In vino veritas

Peter Teglas ist Sommelier, Weinfachmann und Gastronom. Seit seiner Schulzeit verfolgt ihn das Thema Wein. Dass er eines Tages erfolgreich die Gastro-Szene Wiens aufmischen würde, das hatte Peter nicht geplant. Doch  Schicksal und Leidenschaft haben gesiegt. Heute dreht sich bei ihm alles um den kostbaren Rebensaft.

Peter, wie bist du mit dem Thema Wein in Berührung gekommen?

Als ich jung war, habe ich nicht gewusst, was ich beruflich anfangen sollte. Ich habe in der Schule den Fachzweig namens Kulturtouristik gewählt. Damals hatten wir neben den Fächern „Küche“ und „Service“ auch die Möglichkeit, die Ausbildung zum Jungsommelier zu machen. Ich fand den Unterricht lustig – natürlich, wir haben ja Wein verkostet (lacht). Seitdem hat mich das Thema Wein immer wieder begleitet. Als ich in Eisenstadt später Weinmarketing und Önologie studierte, habe ich erst realisiert, wie groß die Weinbranche wirklich ist.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Also die klassische Traumberuf-Laufbahn?

Gar nicht, das klingt nur so. Ich habe viele Jahre im Direktverkauf gearbeitet – reines Klinken putzen. Ich habe jeden Tag gehasst, hab es aber gemacht, weil der Job gut bezahlt war. Später war ich dann als Regionalverkaufsleiter bei einem Lebensmittelkonzern tätig, obwohl ich mich in der Gastronomie immer am wohlsten gefühlt habe.

Deswegen hast du dann dein heutiges Lokal aufgemacht?

Das kam viel mehr durch Zufall und Schicksal. Als ich 2013 arbeitslos wurde, habe ich begonnen Bewerbungen zu schreiben – aber offenbar ist in jedem Bewerbungsgespräch durchgekommen, dass ich nicht genug Motivation für die jeweiligen Jobs aufbringen kann. Ich wollte nicht mehr nur des Geldes wegen einen Job ausüben, also hab ich begonnen zu überlegen, was ich in meinem Leben verändern kann.

Und du hast entschieden, dass du gerne selbständig werden möchtest?

Ich wollte eigentlich nicht selbständig sein. Aber eines Tages hat mich mein Freund Andreas Artner angerufen und gefragt, ob ich für seine Gäste eine Weinverkostung machen kann – auf Englisch. Also habe ich es probiert, und wurde von da an regelmäßig für Verkostungen gebucht. Es hat mir Spaß gemacht und irgendwann wollte ich nichts anderes mehr tun, als Weine präsentieren. Das war der Grundstein für mein Lokal, das “Weinfach”.

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Wann hast du dich dann zu dem Schritt entschlossen?

Die ausschlaggebende Stunde war im Rahmen eines Deutschland-Trips, an einer Hotelbar. Es war dann, ganz klassisch, das dritte Bier, das mich auf die Idee brachte, die Winzer um Unterstützung zu bitten. Da mein größtes Problem die Grundfinanzierung war, sollten die Winzer einen Betrag zahlen, um bei mir gelistet zu werden. Es ging gut. Von 30 Winzer haben sofort 20 zugesagt, dass sie mich unterstützen.

So einfach ging das?

Eigentlich schon. Ich habe dann gleich nach drei Monaten meine Location gefunden. Es war Liebe auf den ersten Blick. Nur die Miete war recht hoch. Aber das war mein Risiko. Entweder es funktioniert oder ich bin schwer verschuldet. Heute funktioniert es bestens.

Ich habe den Sprung ins kalte Wasser gewagt.

Du bist also nicht risikoscheu?

Mittlerweile nicht mehr. Ich halte natürlich eine gewisse Distanz zu Risiken, und habe gelernt, jedes Risiko doppelt und dreifach abzuwägen. In diesem Fall habe ich gesagt: ich will das. Ich habe den Sprung ins kalte Wasser gewagt.

Wie sind die ersten Reaktionen auf deinem Weg in die Selbständigkeit ausgefallen?

Die Reaktionen waren sehr gespalten. Mein Vater hat es stark befürwortet und mich total unterstützt, obwohl eine gewisse Skepsis natürlich da war. Mein Bruder war etwas vorsichtiger. Zugegeben, ich war damals  unterkapitalisiert, was zu Beginn schwierig war. Aber meine Freundin hat mich voll unterstützt und gesagt: wenn es einer machen kann, dann du.

Würdest du deinen Mitmenschen generell dazu raten mutiger zu sein?

Ganz klar: ja. Wenn mehr Leute selbständiger sein würden, wäre die Welt ein bisschen bunter. Das Grundproblem ist die Angst vor dem Scheitern oder der finanziellen Unsicherheit. Da muss man sich aber darüber stellen. Mein Leitspruch ist: Wenn ich es nicht probiert hätte, hätte ich es nicht herausgefunden. Egal was andere sagen – ich hab’s versucht.

Was war deine größte Herausforderung?

Die Unterzeichnung des Mietvertrages. In diesem Augenblick war die Angst des Scheiterns am größten. Die ist mittlerweile weg. Eher habe ich noch Angst vor einer Krankheit, einem schweren Schicksalsschlag – etwas, das mich meinen Job nicht mehr ausüben ließe.

Glaubst du, gehört diese Grundangst zum Alltag eines Selbständigen oder muss man der Typ dafür sein?

Man muss schon eine Elefantenhaut entwickeln und auf vieles pfeifen. Jeder, der nur “Was-wäre-wenn” denkt, soll bitte nicht selbständig werden. Der ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Man muss sich lediglich vor Augen halten: Auch wenn es nicht funktioniert, die Welt dreht sich weiter.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Legst du viel Wert auf die Meinung anderer?

Ich bleibe meinen Ideen treu und lass mir wenig hinein reden. Ich höre mir Vorschläge gerne an, und wäge dann ab, ob sie auch für mich gut sein könnten, und dann entscheide ich. Oft empfehlen mir Gäste Weine, die ich manchmal auch probiere. Es kommt aber nur ganz selten vor, dass ich den Winzer dann im Lokal liste.

Jeder Wein bei mir ist ein Wein für mich.

Glaubst du, dass du den besseren Geschmack hast?

Nein, gar nicht. Aber ich möchte in meinem Geschäft mein Geschmacksbild präsentieren. Jeder Wein bei mir ist ein Wein für mich. Das muss nicht der richtige Geschmack für jeden sein.

Das heißt, das Weinfach ist eigentlich Peter Teglas.

Genau. Das Ding steht und fällt mit mir.

Hast du da keine Angst, dich zu überlasten?

Naja, ein bisschen. Ich habe mir ein Limit von 3 Jahren gesetzt. Wenn ich es bis dahin schaffe, mir sehr gutes Personal leisten zu können, dann führe ich das Lokal weiter. Wenn nicht, dann mache ich was anderes.

Das heißt, du bist immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen?

Ja, ich habe immer neue Ideen. Bereits jetzt. Aber das ist noch nicht spruchreif. Mein nächstes Ziel ist, die Bar zu einem Selbstläufer zu machen, damit es einfacher wird.

Inwiefern?

Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich derzeit ein etwas besserer Kellner. Der Erfolg der Bar ruht aber in dem persönlichen Service. Das steht ganz klar im Vordergrund. Mittlerweile habe ich gehört, dass die Gäste nicht über das Weinfach reden, sondern über Peter’s Bar (lacht).

Wenn man jeden Tag mit Alkohol arbeitet, kann man vernünftig trinken?

Natürlich trinkt man mehr. Schon die Tatsache, dass ich die Weine jeden Tag koste, erhöht den Konsum. Ich bin aber so diszipliniert, dass ich die Bar immer fahrtauglich verlasse. Man kann also nüchtern bleiben. Es passiert ganz selten, dass ich mit den Gästen mittrinke. Da habe ich gelernt: mittrinken ja, aber es muss kein ganzes Glas sein. Die Gefahr, zu viel zu trinken ist natürlich da, aber Disziplin ist alles.

Während des Interviews, das wir extra vor Lokalöffnung angesetzt haben, werden wir schon von den ersten Gästen unterbrochen. Ein Pärchen aus Australien. Peter lässt es sich nicht nehmen, jeden Gast persönlich zu begrüßen. Wenn er nach den Vorlieben und Geschmäckern seiner Kunden fragt, ist er in seinem Element. Jede Weinempfehlung ergänzt er mit einer Geschichte zu dem Wein selbst sowie einer kulinarischen Empfehlung. Kleine Jauseneinheiten zum Wein sind ein Muss. Nicht selten passiert es daher, dass auf das erste Glas ein zweites, ein drittes und ein viertes folgt.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Stimmst du zu, wenn es heißt: die Gastronomie ist ein unerbittliches Pflaster und nur die Harten kommen durch?

Ja. Die Gastroszene bringt mit Sicherheit einen sehr hohen Druck mit sich, nicht zuletzt wegen dem ständigen Wettbewerb. Ich denke, dass tatsächlich nur diejenigen langfristig überleben, die die hohen Ansprüche der Gäste immer wieder übertreffen. „Normal und gut“ reicht nicht.

Hattest du bereits unangenehme Erfahrungen mit Gästen? Gibt es sowas überhaupt bei dir?

Ich muss sagen, dass ich, was “unangenehme” Gäste angeht, recht gesegnet bin. Es kommt so gut wie nie vor, dass sich jemand daneben benimmt. Dass mal einer über den Durst trinkt, das passiert schon, aber auch da reißen sich die Gäste zusammen. Es ist ihnen scheinbar klar, dass mein Lokal keine billige Spelunke ist, sondern dass hier viel Wert auf gutes Benehmen gelegt wird.

Schön finde ich es, wenn Gäste zu mir kommen um einen besonderen Anlass zu feiern. Sei es ein Geburtstag, eine Verlobung oder gar eine Hochzeit: ich fühle mich, als wäre ich mit dem Lokal ein Teil der Feier. Das macht Freude und ehrt mich gleichzeitig.

Welche Dinge sind dir passiert, mit denen du überhaupt nie gerechnet hast?

TripAdvisor! Diese absolut mächtige und unglaubliche Internetseite hat mich mehr als erstaunt. Ich habe mich knapp 2 Monate nach der Lokaleröffnung auf der Plattform registriert und habe es innerhalb kürzester Zeit geschafft, aufgrund vieler, positiver Kundenbewertungen in die Top 10 der Wiener Gastronomie zu kommen. Derzeit liege ich auf Platz 2. Die Seite beschert mir mehr Gäste als ich mir je erträumt hätte.

Ist der ganze Hype um teuren Wein gerechtfertigt? Wie siehst du das?

Bis zu einem gewissen Grad ja. Es ist jedoch ein schmaler Grat zwischen teuer und überteuert. Teuer kann ich nachvollziehen, da man teils sehr hohe Overheadkosten decken muss, und am Ende des Tages ja auch was überbleiben soll. Die Margen, die man verdient, schwinden jedoch, je wertvoller die Weine sind, da man bei hohen Akquisitionskosten nicht die gleiche Spanne aufschlagen kann wie bei günstigeren Produkten.

Ich denke, dass ich moderate Preise habe. Ich will nicht billig erscheinen aber auch nicht teuer. Die Leute, die zu mir kommen, wissen jedoch was sie für Ihr Geld erhalten und sind gerne bereit den Preis zu zahlen.

Welchen Wein würdest du ad hoc empfehlen?

Puh, ich kann und möchte ad hoc keinen Wein bevorzugen. Würde ich dies tun, wäre das unprofessionell und würde gegen mein Konzept sprechen. Denn schließlich kommt es darauf an, worauf man gerade Lust hat. Weiß, Rot, leicht-fruchtig, kräftig-schwer… du siehst es gibt keinen “Universal” Wein, und das ist auch gut so. Des guten Willens wegen, würde ich dir jedoch einen klassischen Grünen Veltliner aus dem Weinviertel empfehlen…der ist selten ein Fehler.

Ist Österreich wirklich so ein tolles Weinland? Die Franzosen und Italiener haben doch schon eine viel ältere Tradition was das betrifft?

Ja, Österreich hat, meiner Meinung nach, tatsächlich großartige Weine. Verdanken müssen wir das dem Weinskandal von 1985, der in der österreichischen Weinwirtschaft so manches Gemüt wachgerüttelt hat. Seither haben wir das mit Abstand strengste Weingesetz der Welt.

Klar, haben Italien, Spanien, Frankreich eine lange Weintradition, man muss aber schon objektiv bleiben und dann Wein für Wein betrachten. In Österreich produzieren wir frischere, fruchtigere, teilweise leichtere Weine als es unsere Nachbarn tun. Ich sage aber nicht, dass unsere Wein unbedingt “besser” sind – sie sind halt anders bzw. anders gut.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Gibt es ein paar Tricks für die Wein-Laien? Wie kann ich gute von schlechten Weinen unterscheiden?

Nun ja, fangen wir beim Preis an: wer glaubt für 1,49€ am Liter tatsächlich qualitativ hochwertige Ware zu erhalten, der sollte vielleicht besser nochmal nachdenken.

Wer jedoch über 50€ für eine Flasche zahlt, sollte sich auch im Klaren sein, dass hier viele seiner Euros in die Marketing-Maschinerie des Herstellers fließen.

Grundsätzlich gilt für mich: moderate Preise (zw. 8€ – 25€), Fehlerfreiheit der Weine, klar-strahlende Weißweine mit fruchtig-würzigem Bouquét, sowie sauber-funkelnde Rotweine mit beerigem Charakter.

Weißweine sollten eher farblos sein. Brauntöne sind kein gutes Zeichen.

Rotweine sollten ein kräftiges, frisches Rot aufweisen und auch hier sollten Brauntöne vermieden werden.

Weitere Details würden hier zu weit führen (lacht).

Mein persönlicher Held, ist meine Frau.

Zum Abschluss: Wie definierst du Helden?

Helden sind für mich Personen, die über Ihren eigenen Schatten springen, um “mehr” zu bewirken. Mein persönlicher Held ist meine Frau, die – obwohl sie beruflich Ihr eigenes Süppchen kocht – immer noch genug Kraft aufwenden kann, um mich jeden Tag neu zu überraschen. Das gibt mir Kraft und Motivation. Das empfinde ich als heldenhaft.

Siehst du dich selbst als Held?

Ich weiß nicht so genau. Womöglich sollte ich jetzt aber einfach “JA” sagen, weil ich schon so viel Selbstvertrauen habe, dies behaupten zu dürfen. Schließlich habe ich mit diesem Projekt etwas aus dem Nichts erschaffen – und darauf bin ich natürlich stolz.

Wie stehst du zu dem Spruch “in vino veritas”?

Er ist nicht mein Lieblingsspruch, aber ein funken Wahrheit ist schon drin. Wo die Wahrheit wirklich liegt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Mir ist wichtig, dass mir die Menschen mit denen ich zusammenarbeite, und mit denen ich meine Zeit verbringe,  Vertrauen entgegen bringen. Ohne Vertrauen, würde all das nicht funktionieren.

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