Der Ferdi und die Bühne

Ferdinand Schimdt-Modrow ist Schauspieler. Seit seinen Jugendtagen lebt er sein Hobby als Beruf. Seiner Zukunft blickt er mit der Gelassenheit eines buddhistischen Mönchs entgegen. Ich kenne Ferdinand noch aus der Schule. Obwohl er 6 Jahre über mir war, hinterließ er einen bleibenden Eindruck. In einem Café in München habe ich ihn vor Kurzem wieder getroffen. Zu einem Interview für Helden-von-heute.at. Er erzählte von der Stimmung am Filmset, seiner Lebenseinstellung, seiner unterstützenden Tätigkeit bei Deeskalation-Seminaren und er gab einen Einblick in seine Karriere.

Ich habe noch von früher in Erinnerung, dass du bereits im Gymnasium beim Theater warst. Liege ich da richtig?

Genau, in der 6. Klasse hat mich eine damalige Lehrerin, mit deren Tochter ich in einer Klasse war, im Zuge eines bunten Abends angesprochen. Sie fragte, ob ich denn nicht Lust hätte, zu ihr in die Theatergruppe zu kommen. Da dachte ich mir: “Na klar! Sofort!” Mit dem Gedanken hatte ich schon zuvor gespielt, wollte mich aber nicht in die Gruppe rein drängen. Deswegen habe ich darauf gewartet, bis jemand zu mir kam. Es war damals eine schöne Zeit!

Wie ging es nach der Schule für dich weiter?

Na, ich hab meinen ersten Film „Grenzverkehr“ bereits in den Ferien zwischen der 12. und 13. Klasse gedreht. Damals meinte ich, jetzt kommen bestimmt die Angebote aus aller Welt und ich werde Weltstar (grinst). Nein Spaß, aber ich dachte mir, es wäre schön, wenn es so weitergehen würde. Dann kam aber erst mal gar nichts. Nach der Schule bin ich ins Ausland, nach Bulgarien, um dort ein Praktikum als Bauingenieur zu machen.

Foto: Daniela Pfeil
Foto: Daniela Pfeil
Vom Schauspieler zum Bauingenieur?

Ja, ich wollte einfach raus aus Deutschland, aus dem kleinen Ort (der Heimatort heißt wirklich so) Schrobenhausen. Das war nötig, um den Kopf frei zu bekommen, und um den Entschluss zu fassen auf die Schauspielschule zu gehen. Als ich zurückkam, habe ich mich auf die Aufnahmeprüfungen vorbereitet. Gerade als feststand, dass ich auf die Schauspielschule gehen würde, kam die Anfrage für den zweiten Film.

Eine tolle Bestätigung, oder?

Naja, ich dachte mir zu dem Zeitpunkt: Hätten sie mal früher angefragt, dann hätte ich mir die Schauspielschule sparen können. Jetzt im Nachhinein denke ich mir, dass es gut so war, sonst hätte ich möglicherweise viele wertvolle Erfahrungen verpasst. Einige meiner Kollegen meinten, dass man heutzutage keine Ausbildung mehr zum Schauspieler braucht, sobald man einen Kinofilm gedreht hat. Es gibt auch viele Schauspieler, die keine Ausbildung haben, weil sie so denken. Ich hätte eventuell keine Ausbildung gemacht, wäre das Angebot früher gekommen. Es kamen dann ziemlich konstant weitere Angebote für diverse Filme wie „Beste Zeit“, „Beste Gegend“ oder „Die Welle“. Davon konnte ich gut leben. Trotzdem bin ich froh darüber, die Ausbildung gemacht zu haben.

Würdest du sagen, die Ausbildung hat dir viel gebracht?

Klar lernt man viel und wird routinierter. Aber deswegen ist man kein besserer Schauspieler. Im Prinzip kannst du´s oder kannst du es nicht. Du lernst auf jeden Fall dazu. Voraussetzung ist eine Grundbegabung, und die Lust und Freude am Spielen – das kann dir keiner geben. Das musst du selbst haben. Ein „theatralischer Blick“ oder ein gewisses G´spür muss vorhanden sein , sonst hilft der Unterricht nicht weiter.

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Was waren für dich die Beweggründe Schauspiel zu deinem Beruf zu machen?

Am Anfang war es nur Spaß und ein Hobby. Ich konnte mir auf keinen Fall vorstellen, das jemals beruflich zu machen. Schauspielerei ist mein Hobby, das kann ich doch nicht zum Beruf machen (grinst)! Erst nachdem ich meinen ersten Auftrag für einen Film bekam, war für mich klar, dass ich Schauspieler werden wollte. Durch die schnell aufeinander folgenden Engagements wurde ich in meinem Ziel bestärkt. Für mich war ab dann ganz klar, dass es was werden würde. Ich hatte, im Vergleich zu anderen durch meine Engagements bereits ein Bein in der Filmbranche. Andere müssen da viel länger kämpfen. Besonders als frei arbeitender Schauspieler kann es hart sein, weil du für deine Jobs selbst verantwortlich bist. Ich habe zum Beispiel den kompletten Januar bis März keine Engagements – bis jetzt. Das kann auch mal passieren. Zwischenzeitlich helfe ich einem befreundeten Regisseur bei einem Deeskalationsseminar, aber sonst bin ich in dem Zeitraum frei.

Deeskalationsseminar?

Während des Seminars stelle ich heikle Situationen im Alltagsleben mit anderen Schauspielern nach, um Vereinen, wie z.B. dem Verbund deutscher Hebammen zu helfen, sich auf Konfrontationen während ihrer Beschäftigung einzustellen. Der Bund deutscher Hebammen hilft unerfahrenen jungen Frauen, die mit schwierigen familiären Umständen zu kämpfen haben, durch die Schwangerschaft. Sie besuchen diese Frauen und helfen ihnen bei der Ernährung, zeigen ihnen das Wickeln und wie man mit dem Baby umgeht. Dabei kann es passieren, dass zum Beispiel der Freund mit dabei ist, und die Hebammen anpöbelt oder sogar bedroht. Wir stellen im Rahmen dieses Seminars solche Situationen nach, und bereiten Vereine und Organisationen auf ihre Einsätze, mit schauspielerischen Elementen, möglichst professionell vor. Dabei versuchen wir diese heftigen Konfrontationen möglichst realitätsnah nachzustellen.

Dafür, dass du für fast drei Monate frei hast, wirkst du aber sehr gelassen.

Das ergibt sich mit der Zeit. Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass es immer wieder weitergeht, wenn man sich Mühe gibt und vor allem das macht, was einem Spaß macht. Es gehört auch dazu, dass man seine Talente kennt und sie für die Dinge verwendet, die einen weiterbringen und erfüllen.

Ich habe immer in der Gegenwart gelebt

Aber da steckt doch mehr dahinter oder?

(Grinst) Die Geheimzutat zu meiner Ruhe ist, dass ich mir keine Sorgen wegen der Zukunft mache. Ich habe immer in der Gegenwart gelebt und kenne es auch nicht anders. Das ist bei mir von Natur aus so. Da wird was kommen, da bin ich mir sicher. Gerade habe ich auch das Glück, einen Kunstförderpreis bekommen zu haben. Deswegen kann ich es mir auch leisten, der Zukunft etwas gelassener entgegen zu blicken. Ohne den wäre es schwieriger. Gleichzeitig mag ich aber betonen, dass ich jemanden, der gerne plant, in keiner Weise verurteile. Das ist ein Geschenk. Ich habe es zeitweise mal versucht, dann aber gemerkt, dass ich kein Planer bin. Also habe ich es bleiben lassen. Selbst wenn jetzt die nächsten Monate nichts kommen würde, wäre es bestimmt möglich, anderweitig Geld zu verdienen. Es gibt immer alternative Wege.

Was sind für dich die größten Herausforderungen an der Schauspielerei?

Hmmm, eigentlich ist alles eine Herausforderung. Jede Rolle ist neu, und muss von ganz von vorne erarbeitet werden. Du kannst nie mitten drin anfangen, nur weil du in der Vergangenheit bereits eine ähnliche Rolle verkörpert hast. Das geht nicht. Andere würden vielleicht sagen, dass es eine Herausforderung ist Choreographien ein zu studieren, aber das kann ich eigentlich relativ schnell. Wobei mir da einfällt, dass besonders Klassiker für mich schwierig zu spielen sind. Du musst wissen, dass ich ein Verfechter des authentischen Theaters bin. Das bedeutet, dass ich es lieber mag, wenn man authentisch auf der Bühne steht, ohne komische Betonungen leichtester Phrasen und Wörter mit einzubauen (an dieser Stelle erheitert Ferdi mit einem Beispiel, das leider nicht in schriftlicher Form wiedergegeben werden kann). Da gibt es besonders viele ältere Semester, die der Ansicht sind, dass die richtige – doch recht altertümliche – Aussprache, oder der Theaterton zum Theater dazu gehören. Ich mag es lieber, wenn man Stücke alltagstauglich präsentiert, weil es sonst sehr anstrengend für Zuhörer sein kann.

Foto: Chris Hirschhäuser
Foto: Chris Hirschhäuser
Warum polarisieren Schauspieler oft so stark, und wie erklärst du dir den Hype um sie?

Schwierige Frage, aber ich glaube, dass das vor allem am erhöhten Bekanntheitsgrad liegt. Je bekannter eine Person ist desto mehr Aufmerksamkeit zieht sie wiederum auf sich, da Bekanntheit in der Bevölkerung für viele gleichgesetzt wird mit Wichtigkeit. Die Medien spielen dabei immer eine zentrale Rolle, weil sie entscheiden wer gerade wichtig ist und wer nicht. Personen, die durch die Medien ins Rampenlicht gestellt werden, spüren diesen Hype um sie am Deutlichsten. Eine interessante Beobachtung, die ich machen konnte war, dass mich Menschen manchmal auch mit Rollen assoziieren und mich behandeln, als wäre ich ein guter Freund oder Bekannter. Da kam es schon mal vor, dass aus dem Nichts jemand auf mich zu kam und plötzlich meinte, dass wir uns kennen, und mich mit dem Namen meines gespielten Charakters „Rocky“ ansprach.

Wie hast du darauf reagiert?

Ich war verdutzt aber auch belustigt, weil mir dadurch aufgefallen ist, dass durch den Film und das Theater Verbindungen zwischen dir als Schauspieler und dem einzelnen Zuschauer aufgebaut werden können. Das trägt bestimmt auch dazu bei, dass Schauspieler Massen anziehen, weil das Publikum das Gefühl bekommt, den Schauspieler zu kennen, obwohl dem nicht so ist. Die Emotionen sollen echt wirken und durch dieses „Spiel“ kann es passieren, dass das Publikum den Schauspieler mit seiner Rolle vertauscht.

Als junger Schauspieler hast du bestimmt auch schon bekanntere Persönlichkeiten getroffen. Bist du nach wie vor aufgeregt, wenn du „Berühmtheiten“ triffst?

Zu Beginn war ich schon etwas beeindruckt, als ich Darsteller aus bekannteren Produktionen treffen konnte. Das legt sich aber mit der Zeit, weil man seine Sichtweise ändert. Sie werden zu Kollegen und besonders am Set wird es sehr persönlich, da man täglich zusammen vor der Kamera steht. In der Situation legt man Nervosität schnell ab. Man arbeitet sehr intim und intensiv miteinander. Vieles fühlt sich wie Freundschaft an; eben durch diese Nähe. Man lernt relativ schnell zu unterscheiden, was wirklich freundschaftliche Gefühle sind, und mit wem man „nur“ eine gute Zeit geteilt hat. Beides ist wertvoll, verstehe mich nicht falsch. Aber die Zeit zeigt dann, mit wem man weiterhin Kontakt hält und mit wem nicht. Spätestens dann klärt sich die Frage von selbst.

Ein Schauspieler ist für mich jemand, der so tut als ob.

So mancher Schauspieler hat sich bereits mal in seiner Rolle verloren und konnte nicht mehr zwischen dem eigenen Ich und der Rolle unterscheiden.

Für mich war das immer unverständlich, weil im Endeffekt alles „fake“ ist, was auf der Bühne gezeigt wird. Deswegen konnte ich das nie wirklich nachvollziehen, wenn sich jemand so in seiner Rolle verfängt. Klar, sagen zum Beispiel viele, dass Klaus Kinski der größte Schauspieler war, der jemals gelebt hat. Er lebte seine Rollen im Film wie im Privaten. Nur ist es wichtig eine klare Abgrenzung zwischen der Bühne und dem Privatleben zu ziehen. Jemand der diese Linie nicht zieht, ist für mich dann kein Schauspieler. Ein Schauspieler ist für mich jemand, der so tut als ob. Sicher kann auf der Bühne etwas entstehen, dass Gefühle in dir weckt, dass dich weinen, lachen oder wütend werden lässt. Dabei vergisst du aber nicht, wer du bist. Solltest du zumindest nicht.

Bezüglich Emotionen, oder auch der Angst davor in Emotionen aufzugehen, kann ich sagen, dass ich den Punkt absolut nachvollziehen kann. Man zeigt sich doch ein Stück weit nackt, was besonders in jungen Jahren im Schultheater schwierig sein kann, da man noch keine Ausbildung hat, und deswegen nicht weiß wie man damit umgehen kann. Das lernt man erst im Laufe der Zeit. Ein gutes Beispiel war mein Vorsprechen an der Münchener Schauspielschule. Wenn dir auf einmal die Tränen runter kullern, und du wirklich in extremst emotionale Rollen gehst, merkst du erst, was für ein Potential in dir schlummert. Wenn man Zugang dazu findet, kann einen das schon ein Stück weit verunsichern.

Foto: Chris Hirschhäuser
Foto: Chris Hirschhäuser
Was kann das Schauspiel dem Publikum geben und das Publikum dem Schauspiel?

Film und Schauspiel sind wertvolle Instrumente, um den Horizont der Menschen zu erweitern, und durch die verschiedensten Genres eine Palette an neuen Sichtweisen zu kreieren. Durch das Vorspielen von Situationen oder Geschehnissen lernen Zuschauer neue Facetten des Lebens kennen. Durch die Reaktion des Publikums auf die Vorführung oder den Film kann man als Schauspieler wiederum sehen, wie die Menschen gepolt sind oder was sie zu gewissen Themen denken. So gesehen ist es ein Geben und Nehmen!

Apropos Geben und Nehmen, wie definierst du einen Helden?

Oh das ist eine wirklich schwierige Frage…..

Ich würde sagen, Menschen die etwas bewegen. Umweltschützer. Friedenbringer. Freddie Mercury. Meryl Streep. Erkan und Stefan.

Vielen Dank für das Interview!
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