Der Mann mit dem schwarzen Hut

Mysteriöse Begebenheiten, Verschwörungen, geheime Botschaften – das steht bei Harald auf der Tagesordnung. Der studierte Politikwissenschafter hat realisiert, womit der Film “The Game” für Gänsehaut sorgt: Er verschenkt erlebbare Abenteuergeschichten.

Seine Devise: “Ich möchte Menschen das Unwahrscheinliche glauben lassen. Nicht das Unmögliche, aber ich möchte, dass die Leute bereit werden, die kleinen und großen Abenteuer des Lebens anzunehmen. Es geht darum, den eigenen Schweinehund zu überwinden und zu sagen: Völlig egal, das ist ein Abenteuer, darauf lass ich mich ein, schauen wir einmal, was passiert. Man muss die Dinge annehmen, die das Leben bietet. Nicht nur feig und faul sein und Nein sagen und Heim gehen und den Fernseher einschalten.”

Harald, wer bist du und warum  willst du dein Gesicht nicht zeigen?

Wer man ist, das definiert sich oft auch über das was man macht. Was ich mache ist Tag8. Ein Start-Up, das Erlebnisse anbietet. Ich nenne diese Tage „erlebbare Abenteuergeschichten“. Es ist wie ein Thriller oder ein Adventure-Game – nur in echt! Ich konstruiere eine Geschichte, in die der Kunde hineinversetzt wird. Denk an “The Game”, den Film wo jemand in eine haarsträubende Geschichte verwickelt wird und bis zum Schluss glaubt es sei echt – dabei ist es nur ein Überraschungsgeschenk seines Bruders. Unerkannt bleibe ich deshalb gerne, weil ich mir vorbehalte in meinen Abenteuern selbst mitzuspielen. Es wäre ja langweilig, wenn mich die Leute sofort erkennen würden. Dann hätte das Abenteuer keinen Reiz mehr.

Das klingt aber rechtlich bedenklich.

Nein, keine Sorge. Ganz so schlimm wie in “The Game” soll es nicht sein. Es ist auch alles mit der Person, die das Erlebnis schenkt abgestimmt. Die Person muss auch vorab AGB unterschreiben. Und natürlich ist für uns oberste Priorität, dass es Spaß macht und nicht negativ schockierend ist.

Aber ist es nicht langweilig, wenn die Person schon weiß, dass es sich um ein Event handelt?

Der Idealfall, dass die Person nichts weiß, ist eben rechtlich nicht möglich. Da bin ich schon von meinen Juristen zusammengepfiffen worden, die gemeint haben sonst würd ich “in Häfn” gehn (lacht). Mit den AGB verhält es sich so, dass die Person den Vertrag schon lange vor dem Event bekommt. Die betreffendePerson weiß also Bescheid. Aber das ist nicht schlimm. Es ist wie bei einem Film. Da weiß ich auch, dass alles nur gespielt ist und dennoch sitze ich gebannt vor dem Bildschirm und fiebere mit. Es ist ohnehin besser, wenn die Beschenkten wissen, dass nicht alles echt ist – bevor sie zur Polizei gehen.

Foto: Markus Neubauer
Foto: Markus Neubauer
Woher kommt diese Idee?

Es hat sich aus einem Geschenk für einen Freund entwickelt. Ich habe ihm ein normales Geschenk gekauft und das wollte ich entsprechend präsentieren. Also gab ich ihm ein Rätsel auf. Am Ende war er fünf Stunden lang unterwegs, voll mit Adrenalin und schlussendlich total aufgeregt und glücklich über die Aktion. Er hat tagelang allen davon erzählt. Also dachte ich mir: Moment mal, da habe ich was gefunden, was funktioniert und was ich gut kann.

Das klingt alles echt wild. Was hast du ihm da organisiert?

Vor ungefähr 2 Jahren hat es bei einem jungen Mann an der Tür geklopft und davor lagen ein Brief und ein Wertkartenhandy. Was darin stand ging in Richtung Verschwörungstheorie, in die ich ihn bereits eingebaut hatte, in der sein Handeln erforderlich war. Jeder vernünftige Mensch würde zur Polizei gehen – sollte man auch tun (lacht). Aber in diesem Fall habe ich seine Freundin gebeten, ihn zu überzeugen, genau das nicht zu tun. Das habe ich mittlerweile zu einem Prinzip erhoben, dass immer eine Vertrauensperson dabei ist, wenn das Abenteuer los geht. Er musste hinaus, durch die Stadt und hat eine Abenteuerreise erlebt. Mit geheimen Verstecken, Rätseln, panisch verfassten Notizen, merkwürdigen Orten und schrägen Gestalten. Er ist erfolgreich und ziemlich aufgeregt bei mir am Ziel angekommen.

Woher kommt diese Kreativität? Hast du da eine einschlägige Ausbildung?

Ich habe eigentlich Jazzklavier und Politikwissenschaften studiert, bin auf vielen Bühnen gestanden und mache noch immer mit meiner Band Musik. Ich habe in der Entwicklungshilfe im Kosovo und in Serbien gearbeitet. Danach war ich Sozialarbeiter, dann an einer FH als Lektor und Projektmanager, dann habe in einer Künstlervermittlungsagentur gearbeitet und die Werbeakademie gemacht. Alles in allem hat mich das zu dem geführt, was ich jetzt mache. Erstens der Musikbereich, wo das Künstlerische durchkommt. Dann die Kommunikation, mit der man Leute lenkt und informiert. Das Organisatorische für Planung und Durchführung. Und dann die Erlebnisse aus dem Kosovo und Serbien, als ich mich im Ausland alleine zurechtfinden musste. Oder aus der Sozialarbeiterzeit, wo ich Obdachlose und Heroinjunkies kennen gelernt habe. Das sind alles meine kleinen Abenteuer, die mein Leben bereicherten.

Wie erklärst du dein Idee kurz und knapp?

Jungen Leuten erkläre ich es so: Es ist wie ein Computerrollenspiel, ein RPG, nur in der echten Welt.

Also wie ein Computerrollenspiel. Bespiel: Ich kann zu dir kommen und ein Mittelalter-Abenteuer in Wien erleben?

Genau das geht – nicht (lacht). Tag8 kannst du dir selbst nicht kaufen. Du kannst es dir nur schenken lassen. Von einer nahe stehenden Person am besten. Diese nahe stehende Person ist auch meine Bezugsperson, die mir alle Infos über den Beschenkten gibt. Ich nenne sie “gift maker”, “Geschenkmacher”. In einem Interview mit dieser Person versuche ich alle Details über den künftigen Abenteurer herauszufinden. Angefangen von Fähigkeiten, Kenntnissen bis zu den Vorlieben, Abneigungen und Ängsten. Ich muss wissen welche Situationen unangenehm sind, damit ich diese natürlich vermeide, aber trotzdem noch Spannung erzeugen kann.

Wie lange dauert ein Abenteuer?

Prinzipiell gibt es keine Grenze. Es ist nur eine Budgetfrage. Ich würde gerne ein Länder übergreifendes Event machen, das 5 Tage dauert. Das beginnt in Wien, wo ich in einem Safe ein Flugticket finde und es geht ab nach Moskau, wo schon der Typ mit schwarzem Mantel und Sonnenbrille wartet. Prinzipiell definiere ich einen Tag mit 6 bis 8 Stunden. Alles andere wird anstrengend und es soll nie zu einem Punkt kommen, an dem es langweilig oder mühsam wird. Man geht viel zu Fuß, weil ich denke, so erlebt man am meisten.

Woher kommt deine Inspiration?

Ich gehe in der Stadt herum, halte Ausschau nach neuen Locations, lese viel, schaue Filme, spiele Computer, denke nach…

Du nutzt Computerspiele als Inspiration?

Auf jeden Fall. Es hat ja einen Grund, warum so viele Leute in Rollenspiele und virtuelle Welten kippen. Das sind sehr schöne Welten. Darin gibt es keine Aufgabe, die man nicht schaffen kann. Man muss es nur oft genug probieren. Das klappt in der echten Welt nicht so. Wenn ich sage, ich will, keine Ahnung, unbedingt Kaiser von Japan werden, wird das unmöglich sein. In einem Spiel, das diese Option anbieten, ist es möglich. Und das ist schön.

Deswegen sind Computerspiele so beliebt?

Unsere Psyche reagiert gut auf schnelle Belohnungen. Deswegen verhalten sich Menschen in Spielen auch besser als im echten Leben, weil sie wissen: Es geht. Im echten Leben muss man studieren, ein Praktikum machen, sich einarbeiten und irgendwann, nach Jahrzehnten, ist man vielleicht dort, wo man sein möchte. Diese Dinge, die die Menschen in den virtuellen Welten ansprechen, möchte ich mit meinen Events auch in der Realität bieten. Da gibt es einen interessanten Vortrag von Jane McGonigal, die selbst Programmiererin ist und erklärt, warum sich so viele Menschen in diesen virtuellen Welten herumtreiben. Weil es eben für die Psyche Sinn macht.

Problematisch wird es dann, wenn die virtuelle Welt die echte ersetzt.

Wobei ich hier klarstellen möchte: Ich finde das Bild vom “faulen” Computer-Zocker nicht ganz richtig. Ist es faul 25 Mal zu versuchen den Drachen zu töten? Ich finde es fleißig. Man kann die Sinnhaftigkeit hinterfragen. Aber diese Person versucht zumindest eine Aufgabe zu meistern. Und Spielen ist ein sehr kreativer Prozess, aus dem man viel in die reale Welt mitbringen kann. Kreative Lösungsansätze, Hartnäckigkeit, Kooperationsstrategien und so weiter.

Ein Engagement, das in der echten Welt fehlt?

Viele denken, dass die echte Welt ungerecht und alles unmöglich ist. Ich möchte zeigen, was hingegen alles möglich wird, wenn man sich nur traut und sich engagiert. Dass das Leben auch ein bisschen ein Abenteuerspiel sein kann, wenn man mit dieser Einstellung hineingeht.

Das klingt spannend. Entwickelst du die Geschichten der Adventures alleine?

Ja. Das nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch. Aber ich habe meine Inspirationsquellen. Egal in welcher Lebenssituation, ich achte immer darauf, wo ich eine Story entwickeln könnte. Seien es Menschen, Gebäude, Locations, Ideen – ich führe eine recht lange Liste. Und ich ich gehe gerne zu Fuß. Da kommen viele Ideen. Ich freue mich auch sehr über Kooperationen, bei denen Leute zum Beispiel ihre Geschäfte oder Lokale zur Verfügung stellen.

Kann man deine Geschichten mitbestimmen?

Sagen wir so: Ich freue mich immer über Ideen. Es gibt manchmal dezidierte Wünsche, à la: Der steht voll auf Tennis. Dann werde ich versuchen Tennis einbauen. Aber ich lasse mir nicht in die fertige Geschichte dreinreden. Das ist schließlich meine Dienstleistung.

Anderes Beispiel: Einem Vampirfan könnte man – mit genügend Kleingeld – einen Abenteuertag in Transylvanien schenken und du organisierst das?

Selbstverständlich. Auf dem originalen Schloss von Graf Dracula. Das ist eine ausgezeichnete Idee (lacht). Ich fliege übrigens demnächst nach Rumänien. Mal schauen.

Ich stelle mir die Planung sehr langwierig und komplex vor. Wie viele Leute brauchst du, die dich unterstützen?

Viele Dinge mache ich selbst, habe aber auch Unterstützung von Grafikern, die mir Requisiten wie z.B. gefälschte Pässe herstellen können. Ein guter Freund ist im Filmgeschäft, der unterstützt mich bei technischen Sachen und beim Storytelling. Sonst greife ich auf Schauspieler zurück. Ich versuche es zu vermeiden uneingeweihte Personen mit einzubeziehen. Das kann nach hinten losgehen.

Gibt dir das einen Kick, deine Welt steuern zu können?

Natürlich ist das schön. Ich würde es sonst nicht machen, wenn es keinen Spaß machen würde (lacht). Aber hauptsächlich geht es mir darum, andere Menschen zu unterhalten und zu bespaßen. Das ist wieder der Musiker in mir.

Was, wenn der Beschenkte durch äußere Einflüsse nicht mehr weitermachen kann?

Es ist so: Wenn es nur an einem Rätsel scheitert, gibt es eine Notfallkommunikation. Entweder die Person bekommt ein Wertkartenhandy oder es kommt eine helfende Person ins Spiel, oder so ähnlich. Aber es gibt keine Firmen-Hotline wo du anrufen kannst, um Hilfe zu bekommen. Wir bleiben immer im Abenteuersetting. Natürlich, wenn wir von äußeren Umständen sprechen, wie Erdbeben, Vulkanausbruch…

…dann kannst du es einbauen?

Richtig. Dann baue ich das schnell ein (lacht). Nein, dann kann man eh nix machen.

Aber die beschenkte Person muss sich den Tag frei halten?

Genau. Es muss fix sein, dass die oder der BeschenkteZeit hat. Am besten funktioniert das, wenn der “gift maker” irgendeinen fixen Termin vorgaukelt.

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Preislich?

Die kleinste Geschichte kostet 188 Euro. Das ist nur eine kurze Sache, dauert eine halbe Stunde. Da reiße ich jemanden eben mal aus seiner Realität heraus. Das kann auch in Richtung Intervention gehen.

Man könnte zum Beispiel einen nicht sozialen Menschen durch eine gefakte Situation zu einer sozialen Handlung herausfordern?

Zum Beispiel. Nicht natürlich, wenn die Person eine Sozialphobie hat. Da sollte dann lieber ein Psychologe her. Aber ja, auch wenn jemandein schlechtes Selbstvertrauen hat, aber alle wissen: Der ist gut, der kann das, dann kann man dem schon einen leichten Push geben. Habe ich schon gemacht und den Leuten geht es jetzt viel besser (lacht).

Um an dieser Stelle noch auf deine Musikkarriere Bezug zu nehmen: Was ist dein persönlicher Applaus hinsichtlich Tag8?

Das ist der Moment wenn es vorbei ist, wenn alle Rätsel gelöst sind, das Abenteuer zu einem Ende gekommen ist und der Abenteurer auf den “gift maker” trifft. Diese Reaktion ist dann mein Applaus. Aber auch, wenn es allen die sonst daran beteiligt waren Spaß gemacht hat und alle froh und erleichtert sind, das ein weiteres Abenteuer bestritten wurde.

Wie definierst du Helden?

Ein Held ist jemand, der nicht davor zurückscheut ein Abenteuer zu erleben, auch wenn das vielleicht gefährlich ist oder für ihn zum Nachteil sein kann. Ich finde aufopfernde Menschen, die sich selbst zurücknehmen, um für andere was zu riskieren sind am ehesten Helden.

Würdest du dich selbst als Held bezeichnen?

Ich glaube, dass ich das Maß an Aufopferung bis jetzt noch nicht erreicht habe. Zum Glück, sonst wäre jemand den ich gerne habe oder ich selbst in einer sehr schwierigen Situation gewesen. Ich hoffe, dass ich ein mitfühlender Mensch bin, der gerne hilft. Held ist ein bisschen zu viel.

Nach unserer Definition bist auch du ein Held. Denn realistisch betrachtet muss man nicht Superman sein, um ein Held zu sein. Du bist ein Held, weil du anderen Menschen Spaß und Abenteuer bereitest.

Ok, wenn es schon heldenhaft ist, jemandem den geilsten Tag des Lebens zu bereiten, dann ja: Ich bin ein Held (lacht).

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