„Favoriten ist das Publizistikstudium unter den Bezirken Wiens“

Katharina Hochwarter (28) ist seit 2 Jahren Fachtutorin am Insitut für  Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien. Aus privatem Interesse an den schönen Seiten der Stadt, gründete die 28-jährige Wienerin gemeinsam mit ihren Studierenden dem Blog “YoungViesions”. Eine journalistische Sonnenseite der Nachrichtenwelt. Generell hält es Katharina lieber mit den schönen Seiten des Lebens und verrät auch, warum sie den Vorwurf des universitären Elfenbeinturm-Daseins nicht nachvollziehen kann.

Liebe Katharina, warum arbeitest du eigentlich als Tutorin an der Uni und wie bist du zu deinem Studium der Publizistik gekommen?

Eigentlich bin ich über Umwege dazu gekommen. Ursprünglich, direkt nach der Matura, wollte ich gar nicht Publizistik studieren, weil mich der schlechte Ruf des Studiums abgeschreckt hat. Schon damals hieß es, es sei überfüllt und die Jobangebote seien schlecht. Deshalb habe ich mich für Linguistik entschieden. Erst mit 23 habe ich dann auf meine innere Stimme gehört und das gemacht, was für mich am besten ist: Publizistik. So ist auch Young Viesions entstanden. Durch den Wunsch, dem Negativismus und dem Skandalismus Paroli zu bieten.

Favoriten ist ein bisschen das Publizistikstudium unter den Bezirken Wiens (lacht).

Du sprichst von deinem Blogprojekt, bei dem ihr gute Nachrichten aus Wien bringt. Wie ist die Idee entstanden?

Schau, ich bin vor einiger Zeit in den 10. Bezirk gezogen. Favoriten ist ein bisschen das Publizistikstudium unter den Bezirken Wiens (lacht). Das ist aber unfair, denn es gibt sehr schöne Seiten des Bezirks. Ich habe dort so viele tolle neue Dinge entdeckt, von denen ich vorher nichts gewusst habe. Es war ein bisschen so wie eine Stadt in der Stadt. Die meisten wissen aber nicht, welche tollen Sachen man im 10. Bezirk erleben kann. Wien besteht nicht nur aus dem 1. Bezirk mit Prunk und Altbau und aus dem 7. Bezirk mit selbstgemachten Eistee (schmunzelt).

Ist Wien eine negative Stadt?

Jein. Die Berichterstattung über die Stadt ist sehr einseitig und oft negativ. Die Kunst- und Kulturszene wird beispielsweise nur im 7. Bezirk herausgehoben. Projekte, die in anderen Bezirken stattfinden werden oft fallen gelassen. Aber nicht nur in der Kunst. Deshalb ging es mir persönlich auch darum, auch die liegen gelassenen Schönheiten Wiens hervorzuheben und über soziale Projekte etwas außerhalb der “Charity-Rolle” zu berichten. Aber auch der Studieneingangsphase mehr sozialen Mehrwert zu geben. So ist Young Viesions entstanden.

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Und wie haben deine Studierenden reagiert?

Durchwegs positiv. Ich hatte in der Gruppe damals viele Informatiker. So kam die Idee daraus gleich einen Blog zu machen. Zu Beginn haben wir das nur privat gehalten und gar nicht veröffentlicht. Im Laufe des Semesters habe ich gesehen, wie begeistert und engagiert die Studierenden waren. Sie haben dann darauf gedrängt, dass Projekt öffentlicher zu machen.

Die Studierenden können hier viel austesten und für die Praxis mitnehmen – doch ist das Publizistikstudium in deinen Augen für die Praxis geeignet?

Naja, sagen wir so: Praxiserfahrung schadet nie. Ich habe es selbst erlebt, als ich zwischen unbezahlten Praktika, Studium und einem normalen Job wechseln musste. Damals hätte ich mir mehr Praxis im Studium gewünscht. So wie es aktuell organisiert ist, läuft es sehr gut. Die Studieneingangsphase (STEP) wird von rund 50 Tutorinnen und Tutoren betreut. Das braucht es, bei 1.000 Studienanfänger pro Jahrgang.

Also ist dir Praxis sehr wichtig?

Nein, nicht nur Praxis. Ich finde, dass es wichtig ist, aus der Theorie etwas Neues zu basteln, was die Praxis auch verändern kann. Man muss beachten, dass eine Universität anders funktioniert als eine FH. Die Theorie wird an Unis derzeit zu wenig aktiv genutzt.

Die Arbeit im Elfenbeinturm ist bei einem Studium eigentlich die größte Freiheit.

Zu wenig? Es wird doch immer wieder kritisiert, dass Uni-Professoren in ihrem Elfenbeinturm an der Realität vorbei forschen würden.

Die Arbeit im Elfenbeinturm ist bei einem Studium eigentlich die größte Freiheit.

Der Elfenbeinturm als Freiheit, kannst du mir das erklären?

Man muss sich manchmal beuwsst von der Realität abheben, um dadurch erst in der Praxis etwas verändern zu können. Ich fordere die Studierenden immer auf, Fehler zu machen. Und ich nehme mir selbst auch diese Freiheit heraus, meine Lehrmethoden aus dem Fenster zu werfen oder spontan umzukrempeln, um Ideen der Studierenden Platz zu geben und kreativ zu bleiben. Das ist eben nur im Studium möglich. In der Praxis ist das schwieriger. Bei uns können sie sich beispielsweise einen ganzen Tag Zeit für einen Bericht nehmen – welche Redaktion kann das heutzutage bieten?

Du bist also eine Verfechterin der theoretischen Ausrichtung des Publizistikstudiums? Auch eine der Trennung von FHs und Universitäten?

Noch einmal: Das Universitätsstudium ist keine Ausbildung- es ist eine Berufsvorbildung. Es soll das wissenschaftliche Arbeiten fördern und dabei geht es mehr um eigene Interessen. Im Endeffekt ist aber in meinen Augen das praxisorientierte und das wissenschaftliche Handeln sehr ähnlich: Es sollen Fragestellungen, Problemfelder und Lösungen gefunden werden.  Ein Studium ist nicht immer wirtschaftlich motiviert. Das unterscheidet das Unistudium von der FH, die darauf ausgerichtet ist, für die Wirtschaft auszubilden.

Trotzdem werden Universitäten immer öfter als Ausbildungsstätten gesehen. Glaubst du, braucht es hier ein breiteres Bewusstsein zu Aus- und Weiterbildung?

Es braucht mehr Aufklärung in den Schulen und vor allem zu Beginn des Studiums. Ich habe das Gefühl, dass viele Maturanten schon von den Schulen aus sehr angepasst sind. Das heißt, sie suchen sich das Studium, das ihnen vermeintlich das meiste Geld bringt. Deswegen sollte das Out-of-the-box Denken in den Schulen gefördert werden. Um Menschen auszubilden, die auch andere Wege einschlagen können. Vor allem aber auch dazu, um Menschen nicht dazu auszubilden damit sie perfekt in die Wirtschaft passen – sondern um sie dazu auszubilden, dass die Wirtschaft durch sie positiv und nachhaltig verändert wird.

Ich will bei der Raunzerei nicht dabei sein, ich will selbst verändern.

Was sagst du zu den allgemeinen Vorwürfen, dass das Publizistikstudium ohnehin nur ein Allerweltsstudium ohne Relevanz in der Wirtschaft sei? Welchen Stellenwert hat das Studium tatsächlich und studieren wirklich zu viele?

Es hat eine Berechtigung, weil die Berufsfelder viel breiter sind, als man annehmen würde. Es gibt nicht nur den Journalisten oder die Moderatorin – jede Firma hat mittlerweile eine eigene Marketingabteilung, eine eigene Kommunikationsabteilung. Ich weiß, der Ruf des Publizistikstudiums ist eher der, dass man danach maximal Taxifahrer werden kann. Aber das stimmt so nicht. Man muss auch aufpassen, wer dieses Bild zeichnet. Sind es negative Artikel, die möglicherweise von Studienabbrechern geschrieben wurden? Ich denke, da muss man vorsichtig sein mit Vorurteilen. Das war auch der Grund, warum ich Tutorin geworden bin. Ich will bei der Raunzerei nicht dabei sein, ich will selbst verändern. Ich glaube, dass man in jedem Studium an der Universität sein Spiel selbst spielen kann.

Wie frei ist denn das aktuelle Unisystem noch wirklich? Mein Studium war noch relativ frei – was ich heute noch mitbekomme, ist das System ein doch sehr verschultes, ähnlich einer FH.

Verschult? Das glaube ich nicht. Ich hatte bisher immer das Glück auf allen Ebenen sehr viel Freiheit zu genießen. Ich bin dabei von Professoren unterstützt worden. Ein Unistudium hat noch eine große Chance: die Zeit. Man hat doch erheblich mehr Zeit, sich mit Themen und Ressourcen zu beschäftigen, die anderswo keinen Platz finden würden.

Du hast vorhin gemeint, heute hat fast jedes Unternehmen eine eigene Marketingabteilung – das war vor 20 Jahren noch anders. Welchen Stellenwert hat Kommunikation mittlerweile?

Einen sehr hohen und ständig steigenden. Wir gehen von der Industrie- hin zur Wissensgesellschaft. Alleine durch Social Media hat Kommunikation einen anderen Stellenwert bekommen. Allerdings muss man sich im Gegenzug den klassischen Journalismus ansehen, da werden die Jobs immer weniger, weil die Medienfinanzierung nicht mehr gegeben ist.

Wie siehst du den Wandel des Journalismus: braucht es noch richtige Journalisten oder hat ohnehin jeder Zugang zu Infos?

Ich glaube, dass sich weniger der Journalismus an sich geändert hat, sondern das journalistische Handeln. Ich denke es ist sehr wichtig, dass gewisse Bereiche journalistisch aufbereitet werden. Stichwort investigativer Journalismus. Hier ist es bedeutend, dass das jemand macht, der die Quellen und das Know-how hat. Das journalistische Handeln ist allerdings jedem möglich. Da sehe ich noch das Problem, dass Blogs nicht in der Ernsthaftigkeit angekommen sind. Derzeit handeln die meisten über Fashion, Food und Selbstdarstellung. Da wünsche ich mir viel mehr journalistischen Zugang und eine Seriosität dahinter. Vielleicht auch eine Mischung aus beiden Zugängen, damit die Mehrheit über diese Themen dann diskutieren kann.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Welche sind deine Lieblingsmedien bzw. favorisierten Blogs?

Ich finde VICE ganz cool, auch wenn sie manchmal zu trashig sind. Mir gefällt aber die Art und Weise aus der Ich-Rolle zu berichten, aus dem Ereignis heraus und nicht einfach nur darüber. Auch die Tagespresse finde ich sehr gut. Auch wenn es sich um Satire handelt, liegt hier sehr viel Wahrheit in dieser verdrehten Wahrheit (lacht). Es gibt ja immer mehrere Herangehensweisen über Themen zu diskutieren. Aber auch andere Projekte, die konstruktiven oder lösungsorientierten Journalismus bringen finde ich toll.

Inspiration und Arbeit: Was motiviert dich?

Dass ich mit vielen positiven Menschen zu tun habe. Das ist ein Riesengeschenk. Young Viesions war ein enorm glücklicher Zufall. Einerseits die jungen Studierenden, die nicht mehr nur in der Klasse sitzen, sondern innovativ und kreativ arbeiten wollten. Auf der anderen Seite dieser starke Bedarf an positiven Nachrichten im Allgemeinen. Wenn Menschen Spaß mit in die Arbeit bringen und gleichzeitig ein professionelles Projekt aufziehen, dann ist das eine große Motivation.

Du hast gesagt, du wolltest immer universitär arbeiten, um das Image des Studiums zu verbessern. War eine Unikarriere für dich also immer selbstverständlich?

Nein, gar nicht. (überlegt) Das kam daher, weil ich diese Freiheit gebraucht habe. Ich finde die Herangehensweise als Fachtutorin spannend und die Möglichkeit, sich weiterzubilden und mit anderen auszutauschen.

Ich möchte weiter unterrichten, in welcher Form auch immer.

Wie sieht deine Zukunft aus, wirst du weiter an der Uni bleiben?

Ich sollte mich diese Sachen selbst mal fragen (lacht). Ich möchte auf jeden Fall weiter unterrichten, in welcher Form auch immer.

Wie bekommt man hier das richtige Gefühl? Im Unistudium bekommt man wenig Praxis hinsichtlich Didaktik vermittelt – wie wird man ein guter Lehrender?

Hier muss ich vorausschicken, dass man als Fachtutor kein klassisches Lehrprogramm hat, sondern, dass man nur den Anstoß gibt. Das Meiste kommt von den Studierenden selbst. Man gibt ihnen eine Hilfestellung, selbst auf die Lösungen zu kommen. Deshalb ist es ein sehr stark Feedback abhängiger und -orientierter Prozess. Dessen sollte man sich bewusst sein. Es gibt hier nicht nur eine Lösung, oder ein Ja bzw. ein Nein. Da kann man selbst als Lehrende nicht immer in richtig oder falsch einteilen. Prinzipiell glaube ich, dass man mit dem richtigen Engagement und viel Selbstreflexion gut lehren kann. Das Engagement muss aber sehr, sehr groß sein (lacht)

Andere Frage: Wie viele Quereinsteiger habt ihr und wie viele, die ausschließlich und nicht berufsbegleitend studieren?

Ca. 10 bis 15 Prozent. Es sind sehr viele darunter, die älter sind und das Studium aus persönlichen Kommunikationsinteresse oder aus beruflicher Notwendigkeit studieren.

Immer wieder höre ich: Kommunikation kann jeder und ist keine Kunst. Würdest du das unterschreiben?

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Alltagskommunikation und beruflicher Kommunikation. Im Alltag kann man sich natürlich viel mehr erlauben. Bei der professionellen Kommunikation glaube ich nicht, dass die jeder einfach so beherrscht. Das ist ähnlich wie bei einem Koch: Gewisse Werkzeuge sind da, gewisse Griffe können erlernt werden – doch Talent ist immer noch notwendig. Es kommt oft auf Nuancen an. In der Kommunikation zum Beispiel das Spiel mit Worten, das man beherrschen sollte. Natürlich gibt es dann jene, die an gar nichts interessiert sind und nur das Studium absolvieren, weil sie nicht wissen, was sie sonst machen wollen. Die großen Studienrichtungen sind für solche Personen Anlaufstellen. Die darf man aber nicht als Imageträger für das Studium heranziehen. Die rasseln durch und wären für solche Berufe auch gar nicht passend. Wie immer im Leben, hängt es einfach vom Engagement ab.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Klingt danach, als ob Publizistik dringend einen Imagewandel benötigt?

Auf jeden Fall. Aber was wichtiger ist, ist eine Aufklärung darüber, was einen im Studium eigentlich erwartet. Es ist eben keine Berufsausbildung, sondern eine wissenschaftliche Ausbildung. Bei jenen, die die ganze Zeit über das Studium raunzen wünsche ich mir, dass sie einfach einmal das machen, was sie sonst gern tun würden. Wenn sie Filme machen wollen, sollen sie einen Film machen, wenn sie Journalisten sein wollen, sollen sie etwas Eigenes starten. Diesen Imagewandel wünsche ich mir intern so sehr. Ein bisschen mehr Reflexion und ein Out of the box-Denken. Nochmal: das Studium ist deine Bühne, auf der du machen kannst, was du willst.

Ist das, was du jetzt machst, das, was dich erfüllt? Wenn du dich frei entscheiden könntest, würdest du etwas anderes tun?

Ich bin komplett richtig in dem, was ich tue. Für Technische Chemie würde mir das Interesse fehlen. Ich bin bei den Buchstaben zu Hause. Hier habe ich das Gefühl, mit spannenden Themen konfrontiert zu sein. Es ist ein unglaubliches Geschenk, wenn man sich – wie vorhin gesagt – mit positiven Dingen beschäftigen kann.

Natürlich ist die Welt nicht nur zuckerlrosa, aber auf der anderen Seite ist auch der blühende und schöne Apfelbaum eine Realität.

Provokativ gesagt: Die Welt ist ja nicht nur positiv.

Natürlich ist die Welt nicht nur zuckerlrosa, aber auf der anderen Seite ist auch der blühende und schöne Apfelbaum eine Realität. Es gibt genug schlimme Dinge und wenn man alles stets nur von der negativen Seite betrachtet, landet man in einem Negativismus, der nirgendwo hin führt. Ich glaube einfach, dass vor allem junge Medienmacher in der Pflicht sind, es ein bisschen anders zu machen. Ich finde es z.B. in unserem Medienprojekt auch wichtig über Lösungsansätze zu berichten, die eben auch vorhanden sind – das ist für mich persönlich kein Ausblenden der Realität.

Eine große Frage noch: Universität und das Gendern gehen Hand in Hand. Wie ist deine Meinung dazu?

Das ist in der Tat spannend. Im Tutorium diskutiere ich immer mit den Studierenden darüber. Beispielsweise, wie wir im Blog damit umgehen. Die meisten meinen, es stört eher den Lesefluss und es gäbe wichtigere Dinge auf der Welt.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Deine Antwort darauf?

Die erste Frau, die eine Hose trug, sah auch komisch aus – heutzutage ist es normal. Deswegen wird bei uns gegendert. Für mich ist es wichtig, dass – wenn man ein neues Medienprojekt startet – man auch überlegt, was man anders machen könnte. Am Ende des Tutoriums sind die meisten der Genderthematik gegenüber sehr positiv eingestellt.

Wie definierst du Helden?

Ein Held ist jemand, der für andere ins kalte Wasser springt  – und das, obwohl er vielleicht selbst nicht schwimmen kann.

Siehst du dich als Heldin?

Nein. Ich glaube, bei mir fehlen noch ein paar Sprünge mehr ins kalte Wasser.

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