und in die kommst du nur rein, wenn du ein helles Köpfchen bist. Sonst wirst du übersehen.

Bist du Umweltschützer?

Naja, ich arbeite nicht bei Greenpeace und stehe nicht mit dem Demo-Schild auf der Straße, aber ich finde, dass man eine Verantwortung gegenüber der Umwelt hat. Unser Planet geht einfach den Bach runter und wir müssen langsam einsehen, dass wir von der Umwelt abhängig sind, und nicht die Umwelt von uns. Wir sollten uns endlich integrieren. Es ist so dumm zu denken, dass der Mensch über allen Dingen steht.

Was kann man da konkret machen?

Eigentlich hilft das ganze Reden ja nichts. Die Leute juckt es einfach nicht. Mir liegt die Umwelt jedenfalls am Herzen. Aber wir leben halt in einer Gesellschaft, in der jeder gegen jeden kämpft. Die Menschen orientieren sich an den falschen Zahlen. Es wird nur noch nach Likes bemessen, und je mehr “Gefällt mir”, desto größer ist scheinbar der Erfolg. Ganz egal wie der Inhalt ist.

Du meinst, dass man nicht mehr mit wenig zufrieden sein darf?

Ganz genau. Mir ist egal ob ich vor 10 Leuten spiele oder vor 300. Die Leute, die gekommen sind, wollen eine Leistung sehen, also muss diese immer gleich sein. Ich kann doch meine Qualität nicht nach der Menge der Menschen richten, die mich hören wollen. Es ist doch auch super, wenn wenige meine Arbeit akzeptieren. Jeder Einzelne ist wichtig. Deshalb: arbeiten und weitermachen! Aber leider fehlt vielen diese Einstellung. Weil sie denken, sie können nichts ändern, machen sie auch nichts. Dieser Verdruss ist schon sehr mühsam. Deshalb ist es so wichtig den Leuten wieder eine Stimme zu geben. Wer soll sie denn sonst hören?

Ist es für dich schwierig deine Motivation aufrecht zu erhalten?

Nein gar nicht. Ich bin immer top motiviert. Ich bin nicht der Mensch, der sich solche Probleme zu Herzen nimmt. Meine Motivation ist die Reaktion der Menschen,  es motiviert mich zu sehen, wie viel man aus sich selbst rausholen kann. Zu beobachten, wie ich mich weiterentwickle, wie ich arbeite und wie meine Musik immer mehr wirklich zu Musik wird (lacht). Das größte Kompliment ist für mich, wenn Leute sagen: bei dir fühlt man, dass es Leidenschaft ist. Und dieser ganze Social Media-Beef  interessiert mich sowieso nicht. Wenn ich ein Problem mit jemandem habe, dann gehe ich zu der Person hin und kläre das persönlich. Man kann es nicht allen Recht machen, also mache ich einfach das, was ich möchte.

Foto: Elena Rachor
Foto: Elena Rachor
Sollte es in Österreich nicht klappen, könntest du dir vorstellen auch ins Ausland zu gehen?

Eigentlich würde ich sehr gerne in Österreich bleiben. Ich will, dass dieses Land den Stock aus dem Arsch bekommt und, dass wir zeigen, dass wir auch was drauf haben. Es gibt so viele coole Talente hier. Ich würde dieses Land so gerne hochbringen, wenn das Land nur mitziehen würde. Was die Musik betrifft ist Österreich das China von Europa. Wir kopieren doch überall, aber nichts funktioniert wirklich.

Wie definierst du Helden?

Ich habe sogar einen Song, der “Helden” heißt. Darin geht es um einen Typen, der ein Top-Manager ist, viel Geld, aber nie Zeit für seine Familie hat. Dann gibt es noch den Typen, der kein Geld hat, für sein Kind aber alles gibt. Für mich ist der ein Held, der für sein Kind da ist. Es geht einfach nicht um die Zahlen. Sobald dir Familie nichts mehr bedeutet, kannst du dich vom Hochaus stürzen. Wenn es dir nur noch ums Geld geht, dann bist du kein Mensch mehr.

Würdest du dich selbst als Held bezeichnen?

Dazu bin ich noch nicht selbstbewusst genug.

Aber mit unserer Definition, wonach jeder ein Held ist, der etwas zu Gesellschaft beiträgt…?

Hm. Naja, was trage ich zur Gesellschaft bei?

Die Musik.

Na ok (lacht). Da lasse ich mich breitschlagen. Dann darfst du mich gerne als Held bezeichnen.

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