Traumberuf Mutter

Nadja Wrienz ist mit 31 Jahren bereits fünffache Mutter. Aber von Nerven-Schmeißen keine Spur. Nadja ist Mutter aus Leidenschaft und darüber hinaus Tagesmutter. 6 Kinder wuseln bei der quirligen Kärntnerin täglich durch das Haus. Wir haben mal nachgefragt, was man dabei alles (mit)macht, wie es in der heutigen Zeit ist 5 Kinder zu haben und warum Mütter seitens der Politik noch immer zu wenig wertgeschätzt werden.

4 Kinder, in ein paar Wochen 5 (das Interview wurde geführt als Nadja noch schwanger war, Anm. d. Redakteurs) und dazu Tagesmutter – angesichts dessen darf ich dich fragen: Wird die Arbeit einer Mutter seitens der Familienpolitik entsprechend gewürdigt bzw. in deinen Augen genügend anerkannt?

Was will man denn mit dem aktuellen Beitrag der Familienbeihilfe? Man müsste den Müttern ein bisschen mehr Geld geben, damit sie auch zu Hause sein können. Derzeit wird die Gesellschaft auf 1 bis 2 Kinder aufgebaut. Wir selbst merken das bei Urlaubsbuchungen. Man kann nur mehr mit bis zu drei Kindern verreisen.

Wie erlebst du die Respektfrage gegenüber deinem Beruf?

Prinzipiell gut. Wenn nicht, dann von Leuten, die keine Ahnung haben, was man eigentlich macht, die sagen: „Du bist ja nur zu Hause“. Das passiert auch. Aber es geht weniger um mich, sondern um das Kind.

Für dich ist klar das Kind die Nummer 1?

Ja. Das, finde ich, sollte auch so sein. Man muss, wenn man Kinder hat, sein Leben nach ihnen richten. Ich kann die Kinder nicht immer von einem Babysitter zum nächsten schieben.

Für Ego ist dann aber kein Platz.

Absolut nicht. Aber mein Mann und ich finden immer noch genügend Zeit für uns. Natürlich ist es oft so, dass die Kinder mit dabei sind. Wenn man schwimmen geht, dann kann man nicht Bahnen schwimmen. Aber das ist eine Einstellungssache. Man muss zur Entscheidung stehen, dass man Kinder will und hat.

Wie kann man sich 5 Kinder heutzutage leisten?

Das fragen mich sehr viele Leute.

Wir leben heute in einer Wohlstandsgesellschaft, in der jeder alles haben muss. Meiner Meinung nach ist es viel wichtiger den Kindern Werte zu vermitteln, als ihnen stets das Neueste zu kaufen.

Freundschaft, Dankbarkeit, Mitgefühl, Zeit haben – das sind Werte, die uns am Herzen liegen sollten.

Wir, mein Mann und ich, sind der Meinung, dass sie nicht alles haben müssen. Trotzdem gehen sich jedes Jahr 2 Wochen Urlaub aus. Natürlich kein Luxus-Urlaub, aber das ist Definitionssache. Auch was Kleidung oder das Spielzeug betrifft. Natürlich werden Kinder mit dem Alter immer teurer, aber wer weiß, es gibt ja auch die Großeltern (lacht) Nein, im Ernst: es ist eine Sache des Anspruchs. Aber klar, es ist schon zuträglich, dass ich arbeite.

Foto: Sven Wuttej
Foto: Sven Wuttej
Weil du es ansprichst: War das immer schon dein Traum, Tagesmutter und Mutter zu sein?

Eigentlich ja. Für mich war immer klar, dass ich Mutter sein wollte. Und ich wollte viele Kinder und für  sie da sein. Ich hatte nie den klassischen Traumberuf, am ehesten noch war da der Gedanke Bäuerin zu werden. Es wäre ein Bergbauernhof gewesen. Aber dazu habe ich den falschen Mann geheiratet (lacht)

Wie sieht so ein Tag bei dir aus? Ich stelle mir das stressig vor.

Langweilig wird mir nicht (lacht). In der Früh zuerst die eigenen Kinder fertig machen, danach kommen die Tageskinder. Am Nachmittag stehen Hausübungen und Freizeitaktivitäten auf dem Plan. Von Kinderchor über Sport bis Freunde besuchen.

Der Freizeitstress der Kinder ist der eigentliche Stress.

Wie alt sind deine Kinder?

Magdalena ist 9, Nikolaj wird im Jänner 8, Florian ist 5 ½ und Damjan ist 3.

Genau 1 ½ Jahre Unterschied. Das war bewusst so gewählt. Magdalena war das erste und dadurch einzige Kind in der Verwandtschaft, deshalb wollte ich so schnell wie möglich ein zweites.

Mittlerweile sind es 5. Das Einzelkindproblem hast du nicht, aber gibt es dafür nicht viele Streits?

Nein gar nicht. Auch diese “Eifersüchteleien”, vor allem in Bezug auf die Eltern fallen weg – wer macht was, mit wem, das gibt es nicht. Jeder nimmt sich das was er an Aufmerksamkeit braucht.

Wie gut klappt es, die eigenen Kinder und die „fremden“ Kinder zu kombinieren?

Problemlos. Als ich vor 5 Jahren als Tagesmutter begonnen habe, habe ich das meinen Kindern erklärt. Ich habe von Anfang an gesagt, dass es mein Job ist und dass der notwendig ist, sonst wären gewisse Dinge gar nicht möglich.

Wie wird man überhaupt Tagesmutter?

Ich bin zufällig über ein Inserat darauf gekommen und habe eine Ausbildung in Klagenfurt gemacht. Jedes zweite Wochenende war am Freitag und Samstag Kurs. Im Frühjahr und Herbst eine ganze Woche und im Frühjahr gab es ein Praktikum. Dann folgten eine Abschlussarbeit und eine Prüfung.

Wie kann man sich die Ausbildung vorstellen? Was lernt man?

Angefangen von Spielmöglichkeiten, Trauerarbeit, richtige Ernährung, Verhaltensauffälligkeiten, Beobachtung, viel Bewegung, Sport…

„Mama lulu“, schallt es plötzlich durch die Küche. Es ist Sohn Damjan, der Unterstützung braucht. Mit einem Gesicht der Erleichterung kommt er drei Minuten später wieder in die Küche gerannt und widmet sich erneut seinen Duplo-Bauwerken. Immerhin ist er „Baumeister“, wie er stolz erzählt. Nadja und ich setzen unser Gespräch amüsiert fort.

Foto: Sven Wuttej
Foto: Sven Wuttej
Gibt es auch Tagesväter oder zumindest Männer in der Ausbildung?

Nein. Das ist selten. Angeblich gibt es in der Steiermark einen Tagesvater.

Hat das mit dem Vertrauen der Mütter zu tun?

Nein, eher mit dem Verdienst. Als Tagesmutter bekommt man 2,20 Euro in der Stunde pro Kind. Wenn man 6 Kinder hat, natürlich mehr.

Zahlen das die Eltern?

Die Eltern zahlen 2,20 Euro pro Stunde. Den Rest das Land. Wir bekommen 13. und 14. Gehalt, wir haben Urlaubsanspruch, Krankenstand. Das wird vom Land gefördert. Plus 3,10 pro Kind und Tag Aufwandsentschädigung fürs Essen. Wir müssen für die Kinder kochen und die Spielsachen finanzieren. In meinem Fall ist das eh kein Problem, ich hab alles zu Hause.

„Alles“ ist im Fall von Nadja Wrienz eine freundliche Untertreibung. So manch einer hätte im Kleinkindalter gemordet, hätte er in einer Holzburg spielen dürfen wie in jener, die in der ehemaligen Garage (nun Spielraum) steht. Da wird auch der Mann wieder zum Kind.

Du lebst in Eberndorf und lebst als Tagesmutter die Zweisprachigkeit Deutsch und Slowenisch – hat es da jemals Probleme gegeben?

Ich bin eine der wenigen zweisprachigen Tagesmütter. Ich probiere mit allen Kindern Slowenisch zu reden. Ganz am Anfang hat sich eine Mutter aufgeregt, aber mir ist das gleich. Ich sage zu Beginn, dass ich zweisprachig bin und mit allen Kindern Slowenisch und Deutsch spreche. Die meisten Eltern sind sehr offen. Andere schicken ihre Kinder eh nicht zu mir.

Wie läuft das: Ich habe ein Kind und suche eine Tagesmutter, kann ich dich aussuchen?

Die Eltern, aber auch wir Tagesmütter können uns das aussuchen. Informieren kann man sich auf www.avs.at. Die beste Werbung ist aber natürlich Mundpropaganda. Zum Beispiel in den Kindergärten. Derzeit gibt es nur rund 100 Tagesmütter in ganz Kärnten. Deswegen sollte man früh genug einen Platz reservieren. Am besten schon in der Schwangerschaft.

Wie viele Kinder hast du pro Tag?

Man darf 6 Kinder gleichzeitig im Haus haben. Inklusive meiner eigenen. Am Vormittag, wenn nur Damjan hier ist, dürfen 5 Kinder anwesend sein. Am Nachmittag dann nur zwei Kinder. Ich biete den Eltern an, die Kinder vor 7 Uhr herzubringen, das ist kein Problem. Aber nach 14 Uhr sind dann meine Kinder an der Reihe.

Klingt so als ob dein Tag früh beginnt und nie endet?

Um 5.30 Uhr beginnt er und er endet um 19 Uhr. Ein wenig Zeit für mich muss sein.

Wie alt sind die Kinder, die du betreust?

Zwischen 1 und 3 Jahren.

Gewöhnt man sich an den Trubel?

Das muss man. Einige werden nervös dabei, mir macht das eigentlich nichts. Auch wenn 6 Kinder gleichzeitig spielen, das ist kein Problem.

Ich frage jetzt als kinderloser, naiver Mann. Ist es derzeit nicht eher der Trend keine oder wenige Kinder zu haben?

Das kann ich so nicht sagen. Bei uns in der Freundesrunde sind 3 bis 4 Kinder Standard. Nur mein Alter sticht heraus, weil alle anderen 10 Jahre älter sind. Mit 31 haben viele erst kleine Kinder oder nur ein Kind.

Das habe ich ja gemeint. In jungen Jahren Mutter zu werden ist nicht so gängig – und schon gar nicht fünffache Mutter.

Zugegeben, auch mein Chef hat geschluckt, als ich gesagt habe ich bekomme das fünfte Kind. Im Freundeskreis haben alle gestaunt. Ich sage auch immer dazu, dass es sich um 5 Wunschkinder handelt.

Wie kam die Planung?

Dadurch, dass mein Mann 13 Jahre älter ist. Wenn ich auch noch studiert hätte, wäre das nicht gegangen.

Wie, du hast studiert auch noch? Wann das?

Ich habe in Graz mit BWL begonnen, ja. Aber ich bin froh, dass ich schwanger geworden bin (lacht) Ich habe die Karriere bewusst weggeschoben. Um für die Kinder da zu sein brauche ich keinen Magister. Vielleicht später einmal. Vielleicht fange ich mit 40 noch einmal an zu studieren.

Ich kann meinen Kindern viel mehr Ruhe bieten. Es darf sich niemand wundern warum Kinder gestresst sind, wenn die Eltern es so vorleben.

Warum ist es dir so wichtig zu Hause zu sein?

Unsere Kinder können in den Wald, sie haben Freiheit. Ich kann meinen Kindern viel mehr Ruhe bieten. Es darf sich niemand wundern warum Kinder gestresst sind, wenn die Eltern es so vorleben.

In der Stadt ist das natürlich anders. Zum Beispiel Wien.

Wir sind gerne auch in Wien, aber das kann man nicht vergleichen. Ich kann den Jüngsten hier alleine mit dem Rad fahren lassen und muss mir keine Sorgen machen.

Kann eine Tagesmutter auch anstatt des Kindergartens besucht werden?

Ja, nur das Pflichtkindergartenjahr muss absolviert werden. Generell: Zur Tagesmutter können Kinder/Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr.

Das Thema Tagesmutter wird zu wenig publik gemacht, kommt mir vor. Es gibt ja immer die Diskussion um Kindergartenplätze und co.

Sagen wir so: für Kinder, deren Eltern früh anfangen zu arbeiten, sind Tagesmütter sicher besser, weil es eine Art erweiterte Familie ist.

Wo ist der Unterschied zum Kindergarten?

Dort bleibt wenig individuelle Zeit für das Kind. Bei großen Gruppen ist es nicht möglich jedem Kind eine Geschichte vorzulesen. Das ist natürlich als Tagesmutter einfacher. Ich sage den Eltern klipp und klar: ich richte mich nach den Bedürfnissen der Kinder. Es gibt keine Dauerunterhaltung. Sie sollen auch das Miteinander lernen und spielen dürfen. Die Kinder sollen weniger Stress haben.

Wie lange dauert es eigentlich bis sich die Kinder alle aneinander gewöhnen?

Verschieden. Manche brauchen 2 Wochen, manche 2 Monate. Hängt auch von den Eltern ab, wie leicht sie abgeben. Wir haben 6 Wochen Zeit für die Eingewöhnung. Die Eltern können mitkommen. Sie können Vertrauen aufbauen.

Wie lange kann man als Tagesmutter tätig sein?

Es gibt manche, die 30 oder 40 Jahre Tagesmütter sind. Ich selbst lasse es mir offen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich mit 50 Jahren auch noch die Nerven habe.

Kannst du es ohne Kinder überhaupt noch aushalten?

Naja, es dauert schon etwas bis ich mich an die Ruhe gewöhne. Aber ja, es geht (lacht)

Klingt nach Berufung, nicht Beruf.

Man muss es aushalten können, so viel zu Hause zu sein. Es gibt Wochen in denen ich nicht aus dem Haus komme. Aber ich könnte nicht behaupten, dass ich vereinsame.

Als Mutter ist man Managerin. Siehst du dich auch in der Rolle?

Ja schon. Du musst Management beherrschen, wenn du alles koordinieren willst. Von den Aufsteh- und Schlafengehzeiten bis hin zur Wäsche. Ohne Management geht da nix. Das macht mir gerade Sorgen, wie mein Mann das schaffen wird, wenn ich 3 Tage zur Geburt im Krankenhaus bin (lacht)

Das heißt die Geburt ist ein kleiner Urlaub?

Ja ein bisschen schon (lacht)

Welchen Titel würdest du deinem Interview geben?

Kinder sollen wieder Kinder sein dürfen.

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