Nina Kaiser, die Gamechangerin: „Das haben wir immer schon so gemacht? Geht gar nicht!“

4Gamechangers – ein Name, den man in Österreich unmittelbar mit Innovation und Start-ups zusammenbringt. Hierzulande ist das Festival das größte seiner Art und holt auch europaweit ordentlich auf. Hinter dem 4Gamechangers Festival steckt Gründerin Nina Kaiser. 15 Jahre lang war sie Marketingleiterin bei ProSiebenSat.1 PULS 4, hat Starwatch aufgebaut und leitete bis zu 30 Mitarbeiter. Doch mit 42 Jahren machte es Klick. Nina wollte etwas Neues. Sie änderte ihr komplettes Leben – und siehe da: der Erfolg kam (nahezu) von alleine. Sie lernte den Mann ihres Lebens kennen, wurde Mutter und legte, gemeinsam mit CEO Markus Breitenecker, 2016 den Grundstein für das erfolgreichste Zukunfts- und Tech-Festival des Landes. Im Gespräch mit Helden-von-heute.at plaudert Nina aus dem Nähkästchen und erlaubt einen kleinen Blick hinter die Kulissen.  

Liebe Nina, danke, dass du dir für uns Zeit nimmst. 4 Monate vor dem großen Showdown geht es bei euch ja recht stressig zu. Das 4Gamechanger-Festival ist ja das größte seiner Art in Österreich. Wie ist es dazu gekommen, also wie bist du auf die Idee gekommen 4 Gamechangers 2016 zu gründen?

Das ist eigentlich einem Zufall geschuldet. Ich habe auf meine uralten Tage – mit damals 42 Jahren (lacht) – den Mann fürs Leben kennen gelernt. Und relativ bald darauf ein Kind bekommen. Und in der Schwangerschaft, also besser gesagt im Mutterschutz, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken, da habe ich die Idee für das Festival weiter gesponnen.

Welche Motivation stand dahinter, was war der Auslöser?

Es war die Gesamtsituation, die mich inspiriert hat. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich alles rasend schnell ändert und wir uns folglich ebenso schnell anpassen müssen. Das habe ich schon gemerkt, als ich noch als Marketingleiterin für ProSiebenSat.1 PULS 4 verantwortlich war. Ich habe gemerkt, dass selbst unsere Medien-Events nicht mehr so zeitgemäß waren, wie es die Zeit erfordert hätte. Und da sah ich dringenden Änderungsbedarf. Vor allem war es mir wichtig, nicht nur die immer gleichen Medien- oder Kreativköpfe dabei zu haben, sondern ein diverses Publikum. So, dass das Austauschen Sinn ergibt und Spaß macht. Immer nur in der eigenen Bubble zu bleiben bringt niemanden weiter.

Nina Kaiser. Foto: Bernhard Eder

Und die Idee wurde sofort akzeptiert, oder bist du auf Widerstand gestoßen?

Am Anfang war es schon eine ziemliche Laufarbeit. Ich bin mit meinem Chart, auf der ich die wichtigsten Fakten zu der Event-Idee dargestellt hatte, hausieren gegangen. Ich habe Partner und Sponsoren angesprochen, Interessierte an Bord geholt. Es war eine echte Sisyphos-Arbeit. Aber ich habe weitergemacht und immer mehr Menschen gefunden, die unsere Mission unterstützen wollten. Vor allem aber hat mein CEO, Markus Breitenecker, an die Idee geglaubt. Natürlich war ein großer Vorteil, dass das erste Event gleich megamäßig eingeschlagen hat.

Warum eigentlich der Name „4Gamechangers“, warum Denglisch?

Gar keine einfache Frage. Aber vorweg: Der deutsche Begriff „Spielveränderer“ klingt irgendwie holprig und negativ. „Gamechanger“ ist in meinen Ohren positiv besetzt und runder. Hin und wieder muss ich den Begriff noch erklären – aber meist nur jenen, die noch nie vom Event gehört haben. Und das sind zum Glück nur noch ganz wenige (lacht). Ob das „Denglische“ ein Problem ist? Jein. Natürlich sehe ich, wie viele englische Begriffe wir im Deutschen verwenden. Aber das ist auch ein Teil der globalen Veränderungen. Gerade wir dürfen uns davor nicht verschließen.

Insgesamt klingt das alles total strukturiert und durchdacht. Fast so, als hätte dich ein ganz penibler Karriereplan hierhergebracht?

Nein, gar nicht. Es ist alles einfach passiert. So wie sehr viele Dinge in meinem Leben einfach passiert sind. Aber ja, natürlich habe auch ich einen groben Plan. Schließlich wollte auch ich immer etwas erreichen und nicht nur eine Nummer von vielen sein.

In der Old-School-Generation, in der ich aufgewachsen bin, hat es immer geheißen: von nix kommt nix und du musst viel leisten, um etwas erreichen zu können. Allerdings ist dieses Old-Generation-Denken nur noch teilweise gültig. Was aber stimmt: Durch meine Beharrlichkeit und meine Freude an der Arbeit, habe ich mir meinen aktuellen Job selbst geschaffen.

Stillsitzen und abwarten ist also nicht so deins?

Ich mag diese Einstellung nicht von wegen „Das haben wir immer schon so gemacht.“ Ich finde, man lernt nie aus und muss Dinge immer hinterfragen. Und gerade in der heutigen Zeit kommen so viele Änderungen ganz von alleine auf uns zu, denen wir uns nicht verschließen dürfen. Natürlich haben manche Menschen Respekt oder Angst davor, aber jede Veränderung bringt am Ende neue Chancen mit sich. Deswegen bringt der Titel unseres Events genau auf den Punkt, was wir erreichen wollen: Die Spielregeln verändern, das Spiel neu spielen.  

Wie viele arbeiten mittlerweile an dem Event mit?

Wenn man bedenkt, dass ich 2016 mit meinem Bruder gestartet habe, ist alles ziemlich flott gegangen. Jedes Jahr sind 2 Mitarbeiterinnen dazu gekommen. Heute sind wir 9 Personen. Allerdings, das muss ich leider zugeben, überhaupt nicht gendergerecht – wir sind nämlich alles Frauen (lacht). Dennoch: 9 Personen sind angesichts unseres Aufwands nicht so viel: Bei 600 Speakern, 2 Bühnen, 20 Live Acts, 150 Kooperationspartner – fad wird uns also nicht.

Wenn ich mich hier so umsehe fällt mir auf: Ihr plant auffallend analog für ein Digitalevent. Mit vielen bunten Post-it-Zetteln.

Das stimmt (lacht). Natürlich verwenden wir unsere Softwaretools. Aber für den ersten, schnellen Blick geht das so schneller. Und die Wände sehen dann auch nicht so kahl aus. Wir sind ja ständig dabei neu zu planen, koordinieren, updaten – da muss jeder im Team einen schnellen Überblick bekommen und das geht hier so ganz gut. Du darfst nicht vergessen, wir planen ja nicht nur für den März 2020, sondern bereits für das nächste Event 2021.

Nina Kaiser. Foto: Bernhard Eder

Bleiben wir vorerst noch im 2020er Jahr. Welche Themen stehen da an?

Wir machen vor kaum einem Thema halt, das den Zeitgeist trifft. Wir haben mittlerweile vier Zielgruppen, die wir spezifisch „targeten“. Aber es ist für absolut jeden etwas dabei: Entrepreneurship-Themen, Themen, die die next generation interessieren, die globalen Meta-Themen wie auch die neuen Jobs-Themen am vierten Tag. Es geht um Entertainment, Networking, es treten Comedians auf, wir hosten den Staatspreis Digitalisierung, haben über 100 Stände mit total spannenden Start-ups und Projekten. Also es wird niemandem langweilig bei uns.

Wie österreichisch ist 4Gamechangers eigentlich noch? Seid ihr schon eine europäische Institution?

Tatsächlich kommen immer mehr internationale Besucher sowie Speaker zu uns nach Wien. Dennoch würde ich sagen, dass etwa 75 Prozent aus Österreich stammen. Allerdings haben wir schon Idee und Pläne, wie wir das Event über die Grenzen hinaus erweitern können.

Lass uns über was anderes sprechen: Und zwar hast du zu Beginn erwähnt, dass du es nicht magst, wenn Menschen sagen „Das haben wir immer schon so gemacht.“ Wie siehst du denn hier den Zugang der neuen Generation? Haben die Jungen genug Change-Spirit?

Ich finde Leute meines Alters machen einen großen Fehler, wenn sie den Jungen nicht zuhören. Wir können viel von ihnen lernen. Nur weil wir älter sind, heißt das nicht, dass wir automatisch mehr wissen. Es gibt tolle Initiativen, die etwa fordern mehr junge Menschen in Aufsichtsräte zu befördern. Sowas unterstütze ich total. Auch die neue Arbeitsweise, weg von 9-to-5 und Hierarchien. Wir selbst arbeiten im Team komplett agil. Unser Motto ist „Arbeit sehen“. Also leben wir Ansätze wie „Better done than perfect“. Wir hatten dieses Jahr einen 15-Jährigen als Speaker, der in Deutschland große DAX-Unternehmen berät. Junge Menschen können sehr viel ändern und haben die frischeren Zugänge und neuere Denkweisen.

D.h. das 4Gamechangers ist auch für den Nachwuchs geeignet?

Absolut! Die nächsten Generationen sind ein absoluter Fokus für uns. Deswegen bieten wir spezielle Programmpunkte an, etwa den 4Jobs-Day am letzten Tag. Aber auch günstigere Tickets.  Bei anderen Events und Konferenzen unseres Formats sind die Tickets enorm teuer, was Schüler und Studenten meistens automatisch ausschließt. Wir wollen sie zu uns holen. Mein Ziel ist es außerdem, dass wir künftig auf jedem Panel mindestens einen Speaker unter 25 Jahren haben.

Also kannst du dich mit den Themen der neuen Generationen identifizieren?

Meistens schon. Natürlich kann auch ich nicht alles nachvollziehen bzw. Begeisterung aufbringen, beispielsweise bei E-Sports.  Aber es geht nicht darum, was ich toll finde, sondern was die Mehrheit gut findet. Und wenn ich mir diesen Hype ansehe und die Leistungen, die hier gebracht werden, muss ich anerkennen: Das ist einfach ein neuer Sport unserer Zeit. Wir haben uns damals die Olympiaden angesehen. Kids heute sehen sich E-Sport-Events in Asien an. Was ist schlecht daran? Jeder, der das kritisiert, sollte sich zuerst selbst ein Bild davon machen.  

Da bin ich ganz deiner Meinung. Schließlich ändert sich ja auch unser Kommunikationsverhalten komplett. Wir werden eben immer digitaler, oder wie siehst du das?

Absolut. Ich hatte vor Kurzem Schüler aus der HTL hier. Übrigens fast 50 Prozent Mädels. Ich wusste nach den ersten fünf Minuten, dass ich in den zwei Stunden mehr von ihnen lernen werde, als die von mir. Die haben total spannende Fragen gestellt und auch mir tolle Tipps zur Kommunikation gegeben.

Und was waren deine AHA-Momente?

Jugendliche haben heute eine andere Wahrnehmung was Kommunikation – etwa innerhalb der Familie – bedeutet und wie sie aussehen soll. Mich hat natürlich interessiert, wie die Familienkonstellationen aussehen und ich wollte wissen wie viele noch mit beiden Elternteilen zusammenleben, wie viel Zeit sie miteinander verbringen und so weiter. Dann kam gleich eine Gegenfrage ob ich damit auch die Zeit meine, die man in derselben Wohnung verbringt, aber nicht persönlich kommuniziert. Weil es werde ohnehin viel über Social Media wie WhatsApp kommuniziert. Für junge Menschen ist Kommunikation also auch dann vorhanden, wenn man nicht mehr gemeinsam und persönlich an einem Tisch sitzt.

Sie beziehen also die digitale Interaktion in die Beziehung mit ein?

Absolut. Ich komme noch aus einer Generation, da waren die gemeinsamen Frühstücke am Sonntag wichtig. Heute verschiebt sich das. Heute kann ein Chat in der Familiengruppe genauso wichtig sein. Und die nächsten Generationen sind eben die Gamechanger von morgen. Sie bestimmen welche Ideen groß werden und welche uns nach vorne bringen werden. Ich merke es selbst in unserem Team: Meine jüngste Mitarbeiterin ist 21 und ich bin 47. Das sind fast zwei Generationen dazwischen und die Kommunikationsweisen sind natürlich verschieden.

Was meinst du: Sind in den kommenden Generationen überhaupt genügend Gamechanger Persönlichkeiten dabei?

So pauschal kann man das nicht sagen. Auch hier ist das Bild so divers wie wir in meiner Generation. Es unterscheidet sich generell darin, ob Menschen etwas bewegen wollen und jene, die nicht.

Dann frage ich so: Gibt es in Österreich genügend Gamechanger?

Total. Es gibt hier tolle Pioniere und Start-ups. Besonders Social Work und Charity Projekte von sehr jungen Menschen. Ich bewundere das total: Als ich 15 Jahre alt war, habe ich eher an die Party am Wochenende gedacht. Und die Kids von heute sind oft viel sozialer unterwegs. Außerdem finde ich: Österreicher sind Meister im Brückenbauen. Ein kleines, stolzes Land mit langer Tradition im Herzen Europas. Unser Standort ist ein enormer Vorteil. Als ich vor 30 Jahren aus Deutschland nach Österreich gekommen bin, hatte es geheißen „Die Piefke können alles besser“. Entsprechend feindselig war die Stimmung. Doch diesen Minderwertigkeitskomplex hat Österreich längst abgelegt. Das ist zumindest mein Eindruck.

Also gibt es diesen „Entrepreneur-Spirit“ hier?

Natürlich, gerade in Österreich gibt es Entrepreneur-Spirit. Das beweisen schon die vielen tollen und erfolgreichen Familienunternehmen, mit denen auch wir kooperieren. Wie zum Beispiel Umdasch oder AVL.

Aber auch das künstlerische Schaffen ist groß. Aber leider werden hierzulande Musiker und Künstler erst geschätzt, wenn sie im Ausland erfolgreich sind. Das ist ein bisschen schade, dass so viele ihr Licht unter den Scheffel stellen. Das haben wir nicht notwendig. Wir leben in einem tollen, innovativen Land, in dem wir viele Chancen haben. Wir „sudern“ auf ganz hohem Niveau. Es geht uns wirklich verdammt gut hier. 

Zum Abschluss, meine Lieblingsfrage: Hast du Helden, die dich beeinflussen? Und wenn ja, wer ist es?

Meine Helden sind meine Eltern. Sie haben es geschafft in einer schwierigen Nachkriegsgeneration ein tolles Rollenbild vorzuleben. So, dass wir nicht so verkorkst sind, wie andere Kinder der 1970er Jahre (lacht). Sie haben uns eine zeitgemäße und moderne Ehe vorgelebt und alles richtig gemacht. Dafür bin ich sehr dankbar.

Ein weiterer Held für mich ist mein Mann – weil er mich jeden Tag im positiven Sinn herausfordert und auch gern mal Dinge hinterfragt. Das finde ich absolut spannend.

Aber mein größter Held ist mein Sohn. Denn es ist beeindruckend wie er mit seiner viel arbeitenden Mutter umgeht (schmunzelt) und außerdem ist es für mich immer inspirierend die Welt mit seinen Augen zu sehen und auf seine Fragen einzugehen.

Mein Bruder gehört übrigens auch zu meinem Heldenkreis, mit dem ich mich zeitweilig sogar gemeinsam selbständig gemacht habe.

Das sind sie, meine Helden des Alltags. Die Helden in der unmittelbaren Umgebung beeinflussen einen am wesentlichsten. Ich glaube auch, dass wenn du in der Familie und in deinem Umfeld glücklich bist, du dir wesentlich leichter tust erfolgreich zu sein und Großes zu schaffen.

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