„Enorme Hilfsbereitschaft mildert politisches Versagen“

Mit seinem großen Engagement für Menschenrechte hat Alexander Pollak, der Sprecher der Organisation SOS Mitmensch, Anfang Juni in Wien Erdberg auf sich aufmerksam gemacht. Indem er Asylsuchende mit einem Plakat willkommen hieß, und sich damit gegen die menschenverachtende Hetze positionierte. Mit seinem unermüdlichen Einsatz für die menschenwürdige Behandlung von Asylsuchenden und faire Asylverfahren stellt er eine besondere Motivationsquelle dar. Neben ehrenamtlichem Unterricht für Kinder aus einkommensschwachen Familien, gestaltete der Wiener auch politische Beiträge fürs Radio. Im Interview erzählt er über politische Missstände, und wie er es dennoch schafft gelassen zu bleiben und weiter zu kämpfen.

Alexander, du setzt dich sehr aktiv für Menschenrechte und Antidiskriminierung ein, was genau machst du?

Ich bin seit knapp 5 Jahren Sprecher der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch, eine seit 22 Jahren bestehende österreichische Organisation mit Tradition, in der ich für die inhaltliche Arbeit, die Kampagnen und die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich bin. Im Rahmen dessen setze ich mich auch aktiv gegen Rassismus ein, um die Menschenwürde zu schützen, und Menschenrechte zu stärken. Natürlich steht auch die Unterstützung von schutzsuchenden Menschen seit vielen Jahren auf unserer Agenda.

In den vergangenen Monaten hat sich ja die Stimmung gegen Asylsuchende stark verschärft. Worin begründet sich deiner Meinung nach diese gegenwärtige Situation?

In Teilen der Gesellschaft brodeln Rassismus und Menschenfeindlichkeit schon längere Zeit, und kommen nun massiv an die Oberfläche, zum Teil auch angeheizt durch die radikale Stimmungsmache der FPÖ. Außerdem lässt die unklare politische Position und Reaktion der Regierung, hinsichtlich der Flüchtlingsströme, Unsicherheit in der Bevölkerung entstehen. Viele wissen nicht, wie sie damit umzugehen haben, wenn plötzlich viele Menschen ins Land kommen. Gleichzeitig gibt es auch eine enorme Hilfsbereitschaft. Diese Hilfsbereitschaft schafft es, das politische Versagen zu mildern, aber nicht ganz aufzuwiegen.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Es scheint so, als fühle sich auf politischer Ebene niemand wirklich zuständig. Was läuft falsch?

Die Politik reagiert sehr zögerlich. Niemand will klare Aussagen treffen, und eine planungslose „wiggel- waggel“- Position hat sich dadurch entwickelt. Unsere Politik ist auf die Abwehr von Menschen eingestellt, und steht nicht, oder bestenfalls halbherzig dazu, Flüchtlinge aufzunehmen. Es ist natürlich eine große Herausforderung, wenn zehntausende Asylsuchende aufgenommen werden, dazu braucht es viele Ressourcen, die investiert werden müssen. Das Verfahren und die Betreuung kosten Einsatz und Geld. An dieser Stelle möchte ich jedoch betonen, dass das Geld keineswegs irgendwohin verschwindet, sondern, abgesehen davon, Schutzsuchenden Hilfestellung zu leisten, sehr wohl auch der österreichischen Bevölkerung zugute kommt. Seitens der Verantwortlichen wird nicht erwähnt,dass mit diesem Geld viele ÖsterreicherInnen beschäftigt werden und die Konjunktur angeregt wird.

Man kann die Asylpolitik in Österreich kritisieren, aber sich vor ein Asylquartier zu stellen, und den Schutzbedürftigen ins Gesicht zu knallen, dass sie nicht erwünscht sind, halte ich für zutiefst unanständig.

Du hast ja Anfang Juni bei der FPÖ-Kundgebung in Erdberg ein sehr klares Statement gesetzt, um auf die Aktion der blauen Funktionäre aufmerksam zu machen. Was hat dich dazu veranlasst?

Es ist Teil meines Jobs, täglich die Aussendungen aller Parteien anzusehen. Als ich die Ankündigung der FPÖ, vor dem Asylquartier in Erdberg demonstrieren zu wollen, sah, war mir klar, gegen diese ekelhafte und falsche Aktion ein Zeichen zu setzen. Man kann die Asylpolitik in Österreich kritisieren, aber sich vor ein Asylquartier zu stellen, und den Schutzbedürftigen ins Gesicht zu knallen, dass sie nicht erwünscht sind, halte ich für zutiefst unanständig. Daraus entstand dann der Gedanke, wie ein Gegenzeichen ausschauen könnte, und in weiterer Folge gestaltete ich ein Willkommensschild, mit dem ich die ankommenden Flüchtlinge begrüßt habe.

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Die Resonanz der Öffentlichkeit war ja gigantisch! Hast du mit so viel Rückmeldungen gerechnet?

Die vielen positiven Reaktionen, die vor allem in den sozialen Netzwerken kommuniziert wurden, haben mich sehr bewegt. Es haben sich sogar Anwälte und Anwältinnen angeboten, mich zu vertreten, sollte auf Grund dieser Aktion Bedarf entstehen.

Während dieser Kundgebung kam es zu Problemen mit der Polizei. Was genau ist da passiert?

Meine Präsenz hat die FPÖ gestört. Dies wurde mir zum Teil auch persönlich signalisiert, indem man mir zum Beispiel ein anderes Schild vor den Kopf gehalten hat, oder mir mit der Polizei drohte. Obwohl ich dort als Privatperson ohne jeglichen Kommentar stand, hat dies viel Missfallen ausgelöst. Ein Polizist forderte mich sogar dazu auf, die Versammlung zu verlassen. Als ich dann nach ca. einer Stunde in Richtung U-Bahn ging, folgten mir zwei Polizisten und forderten meine Papiere. Personenkontrolle wegen Störung der Versammlung. Ich fand das befremdlich.

Wie hast du darauf reagiert?

Es ist kein gutes Gefühl, wenn zwei bewaffnete Polizisten vor einem stehen, und etwas wollen, was man selbst nicht will. Aber ich habe versucht, gelassen damit umzugehen. Das ist auch Teil meiner Arbeit.

Gibt es Momente, in denen du das Gefühl hast, gegen Windmühlen zu kämpfen?

Natürlich gibt es die! Manchmal denke ich: das gibt’s doch nicht, da müsste doch etwas passieren. Da müsste den politisch Verantwortlichen ein Licht aufgehen. Wenn Asylsuchende für die Gesamtdauer des Verfahrens, auch wenn sich dies über Jahre erstreckt, nicht arbeiten dürfen, kann man nur den Kopf schütteln. Aber man muss weiter kämpfen. Es gibt Tage, an denen die Energie nachlässt, und an anderen kommt sie wieder zurück!

Was gibt dir besonders viel Kraft und Energie?

Die vielen positiven Rückmeldungen die man bekommt, kleine und große Erfolge die man verbuchen und seine Visionen und Ideale durchsetzen kann, wenn etwas gelingt, dann gibt das auf jeden Fall Energie. Man bekommt sehr viel zurück. Zum Beispiel haben wir es mit anderen Organisationen erreicht, dass die Lehre für junge Asylsuchende bis 25, nach jahrelanger Sperrzeit zumindest teilweise wieder geöffnet wurde. Außerdem ist es gelungen, im Staatsbürgerschaftsrecht zumindest einen kleinen Passus einzubringen, der es einigen Menschen, die in Österreich aufgewachsen sind, ermöglicht, auch dann Österreicher oder Österreicherin zu werden, wenn sie kein hohes Einkommen haben.

Du hast ja auch 10 Jahre lang in der Sendung „Radio Stimme“ im Radio Orange politische Beiträge gestaltet. Was möchtest du Anderen mit auf den Weg geben?

Ja, „Radio Stimme“ war eine gute Möglichkeit, sich politisch zu äußern, und wichtige Themen aufarbeiten zu können. Ich finde es sehr wichtig, etwas zu tun, mit dem man sich voll und ganz identifizieren kann. Auch wenn einem nicht alle Arbeitsschritte Spaß machen, so soll doch das Gesamtziel im Fokus sein, hinter dem man mit absoluter Überzeugung steht. Mein Job ist insofern ein privilegierter, da nicht jeder Mensch die Möglichkeit hat, etwas zu tun, mit dem man sich zu 100% identifizieren kann. In meinem Rahmen versuche ich, das Beste aus diesem Privileg zu machen.

Foto: Lorin Canaj
Foto: Lorin Canaj
Nebenbei engagierst du dich auch für die Lerntafel. Wie kam es dazu?

Die „Lerntafel“ bietet Kindern aus finanziell schwächeren Familien kostenlose Lernbetreuung an, um ihnen bei schulischen Problemen zu helfen. Da sich die Einrichtung in meiner Gegend befindet, dachte ich mir, ich schau mir das an und erkundige mich. Seither gebe ich Kindern zwischen 6 und 14 Jahren Nachhilfe in Mathematik und Deutsch. Es ist sehr bereichernd, im Kontakt mit so jungen Menschen zu sein, und zu hören, was sie zu erzählen haben.

Wie definierst du den Begriff Helden?

Helden sind für mich Menschen, die viel riskieren und riskieren müssen ohne ein Auffangnetz zu haben. Wenn man bedenkt, wie viel Flüchtlinge riskieren, um es überhaupt nach Europa zu schaffen – da gibt es sehr viele Heldinnen und Helden, über die nicht gesprochen wird. Helden sind für mich auch Menschen, die mit Courage durch den Alltag gehen, und ihre Möglichkeiten nutzen, um anderen zu helfen. Das muss nicht jeden Tag und jede Stunde sein, aber ab und zu seinen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, ist schon sehr wichtig!

Siehst du dich selbst als Held?

Nein, ich sehe mich nicht als Held. Ich habe das Glück, dass weder mein Privatleben noch mein Berufsleben besonders riskant ist. Auch bei der Aktion in Erdberg musste ich nicht besonders viel riskieren. Da und dort wage ich mich ein bisschen aus der Deckung heraus, und steck hier und da ein bisschen was dafür ein, aber es ist nicht so, dass ich um mein Leben und meine Gesundheit fürchten müsste. Ich arbeite darüber hinaus in einem tollen Team, ohne dem vieles nicht möglich wäre. Wir arbeiten seit nun 5 Jahren sehr gut zusammen, können einander vertrauen, und schenken uns gegenseitig viel Motivation und Energie!

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