Andrea Scholdan war eine der ersten Urologinnen Österreichs. Ihre eigene Darmerkrankung bekam sie jedoch erst mit Hilfe der Traditionellen Chinesischen Medizin in den Griff – und auf einmal gestaltete sich ihr Leben von Grund auf neu. 2001 gab sie ihren Job auf und gründete 2006 Suppito, eine Manufaktur für Suppen und Eintöpfe. Seit 8 Jahren kocht sie in ihrem Geschäft im 6. Wiener Gemeindebezirk – mit Rezepten nach der “5 Elemente Ernährung”.
Du warst eine der wenigen Urologinnen in Österreich – warum hängt man den Arztberuf an den Nagel und beginnt, salopp gesagt, Suppen zu kochen?
Ursache war meine eigene Krankheit. Jahrelang lang hat die Schulmedizin bei mir einen Reizdarm diagnostiziert. Mit 42 Jahren wurde dann eine Zöliakie (Glutenallergie) erkannt. Es kamen noch zahlreiche Hörstürze hinzu. Ich war verzweifelt, habe viel ausprobiert, doch nichts hat geholfen, bis ich auf einen Artikel über Traditionelle Chinesische Medizin gestoßen bin. Ich begann mich damit zu beschäftigen, habe eine 5-Elemente Ernährungsberaterin aufgesucht und begann sofort all ihre Tipps umzusetzen. Innerhalb weniger Wochen fühlte ich mich wie neugeboren. Ich war so begeistert, dass alleine diese Ernährungsumstellung meine Beschwerden lindern konnte, dass ich begonnen habe, selbst nach dieser Lehre zu kochen.
Es war nicht einfach meinen Beruf aufzugeben.
Ist das nicht ein starker Bruch: zuerst in der Ordination, dann in der Küche?
Dass ich von der so genannten “eleganten Ärztin” in die Küche gesprungen bin? Das war mir immer egal. Ich habe keine Standesdünkel. Aber ja, es war nicht einfach meinen Beruf aufzugeben – ich war sehr gerne Ärztin. Aber wenn du Krebs entdeckst und das dem Patienten mitteilen musst, dann leidest du jedes Mal mit. Heute bin ich froh, dass ich niemanden mehr mit einer solchen Diagnose konfrontieren muss. Jetzt trage ich auf meine Weise zur Gesunderhaltung bei.
Und ich nehme an, deine medizinische Ausbildung ist auch von Vorteil?
Stimmt, als Schulmedizinerin kann man mir nicht viel vorgaukeln. Und als Allergikerin bin ich authentisch. Nach meiner Gesundung hab ich gleich die Ausbildung zur 5-Elemente-Ernährungsberaterin gemacht und diese Kombination passt einfach unglaublich gut zu den Bedürfnissen der Menschen in der heutigen Zeit. Ich musste nie Marketing machen. Alles hat sich von allein gefügt.
Du sprichst von deinem Unternehmen, Suppito. Wie kam es dazu?
Ich habe für mich gekocht und meinen Patienten Kostproben mitgebracht. Dann habe ich an Freunde und Bekannte ausgeliefert. Ich habe Kochkurse gemacht und mir viel neues Wissen rund um die Gastronomie angeeignet. Fast 4 Jahre habe ich mich erfolgreich gewehrt, gastronomisch selbstständig zu werden. Ich bin meiner Familie damit ständig auf die Nerven gegangen (lacht). Bis mich mein Mann schließlich davon überzeugt hat und sagte: Jetzt mach endlich!
Was darf ich mir unter “einfach machen” bei dir vorstellen?
Ich habe mit einem Systemgastronomen gesprochen und gefragt, was es für ein Lokal alles so braucht. Der hat mir einen befreundeten Küchenplaner empfohlen, mit dessen Hilfe ich dann ein passendes Geschäft in Nähe des Naschmarktes umgebaut habe. Im Oktober 2005 haben eine Freundin und ich dann begonnen: Wir wollten nur ein bisschen kochen, ein paar Kochkurse und Ernährungsberatungen machen – was eben möglich war. Businessplan gab es keinen. Es war überhaupt noch nichts offiziell. Im Dezember 2005 hat sich ein Fernsehsender gemeldet. Sie hatten von unserer Idee gehört und wollten einen Beitrag drehen, der eigentlich erst nach unserer Öffnung hätte ausgestrahlt werden sollen. Der Beitrag wurde dann doch schon im Jänner 2006 ausgestrahlt – plötzlich rannten uns Kunden und Medien die Tür ein. Ab diesem Moment war ich 20 Stunden pro Tag im Einsatz.
Und bis heute hat die Leidenschaft angehalten?
Ja. Aber leider komme ich nicht mehr so oft zum Kochen. Mittlerweile habe ich 9 Mitarbeiter. Davon 4 Küchengehilfen und ein Organisations- und Verkaufsteam. Heute entwickle ich Rezepte, schreibe Kochbücher und mache die Logistik. Wir kochen 40.000 Liter im Jahr. Es ist unglaublich geworden.
Das klingt nach einer Verkettung sehr glücklicher Umstände. Warst du darauf vorbereitet?
Ich habe mich lange vorbereitet – aber nicht auf alles. Es kamen so viele neue Dinge auf mich zu, denen ich mich stellen musste. Plötzlich war ich selbst für alles verantwortlich. Ich musste mich genauso um den kaputten Besen, wie um Gläser für die Suppen und die Buchhaltung kümmern. Aber, wenn man ehrlich ist: bei den unangenehmen Dingen, die man nicht gerne macht, lernt man am meisten.
Man muss für seine Idee brennen.
Gibt es eine Struktur, der du folgst?
Nur bedingt. Was es zur Selbstständigkeit braucht sind Herzblut und viel Fleiß. Man muss für seine Idee brennen, sonst lässt man am besten die Finger davon. Es ist wahnsinnig viel Arbeit und Geld bleibt auch nicht so viel übrig. Aber ich möchte nicht einen Tag missen.
Was hat dich in den vergangenen Jahren am meisten geprägt?
Ich dachte, weil ich Urologin war – ein für Frauen doch eher seltener Beruf – hätte ich ein gewisses Selbstbewusstsein, das mir helfen wird. Aber was ich in der Gastronomie gelernt habe, hat mich weit mehr erwachsen und strenger gemacht. Denn plötzlich muss man auch mal der “Bad Cop” sein, Preise verhandeln, Mitarbeiter führen, etc.
Was waren deine größten Fehler?
Der größte Fehler war, dass ich mit viel Freude, aber ohne vernünftigen Vertrag mit einer Freundin das Geschäft aufgezogen habe. Durch die unterschiedliche Arbeitsauffassung und die einseitige Verantwortung ist die Freundschaft nach ein paar Jahren fast in die Brüche gegangen. Gottseidank konnten wir uns im Frühjahr 2014 dann freundschaftlich trennen.
Rätst du Freunden ab, gemeinsam ein Business zu starten?
Nein sicher nicht, aber je enger man befreundet ist, desto besser muss der Vertrag sein.
Deine Köche kommen aus Afrika. Wie kam es dazu?
Mich hat damals ein Bekannter angesprochen, ob ich nicht eine Küchenhilfe brauche. Silva war ein Lehrer aus dem Kongo, der in Österreich in seinem Job als Abwäscher unglaublich schlecht behandelt wurde. Bei uns hat er einen guten Arbeitsplatz gefunden. Das bekam dann so eine Dynamik und ein Bursche empfahl den Nächsten. Jetzt ist das Küchenteam komplett.
Wie definierst du Helden und siehst du dich als Heldin?
Für mich sind Helden Menschen, die sich mit ihrer ganzen Kraft gegen Ungerechtigkeit und Rassismus einsetzen. Da ich das auch oft für mein Team tue, fühle ich mich auch als kleiner Held.