Kaffee vom Lederhosnbua

Ein helles, warmes Licht beleuchtet den kleinen Raum, leise Popmusik belebt ihn. An der Wand hinter der Theke steht mit Kreide geschrieben: „Kaffee von Sascha“. In einer Glasvitrine werden „gorischky“ angeboten: Gebäcke, die wie gefüllte Nüsse aussehen und zum Kaffee serviert werden. In einem selbstgebauten Bücherregal steht neben einigen ukrainischen Schmökern das Buch “1001 Gründe Österreich zu lieben“. Alles in allem will diese helle, moderne Atmosphäre so gar nicht zu der typischen Wiener Kaffeehauskultur passen, einigt sich mit ihr aber doch in einem Punkt: Der Gemütlichkeit. Diese haben die Besitzer voll und ganz von ihrer Person auf das Café übertragen. Sascha und Nina sitzen mir auf stilvollen Holzhockern gegenüber. Die beiden sind seit neun Jahren verheiratet.

Sie teilt ihr schüchternes Lächeln mit dem des „Christkindls“ auf ihrem T-Shirt, er seine blonden Haare mit dem des „Lederhosnbua“ auf seinem. Beide Motive stechen wortwörtlich hervor. Diese besondere Art von T-Shirts mit dreidimensionalem Aufdruck stellt Nina selbst her. In der Ukraine und Russland hatte sie sich mit dieser markanten Art des T-Shirt-Designs einen Namen gemacht und ihre Mode in diversen Shops an mitunter namhafte Kunden verkauft. Nun versucht sie auch in Österreich mit ihrem Label „Yamkova“ Fuß zu fassen, hat deshalb auch die Wand des Cafés mit den bunten Shirts ausgekleidet. Wie lange dauert die Anfertigung? „Ein Tag, ein T-Shirt.“, lächelt sie.

[infobox maintitle=“T-Shirt-Design „Yamkova““ subtitle=“yamkova.com“ bg=“yellow“ color=“black“ opacity=“off“ space=“30″ link=“http://yamkova.com“]

Sascha heißt eigentlich Oleksandr, sein ukrainischer Spitzname fungiert in Österreich gleichzeitig als Künstlername. Und das ist er, ein wahrer Kaffeekünstler. Mit der Perfektion eines Handwerkers kümmert er sich um jede Tasse Kaffee und somit um die Zufriedenheit seiner Kunden, die er als Freunde bezeichnet.

Bevor Sascha und Nina vor zwei Jahren nach Wien zogen, hat Sascha in seiner Heimatstadt Kiew als Videojournalist gearbeitet, hat unter anderem mit versteckter Kamera an Demonstrationen teilgenommen.

Die Arbeit war nicht immer ungefährlich, ich habe auch kleine Verletzungen davongetragen.

Nina stupst ihn von der Seite an und sagt mit einem Lächeln: “Aber du hast auch Jura studiert.“ „Ach ja“, fällt Sascha ein, „nebenbei bin ich auch Magister der Rechtswissenschaften. Deshalb war es für mich interessant und nicht so schwer, mich in solch heikle Situationen zu begeben, weil ich meine Rechte kenne.“

Was hat die beiden dazu bewegt, in Österreich ein Café zu eröffnen und ihre Heimat hinter sich zu lassen? „Da gab es viele Gründe, unter anderem war die Situation in der Ukraine kompliziert und die Gründung eines Unternehmens schwierig. Aber der wichtigste Grund für uns war, dass wir unser Leben gänzlich ändern wollten.

Es war uns gar nicht so wichtig, wohin wir gehen, wir wollten neue Erfahrungen machen, ins kalte Wasser springen.

Es war ein Experiment. In Österreich haben wir unser Leben wieder von Null begonnen: Wir mussten erst Deutsch lernen, hatten kein Auto, um unser Café einzurichten. Nur Öffis!“ Beide lachen. „Für uns war es aber nicht schwierig, in Österreich Fuß zu fassen. Die Menschen hier halfen uns von Anfang, gaben uns immer Antworten auf unsere Fragen. Schwer zu sagen, ob es für Ausländer in der Ukraine auch so wäre. Zum Beispiel begrüßt man sich in Kiew im Aufzug nicht.

Foto: Markus Neubauer
Foto: Markus Neubauer

In Österreich begrüßt man sich in einer Stadt zu 80-90 Prozent auch im Aufzug – und am Land immer.“ Interessante Statistik, ist notiert. Die beiden müssen es wissen, haben sie doch schon viele Teile Österreichs bereist. Was sie an dem Land so schätzen? „Die medizinische Versorgung, die Sicherheit, das ausgereifte System der verschiedenen Ämter.“ „Wasser auch“, fügt Nina hinzu. „Wasser, natürlich“, grinst Sascha. „Das beste Wasser gibt es in Österreich. In der Ukraine mussten wir Wasser entweder kaufen oder filtrieren. Generell können wir aber sagen, dass wir nicht eines besseren Lebens wegen nach Österreich gekommen sind, sondern um uns neu zu erfinden. Die Entscheidung, nach Wien zu kommen, war eine spontane. Wir waren zuvor zweimal in Wien, haben uns sofort zu Hause gefühlt, genau wie in Kiew.“

Die Leidenschaft, Kaffee zu machen, trug Sascha schon immer in sich und hat diese auf Nina übertragen. „Früher habe ich nur Tee getrunken, Sascha hat mir immer Kaffee gemacht.

Mittlerweile habe ich vergessen wie Tee schmeckt.

Abermals dieses beherzte Lachen der beiden.

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Wie reagieren Österreicher, wenn ihr sagt, ihr kommt aus der Ukraine?
„Früher gab es gar keine Reaktion. Jetzt wollen viele Menschen wissen, wie die Situation wirklich ist. Leider verstehen hier viele die politische Lage nicht richtig, aber sie zeigen Mitgefühl. Manchmal erkläre ich, was wirklich in unserer Heimat passiert, und wie wichtig es ist, dass der Konflikt beendet wird. Es gibt viele gute Ukrainer, so wie es viele gute Russen und Österreicher gibt. Für uns hängt die Fähigkeit, ein guter Mensch zu sein nicht von Nationalität, Alter oder Geschlecht ab. Wir machen da keine Unterschiede. Wir lieben alle auf die gleiche Art und Weise. Man muss auf seine Nationalität und deren Traditionen stolz sein, aber man darf nie behaupten, besser als jemand anders zu sein. Mit dem Blick auf den Lederhosnbua auf seinem Shirt sagt Sascha lachend: „Auch ich will eine Lederhose tragen, schließlich lebe ich hier.“

Übrigens lautet Augenzwinker-Regel Nummer eins von Nina und Sascha: „Alle Kunden sollen ihren Aufenthalt genießen können, deshalb darf im Kaffee von Sascha nicht über Politik gesprochen werden.“ Und Nummer Zwei? „Der Kaffee muss immer perfekt sein.“ Das sagt Sascha ganz ohne Augenzwinkern, es liegt ihm offensichtlich sehr am Herzen, dass jede Kleinigkeit in Zubereitung und Geschmack des Kaffees passt.

„Österreich‘s Kaffeehäuser haben das Zubereiten von Kaffee perfektioniert. Auch die Qualität des gerösteten Kaffees ist sehr hoch. Kaffee ist zur Wissenschaft und Leidenschaft geworden. An diese Perfektion möchten wir anschließen. Wenn beispielsweise zwischen den Bestellungen mehr als zwei Minuten liegen, muss die Kaffeemühle kurz entleert werden, damit sich keine Reste aufstauen. Außerdem muss ich jedes Mal testen, ob der Kaffee passt. Deshalb trinke ich viel zu viel Kaffee am Tag“, sagt Sascha, „aber es muss sein“. „Manche machen das nie, aber echte Kaffeemänner machen das immer. „Und der Kaffeemann muss immer gute Laune haben!“, fügt Nina lachend als Regel Nummer Drei hinzu.

Foto: Markus Neubauer
Foto: Markus Neubauer

„Wir sind keine Helden, wir machen nur was wir gerne tun. Die größte Bestätigung für uns ist, wenn jemand hereinkommt, eines von Nina‘s T-Shirts anhat und einen Kaffee von mir bestellt. So wie es heute schon passiert ist. Dann wissen wir, dass wir unseren Teil an die Leute weitergeben. Das ist das Wichtigste: Sich selbst verwirklichen und den eigenen Traum umsetzen.“

„Ich denke viele können das aber nicht“, wirft Valerie ein, die als Kundin am Fenster sitzt. Sie will selbst bald ein ähnliches Café eröffnen, in dem sie ihre eigenhändig angefertigten Taschen verkauft. „Viele haben einfach nicht die Möglichkeiten sich selbst zu verwirklichen.“

Sascha: „Ich bin der Meinung, dass jeder seinen Weg finden kann, wenn er nur alles daran setzt. Nina und ich haben jeden Cent in die Umsetzung des Cafés investiert und nichts davon für Sachen ausgegeben, die wir nicht wirklich brauchen. Wir haben ein Ziel gehabt: In Österreich etwas Gutes machen- Machen wir!“ Wieder lachen die beiden herzhaft.

Auf der Website von „Kaffee von Sascha“ steht im Moment unseres Gesprächs noch: „Es ist nicht einfach über uns selbst etwas zu schreiben. Aber wir machen es. In 23 Tagen :)“ Für mich war es einfach, über die beiden etwas zu schreiben, und vor allem eine große Freude.

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