Sie schafft Raum für Vertrauen

Die junge Grafikdesignerin, Elisabeth Marek, gibt mit ihrem Projekt „the creative fillip“ sozial benachteiligten Menschen die Möglichkeit, sich künstlerisch zu entfalten. Mit kreativen Workshops schafft sie Raum für Träume und Ziele jener Menschen, die sonst keinen Platz dafür bekommen. Im Interview spricht sie über die Wichtigkeit sich selbst entfalten zu können, dass Fehler nichts Schlechtes sind und, dass man einfach machen soll.

Was willst du mit deinen Workshops bewirken?

Die Dinge, die wir erleben sind so selbstverständlich. Wir bekommen wirklich alle Möglichkeiten der Welt. Wir dürfen in die Schule gehen, dürfen studieren und unsere Ausbildung machen. Wir werden unterstützt und gehen nebenbei arbeiten. Diese Möglichkeiten haben viele nicht. So ist es mir immer mehr bewusst geworden,  wie wichtig es ist, diesen Raum zu bekommen, um sich selbst verwirklichen zu können. Dass man Dinge ausprobiert, sich Ziele setzt und auch etwas falsch machen darf. Bei meinem Projekt sind es Aufgabenstellungen, die die Teilnehmer noch nie gemacht haben. Also ist es voll okay, wenn etwas nicht von Anfang an funktioniert. Für mich selbst ist das Projekt auch eine neue Erfahrung, ich habe so etwas noch nie gemacht und habe nicht gelernt wie ich jemandem etwas beibringe. Ich finde es gut, dass die Leute merken, dass ich nicht die Lehrerin bin, die ihnen etwas zeigt.  sondern, dass wir uns als Gruppe einem neuen Thema nähern.

Was passiert in deinen Workshops?

Was in den Workshops passiert, sieht man gar nicht. Eigentlich sind die Materialien nur das Werkzeug. Wichtig ist das Kennenlernen, das Vertrauen zu anderen gewinnen, das Vertrauen zu sich selbst gewinnen. Die Organisation untereinander und auch das Verständnis. In Wien war es oft so, dass Leute aus verschiedenen Kulturkreisen gekommen sind – also andere Religionen, andere Sichtweisen. Aber bei uns ist es egal woher man kommt. Wir sind eine Gruppe und machen alles gemeinsam. Der Respekt, den ich den Teilnehmern gebe, den sollen sie auch untereinander haben.

Wie kommen die Leute zu dir?

Ich trete an Organisationen heran, so wie jene von Ute Bock. Ich habe sie angeschrieben, habe mich und das Projekt vorgestellt und gefragt, ob es Leute gibt, die daran interessiert sind. Dann habe ich ein Plakat gemacht, es bei ihr aufgehängt und die Leute konnten sich für den Workshop anmelden. So habe ich es auch in Nicaragua gemacht. Ich bin an Organisationen herangetreten und habe gefragt, ob Kinder oder Jugendliche dabei sind, die Interesse an Workshops haben.

Ich habe erlebt wie das ist, wenn dich dauernd jemand ansieht, keiner versteht was du willst und dich keiner ernst nimmt.

Was hast du in Nicaragua gemacht?

In Nicaragua war es das Müllthema, das mich beschäftigt hat. Diese ganzen Müllberge sind problematisch und ich dachte mir, man könnte aus den Autoreifen, Plastikflaschen oder Eisenstücken, die in der Gegend herumliegen, so viele Dinge machen. Aber was ich eigentlich gemacht habe war, mich aus meiner Komfortzone zu bewegen. Das war auch ein wichtiger Punkt: weg vom Computer und raus in die fremde Welt. Ich habe mir gezielt einen Ort ausgesucht, an dem mich niemand kannte und wo ich mich nicht auskannte – wo ich komplett neu anfangen musste. Es war lustig mich selbst zu beobachten, wie ich mich in so einer Situation zu Recht finde. In einem Land, wo Frauen es nicht so leicht haben und ich war noch dazu jung und weiß. Das reicht dann eh schon (lacht). Da habe ich erlebt, wie das ist, wenn dich dauernd jemand ansieht, keiner versteht was du willst und dich keiner ernst nimmt.

Wie bist du überhaupt dorthin gekommen?

Das erste Mal in meiner Kindheit. 1986 haben meine Eltern bei einem Entwicklungshilfe-Projekt mitgewirkt und wir sind gemeinsam als Familie hingereist. Ich hatte sofort einen Draht zu diesem Land – das ist bis heute so geblieben. 2013 war ich dann wieder dort.

Du bist eigentlich Grafikdesignerin. Wie kamst du auf die Idee zu so einem Projekt?

Ich sitze sehr viel vor dem Computer und mir hat es gefehlt, etwas Handwerkliches zu machen. Das Material zu spüren, mehr zu zeichnen, etwas auszuschneiden – das gibt dir der Computer nicht. Ich wollte ein Projekt, wo mir auch niemand sagt, was ich zu tun habe. Wie ich schon erwähnt habe, ist mir dieser Raum zum Ausprobieren und Entfalten sehr wichtig. Also habe ich überlegt, wie ich eine Plattform für jene schaffen kann,  die nicht die Möglichkeiten haben sich ihren Aufgaben zu stellen und ihren Träumen Raum zu geben.

Foto: Markus Neubauer / Helden-von-heute.at
Foto: Markus Neubauer / Helden-von-heute.at
Was war dann der ausschlaggebende Punkt? Wann hast du deine Idee umgesetzt?

Das war im Sommer 2012. Ich besuchte das Konzert meines kleinen Cousins. Ich glaube, er war damals 15. Er hat damit Geld für ein Kinderhaus in Kenia gesammelt.Er hat sich ein halbes Jahr auf dieses Konzert vorbereitet. Das hat mich sehr berührt. Auch, dass er es einfach gemacht hat. An jenem Abend war dieser Funke da. Ich dachte mir: „So, und jetzt mach’ ich es, weil der macht’s auch einfach!“ Da merkt man, wie blockiert und ängstlich man selbst teilweise ist.

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Wie kommt es eigentlich zu dem Namen „the creative fillip“?

Fillip kommt aus dem Englischen und heißt Antrieb, Ansporn, Aufmunterung. Als Grafikdesignerin habe ich mir gedacht, dass alles perfekt sein muss. Logo, Name und die Form. Fillip passt perfekt, aber mein Vater meinte, es sollte noch etwas mit Kreativität zu tun haben. Also wurde es „creative fillip“, da war das „the“ noch nicht dabei. Ich habe mir einen Schriftzug ausgesucht und mit dem Logo herumgespielt. Dann kam das “the” dazu. Das ist der kreative Antrieb, den ich geben möchte.

Wie viele seid ihr bei dem Projekt?

Bis zum letzten Jahr habe ich alles selbst gemacht. Mittlerweile habe ich ein paar Leute, die ich zu meinem kleinen Team zählen darf. Ich muss einfach viel improvisieren und schauen, woher ich die Materialien bekomme, da es noch keine Unterstützung für das Projekt gibt. Aber ich merke, dass meine Tätigkeit als Organisatorin, das auch im Workshop wiederspiegelt.

Zu den Workshops: Was machst du da? Denkst du lange über das Programm nach oder kommt das einfach so?

Ich habe eher das umgekehrte Problem, ich habe so viele Ideen, dass es schwierig ist mich zu entscheiden. Bei mir ist es so, dass wenn ich eine Idee habe, die mich fesselt, sie sich in mein Hirn frisst. Wenn ich dann darüber schlafe und die Idee am nächsten Tag immer noch da ist und auch danach noch, immer und immer wieder, dann weiß ich, dass ich diesem Gedanken nachgehen muss.

Hast du auch schon einmal an dem gezweifelt was du machst?

An den Workshops habe ich nie gezweifelt. Aber ich habe mir oft gedacht, ob das wirklich gut ist, was ich da mache. Vor allem in der Zeit zwischen den Workshops, wenn Leute an mich herantreten und mich zu den Workshops befragen und ich nicht nur gutes Feedback bekomme. Wenn ich merke, dass gewisse Leute komisch finden was ich mache und es einfach nicht verstehen, warum ich meine Freizeit mit Menschen verbringe, die es nicht so gut haben und in den Augen meiner Kritiker vielleicht auch komisch sind. Man muss aufpassen, dass man das nicht an sich heranlässt. Es ist teilweise wirklich so eine… na, wie sagt man?

Achterbahn der Gefühle?

Genau, eine Achterbahn der Gefühle. Am Anfang habe ich das Projekt für mich gemacht, jetzt fängt es an Wellen zu schlagen. Ich habe die Website fertig, die Facebook-Seite, habe schon Videos gemacht. Immer mehr Leute bekommen von diesem Projekt mit und immer mehr Leute können etwas dazu sagen. Das ist ungewohnt für mich.

Wie gehst du mit Feedback um? Wo holst du es dir?

Bei Gesprächen mit meinem Team. Die geben mir Feedback und können den Prozess auch von außerhalb betrachten. Es ist oft ein schwierig, weil man dem eigenen Projekt mit sehr vielen Emotionen verbunden ist.

Man braucht nicht viel, um jemandem Respekt zu zeigen.

Wie fühlst du dich dabei, wenn du tolles Feedback von den Teilnehmern bekommst?

Es ist echt etwas Schönes, wenn man jemandem mit so einfachen Mitteln eine Freude bereiten kann. Mit ganz einfachen Mitteln, man braucht wirklich nicht viel, um jemandem Respekt zu zeigen. Um zu zeigen, dass er oder sie ein toller Mensch ist und genau so viel wert ist wie man selbst. Das Coole ist, dass jetzt ein Teilnehmer aus meinem ersten Workshop, seinen eigenen Workshop für Kinder aus dem Ute Bock Projekt macht. Das macht einfach extrem glücklich und ich bin stolz. Ich glaube so fühlt man sich als Mutter, wenn ein Kind etwas schafft (lacht).

Welche Botschaft willst du den Teilnehmern mit auf den Weg geben?

Die Teilnehmer, die ich bis jetzt hatte sind trotz ihrer Lage so gut unterwegs. Sie sollen nicht aufgeben, sie sollen ja nicht an sich zweifeln, nur weil andere Leute meinen sie sind komisch. Sie sollen weitermachen und weiterhin an sich glauben. Sie sollen das Vertrauen zu sich nicht verlieren und egal wie schwierig es ist, sie sollen trotz allem weiterkämpfen. Ich will ihnen zeigen, dass man nicht immer Geld braucht um etwas zu machen und auf die Beine zu stellen. Sie sollen mit offenen Augen durch die Welt gehen.

Hat es bis jetzt ein besonderes Erlebnis bei den Workshops gegeben?

Nach dem ersten Workshop “Papeterie”. Wir waren gerade beim zusammenräumen und ich habe gemerkt: okay, jetzt ist es vorbei. Unbewusst bin ich immer ruhiger und trauriger geworden, wollte es aber nicht zeigen. Ich wollte keinen Heulanfall bekommen (lacht). Auf einmal ist Milena, eine Teilnehmerin, zu mir gekommen und hat gefragt warum ich traurig bin und ich habe gesagt, weil es jetzt vorbei ist. Sie hat dann gesagt „Das stimmt nicht, es ist nicht vorbei. Es hat doch jetzt erst begonnen.“.

Dein Rat an Leute die auch etwas aufbauen und bewirken wollen?

Mach es einfach und probiere aus, habe keine Angst vor Fehlern. Keine Angst vor Neuem. Genau das ist die Botschaft. Lass dich ja nicht von anderen Leuten unterkriegen. Auch wenn es jetzt ein Sozialprojekt ist und ich für andere Leute etwas mache, mache ich es gerne und ich mache es für mich. Doch oft habe ich das Gefühl, dass ich viel mehr zurück bekomme, als ich eigentlich gebe. Du musst es echt gerne machen und du brauchst keine Angst vor Fehlern haben. Es ist eh wurscht, was die anderen Leute sagen.

Meine Eltern sind Helden für mich.

Siehst du dich selbst als Heldin?

Überhaupt nicht, nein. Helden sind meine Teilnehmer, die unter extremen Bedingungen so motiviert bleiben und trotzdem noch immer das Positive sehen. Das finde ich echt heldenhaft, ich weiß nicht ob ich das könnte. Ich weiß, wo ich hingehen kann, wenn es mir nicht gut geht. Bei meinen Teilnehmern ist es so, dass sie teilweise niemanden haben. Ich habe Leute, die ganz alleine nach Österreich gekommen sind, ohne Familie. Also Respekt, dass sie da so weiter machen. Alleinerziehende Mütter und Väter, die es schaffen ohne Hilfe ihr Leben zu managen und trotzdem ein Kind groß zu ziehen – das finde ich auch sehr heldenhaft. Und meine Eltern sind Helden für mich. Sie haben nicht viel gehabt, sind sehr jung Eltern geworden und haben es trotzdem geschafft, dass mein Bruder und ich das machen können was wir wollen.

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