„Wir sind Bauchmenschen“

Josef (26) und Johannes (21) Ellersdorfer sind Künstler mit Leib und Seele. Der eine, Josef, ist fixes Ensemblemitglied im Theater in der Josefstadt in Wien. Der andere, Johannes, reist mit seiner Dance Industry zwischen Wien, Kärnten und der Weltgeschichte umher. Wäre da nicht der Altersunterschied, könnten die zwei als Zwillinge durchgehen. Im Interview sprechen sie über das enge Familienverhältnis, ihre Unfähigkeit Neid zu entwickeln und erklären, warum man in der Kunstwelt eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein braucht.

Ich freue mich sehr, dass unser Gespräch zustande gekommen ist. Erzählt mal ein bisschen was über euch.

Josef: Ich bin Josef Ellers, so mein Künstlername, und bin Schauspieler im Theater in der Josefstadt. Ich habe schon als Kleinkind viele Dinge ausprobiert, um zu entdecken, was mir liegt und gefällt. Vom Englischkurs, Schachkurs, Taekwondo, Standardtanz bis zum Jazzdance. Beim Jazzdance ist es dann für einige Jahre geblieben. Bis die Schauspielerei kam.

Johannes: Ich habe dann das Tanzen übernommen. Wir sind in die gleiche Schule gegangen und als kleiner Bruder hatte ich es nicht immer leicht. Ich wollte immer so sein wie der große Bruder und deswegen habe ich die gleichen Sachen gemacht. Ich bin dann zum Showtanz gekommen und dabei ist es geblieben. 2011 habe ich die Dance Industry gegründet.

Wenn ihr eh fast alles gemeinsam gemacht habt, wie kommt es, dass einer Schauspieler ist, der andere Tänzer? Wieso nicht eine Sache gemeinsam?

Josef: Ich bin immer schon gerne auf der Bühne gestanden und habe das Tanzen, Singen und Schauspielern genossen. Da konnte ich meine Energie abbauen. Mit 15 Jahren nahm ich bei einigen Auditions für Musicals teil (Aufnahmeverfahren ähnlich Castings, Anm.). Dadurch bin ich zu einer Rolle in “The Sound of Music” gekommen – mein erster Schritt nach Wien. Aber das, was das Feuer endgültig zum Lodern gebracht hat, war mein erstes großes Engagement, das ich durch meinen großen Mentor und “Ziehvater” Werner Sobotka bekommen habe. Er hat mich nach einer Audition für die Rolle des Piccolo im Weißen Rössl, an den Wiener Kammerspielen engagiert. Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht. Ich war zu jener Zeit in der Vorbereitung zu meiner Matura. Aber ich habe gesagt: Ok, wenn das klappt, dann bleibe ich. Es sind 90 Aufführungen geworden. Seitdem verbindet mich mit Werner eine außergewöhnliche, intensive Freundschaft. Dann hat er mir geraten, eine Schauspielausbildung zu machen. Mit 19 bin ich zum Konservatorium, habe die Aufnahmeprüfung gemacht und von 350 Personen war ich einer von neun, die aufgenommen wurden. Ab diesem Moment habe ich gewusst: so geht es weiter.

Josef Ellersdorfer, Foto: Claudio Hiller
Josef Ellersdorfer, Foto: Claudio Hiller
Das heißt, die Schauspielerei war nicht von Kindesbeinen an dein Traumberuf?

Josef: Nein, das hat sich so entwickelt. Beim Schauspiel reizt mich der Kontakt mit dem Publikum. Die Spannung, die zwischen Zusehern und Schauspielern entsteht, und die Tatsache, dass der Zuseher live dabei ist, haben mich immer fasziniert.

Deshalb die bewusste Entscheidung für das Theater?

Josef: Ich habe nichts gegen Film und Fernsehen. Das Theater war eigentlich keine bewusste Entscheidung, sondern hat sich mit der Zeit entwickelt.

Johannes, du bist Tänzer geworden, hast die “Dance Industry” gegründet. Wolltest du dich vom großen Bruder abkapseln? Hat dich die Schauspielerei nie interessiert?

Johannes: Eigentlich schon. Ich habe auch bei ein paar Produktionen mitgewirkt. Aber ich tanze lieber und bin auch sonst sportlicher und aktiver. Ich habe auch die Ausbildung zum Personal Trainer.

Josef: Moment, das heißt nicht, dass ich nicht aktiv bin (lacht).

Johannes: Das kann man jetzt interpretieren, wie man will (lacht). Nein. Bei mir ging es darum, dass ich wusste, ich möchte vom Tanzen leben. Ich wollte immer auch schon ein Produkt verkaufen und vermarkten. Ich wollte auch immer schon Chef sein – also im Sinne von managen. Ich habe schon als Kind organisiert, welche Mutter uns wann ins Kino führt und habe am Flohmarkt Sachen verkauft. Ich wusste früh: Ich bin eine Rampensau.

Du hast Chef und Rampensau in einem Absatz erwähnt. Es gibt nicht viele, die das so direkt sagen. Musst du da auch – ob deines Alters – Kritik einstecken, wenn du so direkt auftrittst?

Johannes: Am Anfang war es schwierig, aber irgendwann differenziert man zwischen konstruktiver Kritik und Neid. Wenn man weiterkommen möchte, muss man lernen Kritik annehmen zu können und herausfinden, welche Leute es gut mit dir meinen, selbst wenn sie dich kritisieren. Man wäre blöd, wenn man das nicht machen würde. Natürlich gibt es auch einfach nur Nörgler. Man merkt aber recht schnell welche Kritik man ernst nehmen muss.

Wie sieht das bei euch in der Bruderrolle aus, kritisiert ihr euch gegenseitig?

Josef: Natürlich. Unbedingt. Bevor wir “super” und “toll” sagen, reden wir lieber noch einmal darüber. Aber das ist gut. Wir sind beste Freunde und wir kennen uns.

Johannes: Wir sind in vielen Dingen extrem ähnlich, ergänzen uns super. Das ist auch fürs Berufliche perfekt.

Josef: Johannes kommt oft mit Ansätzen, auf die ich gar nicht gekommen wäre. Und ich weiß: ich kann ihm voll und ganz vertrauen.

Johannes: Am Anfang war es natürlich ein bisschen schwierig, weil er ja der größere Bruder ist – oder zumindest der ältere, der große bin mittlerweile ich (lacht). Wir haben uns eigentlich nur in meinen jüngeren Jahren schwer getan. Da er nur das Beste für mich will, kann er  gerne den großen Bruder raushängen lassen.

Man merkt, dass ihr sehr vertraut seid. Geht ihr euch nie auf die Nerven, ist es nie zu viel Familie?

Johannes: Gar nicht. Wir hatten unsere schwierigen Zeiten, als ich 13 war. Da hat er weniger mit mir anfangen können.

Josef: Nein, das stimmt so nicht.

Johannes: Sagen wir so: je älter wir wurden, desto besser wurde unser Verhältnis.

Josef protestiert an dieser Stelle.

Josef: Da bin ich anderer Meinung. Uns trennen fünf Jahre Altersunterschied und dennoch haben wir sehr, sehr viel Gemeinsamkeiten. Wir haben fast alles miteinander gemacht. Ob Rollerskaten, Spiele erfinden und so weiter. Wir waren immer schon beste Freunde.

Johannes: Uns ist die Familienbeziehung überhaupt wichtig, auch mit unseren Eltern. Wir können und möchten über alles reden.

Josef: Unsere Eltern haben immer gesagt, egal was ihr macht, wir stehen immer hinter euch. Das wahrhaft Tolle daran ist, dass diese Rückendeckung von meiner Familie mich zu wirklich großen Taten ermutigt. Man traut sich viel, wenn man Back-up hat. Wenn man ein starkes soziales Netz hat, das einen auffängt.

Johannes: Man kann es mit einem Auffangnetz im Zirkus vergleichen. Man kann sich austoben, aber man weiß, sollte man fallen, schlägt man nicht direkt auf dem Boden auf. Das gibt viel Mut und Kraft und das wissen wir sehr zu schätzen.

Es kommt nicht darauf an, wie oft man scheitert, sondern wie oft man aufsteht.

Das Thema Scheitern kommt derzeit sehr oft vor. Wie steht ihr dazu, zum Fehler machen?

Josef: Nur wenn man Fehler macht, kommt man weiter.

Johannes: Es kommt nicht darauf an, wie oft man scheitert, sondern wie oft man aufsteht. Wir hatten auch mit der Dance Industry schon viele Rückschläge einzustecken. Aber dafür braucht man ein gutes Team und Leute, die dir den Rücken stärken und für dich da sind. Bei uns ist der Zusammenhalt so stark wie in einer Familie. So muss es auch sein.

Wenn wir über das Lernen aus Fehlern sprechen, was ist für euch wichtiger: der Erfolg oder der Misserfolg?

Josef: Durch das Scheitern kommt man zum Erfolg. Nach dem Ausschlussverfahren.

Johannes: Man darf das Scheitern nicht persönlich nehmen…

Josef: …eher als Chance.

Johannes: Wichtig ist nur, dass, wenn man ständig scheitert, man beginnen sollte quer zu denken. Dann sollte man etwas anders machen. Zum Beispiel bei uns: Tänze gibt es wie Sand am Meer. Aber Tänze mit LED sind ganz was anderes. Das gab es in Österreich noch nicht. Von unseren 132 Shows waren immerhin 90 LED Shows.

Hierzulande haben wir leider eine jeder gegen jeden Mentalität.

Du sprichst es an: Vor zwei Jahren gab es dazu eine große Diskussion, dass ihr die Idee mit LED-Tänzen geklaut hättet.

Johannes: Dazu muss man sagen, dass wir nicht die Erfinder von LED-Tänzen sind. Es gibt viele Crews, die das schon vor uns gemacht haben. Vor allem in Amerika und Asien. Wir haben es aber nach Österreich gebracht. Wir sind mit vielen dieser Crews ohnehin in Kontakt. Die meisten Leute denken, wir hätten das abgekupfert oder gestohlen. Als ich mit meiner Mitgründerin Julia Wutte in New York war, haben wir uns das ‘Team Illuminate’ angesehen. Die haben American Idol gewonnen. Mit ihnen haben wir Problemlösungen und Ideen ausgetauscht.

Josef: Es ist ein Miteinander, kein Gegeneinander.

Johannes: Hierzulande haben wir leider eine “jeder gegen jeden Mentalität”. Ein Traum von mir ist, dass eines Tages die besten Tänzer Österreichs sich zusammensetzen und etwas Großartiges machen. Es ist leider schwierig. Ich verstehe es auch, weil niemand gerne seine besten Tänzer hergibt. Aber ich verstehe nicht, wieso es so wenig Kooperationsbereitschaft gibt.

Woran liegt das deiner Meinung nach?

Johannes: Im Tanzbereich ist es in Österreich schlimmer als in Deutschland. Beispiel: Alleine in Kärnten gibt es Dutzende Tanzschulen – die Vereine noch nicht mitgezählt. Da entsteht ein Futterneid. Wenn einer meiner Tänzer einen Workshop besucht, dann hilft das auch mir. Ich forciere das und bin nicht beleidigt, wenn er woanders tanzt. Und wenn einer sowieso nicht dabei sein möchte, dann möchte ich ihn auch nicht bei mir haben.

Wie ist das mit der Neidgesellschaft im Schauspielbusiness, Josef?

Josef: Naja. Jetzt sind wir bereits in Wien und der Markt ist immer noch zu klein, um einfach an einen bezahlten Job als Schauspieler zu gelangen. Der Marktwert eines Schauspielers ist schwierig zu definieren. Es gibt wenig Plätze, weil es zu wenig Geld gibt. Da achten alle penibel darauf, den eigenen Wert zu steigern.

Wie schafft ihr euren Wert zu steigern?

Josef: Erstens immer volle Leistung bringen und zweitens hinter dem stehen, was man macht. Mein Grundsatz: Das was ich mache, hat einen Wert.

Johannes: Mein Credo ist: Ehre wem Ehre gebührt. In meinem Business zählt das Gesamtpaket. Es geht um mehr als die Show. Das beginnt bei der Kundenfreundlichkeit bis hin zur Flexibilität, wenn beispielsweise die Bühne nicht so ist wie vorab vereinbart. Der Kunde ist König, und man muss ihm immer das Gefühl geben, nur für ihn da zu sein. Das will jeder Mensch. Aber daran scheitert es in unserer Branche oft. Das Budget der Tänzer wird leider in den Keller gedrückt.

Josef: Die Frage ist natürlich, was die Leute bereit sind zu zahlen.

Also sind wir wieder einmal beim Thema: Was nichts kostet, ist nichts wert?

Josef: Weil die meisten eben nicht wissen, was dahinter steckt. Wenn jemand einen Song performt oder wenn ich einen Monolog spreche, wird das hingenommen. “Der spricht halt ein bissl”, heißt es dann. Aber die Zeit, die man investiert, die Gedanken, die man sich macht, die Stunden und Tage, die man mit den einzelnen Worten verbringt – diese Dinge werden nicht gesehen.

Johannes: Die Leute sehen die 3 Minuten auf der Bühne, nicht aber, dass viel Probezeit und Arbeitszeit darin stecken. Bei uns ist es so: Wir machen eine Choreografie, dann proben wir im hellen Raum, dann im dunklen Raum mit den LED-Anzügen – erst danach können wir mit einer Nummer raus.

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Was entgegnet ihr jenen, die sagen: naja, für uns braucht ihr nicht so einen Aufwand betreiben, uns reicht weniger auch?

Josef: Dann muss man demjenigen zeigen, was Aufwand bedeutet. Aber wenn mich jemand so drücken will, dass ich nicht hinter meiner Arbeit stehen kann, dann mache ich es nicht. Dann kann ich das nicht mit meinem Herz und Bauchgefühl verbinden.

Apropos Bauchgefühl: Welchen Stellenwert räumt ihr diesem ein?

Josef: Ich glaube, ich kann stellvertretend für uns alle sprechen, wenn ich sage: unsere gesamte Familie besteht aus Bauchmenschen. Wir hören immer zuerst auf das Bauchgefühl. Ich bin mit einer Bauchentscheidung auch noch nie falsch gelegen.

Würden alle Klugen nachgeben, würde die Welt nur noch aus dummen Menschen bestehen.

Das sagen viele und ich kann es nachvollziehen. Ich würde aber gerne einmal mit jemandem sprechen, der mir sagt: nein, ich bin hochanalytisch.

Josef: Künstler sind irrsinnige Bauchmenschen. Da geht alles übers G’spür.

Johannes: Natürlich ist es nicht immer ganz so einfach. Man kann ein gutes Gefühl haben, aber die Arbeitsweise von Menschen kann man nicht voraussehen. Es heißt ja immer: Der Klügere gibt nach. Würden alle Klugen nachgeben, würde die Welt nur noch aus dummen Menschen bestehen. Man muss also schon auch dagegenhalten.

Nicht einfach nachgeben.

Josef: Nein. Du musst zu dir stehen können.

Aber beim Nachgeben – in preislicher Hinsicht – spielt die Verlustangst eine große Rolle. Knickt man nicht eher ein, wenn der Verlust eines Auftrags droht?

Josef: Verlustangst hat auch damit zu tun, das Glück zu verlieren. Also ist die Frage: was macht dich glücklich? Ich habe das Glück, fixes Ensemble-Mitglied in der Josefstadt zu sein. Da hab ich ein wahnsinniges Glück von 14 Monatsgehältern als Schauspieler. Das muss man in Zeiten wie diesen sehr schätzen. Gerade weil es so wenig Plätze für so viele Schauspieler gibt.

Johannes: Bei mir kommt dazu, dass ich selbstständig bin. Also muss ich meine Aufträge verdienen und an Land ziehen. Wir schätzen jedes Angebot, das reinkommt, und es kristallisiert sich heraus, mit wem man zusammenkommt. Es gab auch Kunden, bei denen wir nicht einmal ein Zweitgespräch hatten, weil der Preis nicht passte.

Josef: Dabei ist alles Verhandlungsache.

Johannes: Wir haben ja kein fertiges, starres Produkt, sondern bieten Dienstleistungen in der Unterhaltungsbranche an.

Wie geht ihr mit Anfragen um, die euch nur gratis haben wollen?

Johannes: Es kommt darauf an, ob wir dadurch PR haben. Was könnten uns die Kunden bieten? Ich kann es natürlich nicht einfach machen, weil ich jemanden so gern habe. Ich muss schließlich unsere Tänzer bezahlen. Da kommt das Geschäftsdenken durch. Das ist schwierig, keine Frage.

Das heißt Kunst und Unternehmertum gehen für euch zusammen?

Johannes: Das Wichtigste ist Selbstbewusstsein, um zu zeigen, dass man etwas wert ist.

Josef: Die gehen seit Jahrhunderten zusammen. Es ist auch möglich, man muss nur zeigen, was dahinter steckt. Ich finde es zum Beispiel gut, wenn verschiedene Kunstformen, wie das Theater, an unübliche Plätze kommen, um die Menschen dort zu erreichen. Ein Beispiel: Ich arbeite gerade an Leutnant Gustl (Werk von Arthur Schnitzer, Anm.) und habe Johannes und zwei Freunden im Wohnzimmer meinen einstündigen Monolog vorgespielt. Obwohl es ein Wohnzimmer war, sind sie in die Welt hineingekippt.

Apropos: Verfolgt ihr zwei die Arbeit des jeweils anderen genau?

Johannes: Ich habe bisher alle Stücke von Joe gesehen. Eines der besten, aber emotional schlimmsten Stücke war “Wie man unsterblich wird”. Darin hat er einen Leukämiekranken gespielt. Für mich war es schwierig anzusehen, wie mein Bruder stirbt. Auch wenn es nur auf der Bühne war.

Josef: Es war eines meiner Herzstücke. Ich habe dafür meine Haare abrasiert und bin mit Glatze aufgetreten.

Johannes: Ich weiß nicht was du hast, aber du erwischt immer solche Rollen. Oder Rollen, in denen du geschlagen wirst (lacht). Das ist natürlich wieder lustig, wenn man als kleiner Bruder zuschauen kann.

Josef: Vielleicht hab ich einfach nur ein Gesicht, das man gerne… (lacht).

Johannes: Nein, ich bin sehr stolz auf ihn und ich erzähle jedem im Detail, was mein Bruder macht.

Was unsere Eltern für uns gemacht haben, ist nicht selbstverständlich.

Das klingt, als ob ihr euch für den anderen mehr freut, als für euch selbst.

Josef: Wir sind überhaupt nicht neidig. Das Wort Neid verwende ich überhaupt nicht. Das kenne ich nicht. Wenn wir uns von neuen Aufträgen erzählen, dann kommt Freude auf. Dann weiß ich, dass es ihm gut geht.

Johannes: Wir sehen das eher als großen Familientopf. Wenn Josef im Lotto gewinnen würde, würde auch ich mich freuen.

Josef: Und er könnte sich sicher sein, er würde was bekommen,

Johannes: Gerade gestern habe ich wieder darüber nachgedacht. Ich würde meinen Eltern sofort ein Haus kaufen. Alleine was sie für uns alles gemacht haben.

Josef: Nur als Beispiel: Wir haben damals noch in St. Veit (in Kärnten, Anm.) gewohnt und ich habe fünf Mal in der Woche getanzt. Unsere Mutter hat uns jeden Tag geführt, hat dort gewartet und uns dann wieder nach Hause gebracht. Das sind etliche Kilometer und vor allem viel Lebenszeit, die sie für uns geopfert hat. Das muss man einfach schätzen.

Johannes: Alles was unsere Eltern fürs uns gemacht haben, ist nicht selbstverständlich. Irgendwann fängt man differenzieren an: Lebenszeit, Arbeitszeit – was ist was?

Josef: Das Thema ist auch mir wichtig. Arbeitszeit ist für mich gleich Lebenszeit. Ich sage nie, dass ich arbeiten muss. Entweder habe ich Probe oder Vorstellung.

Was ist für euch das vollendete Glück?

Josef: Mein Lebenstraum, der mir schon jetzt erfüllt wurde. Dass ich dieses Hobby meinen Beruf nennen darf.

Johannes: 90 Prozent meiner Zeit verbringe ich mit meinem Hobby. Ich bin 21 Jahre alt und ich bekomme Geld dafür, dass ich zu Auftritten fliege, wie zum Beispiel nach London. Ich lerne neue Menschen und Promis kennen. Das ist schon sehr spannend. Wenn das meine letzte Arbeit ist, die ich mache, dann sehr gerne. Dabei bleibe ich. Natürlich gibt es auch Dinge wie Buchhaltung, die ich nicht so gerne mache. Das ist für mich dann eben Arbeit.

Josef und Johannes Ellersdorfer, Foto: Claudio Hiller
Josef und Johannes Ellersdorfer, Foto: Claudio Hiller
Um den Kreis zu schließen: Wie sieht es mit einer Zusammenarbeit von euch aus?

Johannes: Die gibt es schon. Ich buche den Joe immer wieder mal als Kameramann oder Regisseur für Produktionen. Oder für Workshops. Bei ihm weiß ich, er macht es nicht des Geldes wegen, sondern aus einer familiären Motivation heraus. Weil er weiß, sonst sage ich’s der Mama (lacht).

Josef: Absolut. Als ich das letzte Mal einen Lichttechniker brauchte, wollte ich Johannes engagieren, weil ich wusste, er würde sich anstrengen. Leider klappte es nicht und, und so hat es mein Vater gemacht. Bei ihm konnte ich aber nicht so streng sein, wie mit meinem kleinen Bruder. Aber im Ernst: Das ist so wie wenn wir Klettern gehen. Ich kann mir zu hundert Prozent sicher sein, dass er mich hält.

Johannes: Ich weiß auch, wenn ich was brauche, dann ist Josef für mich da. Auch bei anderen Themen.

Josef: Wir reden wirklich über alles und geben uns Tipps.

Johannes: Da gibt es eine lustige Anekdote. Als unsere Mutter mit mir schwanger war, hat sie Josef gefragt, was er sich wünscht.

Josef: Ich habe dann gesagt entweder einen Bruder oder eine Katze (lacht).

Zum Abschluss meine Lieblingsfrage: Wie definiert ihr Helden?

Josef: Ein Held kann ein ganz normaler Mensch sein. Ein Postbote genauso wie jeder andere. Einfach ein Mensch, der etwas Besonderes leistet. Das beginnt schon damit, wenn man jemandem die Türe aufhält. Ein Held ist jemand, der mit offenen Augen durch die Welt geht. Jemand, der Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Johannes: Für mich ist ein Held der, der soziale Kompetenzen aufweist. Ich erlebe das Gegenteil leider immer wieder, vor allem in Wien. Gerade vor Kurzem: Ein betrunkener Mann ist auf dem Boden gelegen. Ich bin sofort hin – aber vor mir ist schon jemand dabei gewesen. Hunderte Personen sind einfach weitergegangen. Ein Held ist der, der hilft, wenn es wirklich darauf ankommt.

Josef: Im Theater wollen die Leute jemanden sehen, der kämpft. Sie wollen nicht den Leidenden, sondern den, der stark ist, auch wenn es schwierig wird. Das gibt Kraft und die Chance etwas für sich mitzunehmen. Die Leute sehen: ok, wenn der das schafft, mit seinen Problemen, dann schaffe ich das auch ohne Probleme.

Johannes: Das finde ich beim Theater überhaupt schön: jedes Mal, wenn ich aus dem Theater gehe, nehme ich eine neue Sichtweise mit. Das bringt so viel Nähe und Emotionen. Ich finde es schade, dass gerade junge Leute so selten ins Theater gehen.

Würdet ihr euch als Helden bezeichnen?

(lange Pause)

Josef: In manchen Situationen vielleicht. Ich glaube ein Held steckt in jedem. Ein Held ist man aber auch nicht durchgehend. Das kommt auf den Moment an. Wahrscheinlich war ich oft ein Held, wahrscheinlich war ich aber oft auch einfach eine feige Sau. Das realisiert man dann oft im Nachhinein.

Johannes: Held ist so ein weiter Begriff. Ich versuche eher ein Vorbild zu sein. Ich arbeite viel mit Kindern zusammen. Einmal kam einer und sagte: Wenn ich groß bin, möchte ich so sein wie du. Da geht einem das Herz auf. Irgendwas muss ich also richtig machen. Das ist was Schönes.

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